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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der Alten und der Neuen.
Mastricht und an den Ufern des Rheins suchten, die mehr malerische Prospecte lie-
fern. Indessen beleben die vielen Wiesen, die Weiden, die unzähligen Canäle, die
darauf hin und her segelnden Fahrzeuge, die Mühlen, der Handel und die außeror-
dentliche Geschäftigkeit überall das Land, und bieten dem Auge mancherley angeneh-
me Auftritte an.

In der That kann nichts anmuthiger seyn, schrieb die Lady Montague, *)
als in Holland zu reisen. Das ganze Land scheint ein ausgebreiteter Garten. Die
Landstraßen sind wohl gepflastert, auf jeder Seite mit Reihen von Bäumen beschattet,
und von breiten Canälen eingeschlossen, auf welchen es von hin und herfahrenden Boo-
ten wimmelt. Alle zwanzig Schritte geben die Aussicht auf irgend ein Landhaus,
und alle vier Stunden auf irgend eine feine Stadt, von einer so unerwarteten Net-
tigkeit, daß man davon ganz bezaubert wird.

Eben diese Anmuth der Landschaft bemerkte ein neuer Reisender **) auf der
Fahrt von Amsterdam nach Utrecht auf dem Vechtflusse. Die Landhäuser und
Gärten, sagt er, die auf beyden Seiten liegen, machen eine Reise auf dem Flusse
durch diese Gegend zur angenehmsten, die sich die menschliche Einbildungskraft schaffen
kann. Alle Augenblicke verändert sich die Aussicht auf einen Garten mit Labyrin-
then, dann auf eine in tausendfache Formen künstlich geschnittene Hecke aus Linden,
Ulmen oder Iben, dann in lange Alleen von Lindenbäumen und Kastanien. Zu-
weilen geht ein Canal dazwischen durch, ein andermal trennt eine kleine Wiese zween
Gärten. Wieder ein anderer Garten hat die angenehmsten und dicht zugezogenen
Lauben und lange bedeckte Gänge. Zuweilen liegt hart am Ufer ein schönes Land-
haus aus Backsteinen, ein andermal sind die Gärten mit eisernem Gitterwerk einge-
faßt. Man sieht in Gärten und Gänge, die mit Bildsäulen besetzt sind, und an
dem Ufer laufen lange Beete mit Blumen hin, unter denen jetzt die Tulpen eine herr-
liche Einfassung ausmachten. Diese erfrischenden Aussichten, die ein junges Grün
verschönerte, dauerten über eine Stunde bis Breukeln so ununterbrochen fort, daß
immer ein Lustgarten an den andern anschloß. Weiterhin fiengen die Gärten und
dichterischen Gegenden von neuem an; und wenn sie auch einmal mit Canälen, gro-
ßen Wiesen und einigen Ackerfeldern abwechselten, so erschienen sie doch bald wieder,
und belustigten die Fahrt auf drey Stunden lang. Sie fallen hauptsächlich deswegen
so angenehm ins Auge, weil der schnell vorüberfahrende Reisende, über die Abwech-

selung
*) Briefe während ihrer Reisen in Europa, Asia, u. s. w.
**) Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Frankreich, England und
Holland, 3ter Theil. 1775.
G 2

der Alten und der Neuen.
Maſtricht und an den Ufern des Rheins ſuchten, die mehr maleriſche Proſpecte lie-
fern. Indeſſen beleben die vielen Wieſen, die Weiden, die unzaͤhligen Canaͤle, die
darauf hin und her ſegelnden Fahrzeuge, die Muͤhlen, der Handel und die außeror-
dentliche Geſchaͤftigkeit uͤberall das Land, und bieten dem Auge mancherley angeneh-
me Auftritte an.

In der That kann nichts anmuthiger ſeyn, ſchrieb die Lady Montague, *)
als in Holland zu reiſen. Das ganze Land ſcheint ein ausgebreiteter Garten. Die
Landſtraßen ſind wohl gepflaſtert, auf jeder Seite mit Reihen von Baͤumen beſchattet,
und von breiten Canaͤlen eingeſchloſſen, auf welchen es von hin und herfahrenden Boo-
ten wimmelt. Alle zwanzig Schritte geben die Ausſicht auf irgend ein Landhaus,
und alle vier Stunden auf irgend eine feine Stadt, von einer ſo unerwarteten Net-
tigkeit, daß man davon ganz bezaubert wird.

Eben dieſe Anmuth der Landſchaft bemerkte ein neuer Reiſender **) auf der
Fahrt von Amſterdam nach Utrecht auf dem Vechtfluſſe. Die Landhaͤuſer und
Gaͤrten, ſagt er, die auf beyden Seiten liegen, machen eine Reiſe auf dem Fluſſe
durch dieſe Gegend zur angenehmſten, die ſich die menſchliche Einbildungskraft ſchaffen
kann. Alle Augenblicke veraͤndert ſich die Ausſicht auf einen Garten mit Labyrin-
then, dann auf einé in tauſendfache Formen kuͤnſtlich geſchnittene Hecke aus Linden,
Ulmen oder Iben, dann in lange Alleen von Lindenbaͤumen und Kaſtanien. Zu-
weilen geht ein Canal dazwiſchen durch, ein andermal trennt eine kleine Wieſe zween
Gaͤrten. Wieder ein anderer Garten hat die angenehmſten und dicht zugezogenen
Lauben und lange bedeckte Gaͤnge. Zuweilen liegt hart am Ufer ein ſchoͤnes Land-
haus aus Backſteinen, ein andermal ſind die Gaͤrten mit eiſernem Gitterwerk einge-
faßt. Man ſieht in Gaͤrten und Gaͤnge, die mit Bildſaͤulen beſetzt ſind, und an
dem Ufer laufen lange Beete mit Blumen hin, unter denen jetzt die Tulpen eine herr-
liche Einfaſſung ausmachten. Dieſe erfriſchenden Ausſichten, die ein junges Gruͤn
verſchoͤnerte, dauerten uͤber eine Stunde bis Breukeln ſo ununterbrochen fort, daß
immer ein Luſtgarten an den andern anſchloß. Weiterhin fiengen die Gaͤrten und
dichteriſchen Gegenden von neuem an; und wenn ſie auch einmal mit Canaͤlen, gro-
ßen Wieſen und einigen Ackerfeldern abwechſelten, ſo erſchienen ſie doch bald wieder,
und beluſtigten die Fahrt auf drey Stunden lang. Sie fallen hauptſaͤchlich deswegen
ſo angenehm ins Auge, weil der ſchnell voruͤberfahrende Reiſende, uͤber die Abwech-

ſelung
*) Briefe waͤhrend ihrer Reiſen in Europa, Aſia, u. ſ. w.
**) Bemerkungen eines Reiſenden durch Deutſchland, Frankreich, England und
Holland, 3ter Theil. 1775.
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[51/0065] der Alten und der Neuen. Maſtricht und an den Ufern des Rheins ſuchten, die mehr maleriſche Proſpecte lie- fern. Indeſſen beleben die vielen Wieſen, die Weiden, die unzaͤhligen Canaͤle, die darauf hin und her ſegelnden Fahrzeuge, die Muͤhlen, der Handel und die außeror- dentliche Geſchaͤftigkeit uͤberall das Land, und bieten dem Auge mancherley angeneh- me Auftritte an. In der That kann nichts anmuthiger ſeyn, ſchrieb die Lady Montague, *) als in Holland zu reiſen. Das ganze Land ſcheint ein ausgebreiteter Garten. Die Landſtraßen ſind wohl gepflaſtert, auf jeder Seite mit Reihen von Baͤumen beſchattet, und von breiten Canaͤlen eingeſchloſſen, auf welchen es von hin und herfahrenden Boo- ten wimmelt. Alle zwanzig Schritte geben die Ausſicht auf irgend ein Landhaus, und alle vier Stunden auf irgend eine feine Stadt, von einer ſo unerwarteten Net- tigkeit, daß man davon ganz bezaubert wird. Eben dieſe Anmuth der Landſchaft bemerkte ein neuer Reiſender **) auf der Fahrt von Amſterdam nach Utrecht auf dem Vechtfluſſe. Die Landhaͤuſer und Gaͤrten, ſagt er, die auf beyden Seiten liegen, machen eine Reiſe auf dem Fluſſe durch dieſe Gegend zur angenehmſten, die ſich die menſchliche Einbildungskraft ſchaffen kann. Alle Augenblicke veraͤndert ſich die Ausſicht auf einen Garten mit Labyrin- then, dann auf einé in tauſendfache Formen kuͤnſtlich geſchnittene Hecke aus Linden, Ulmen oder Iben, dann in lange Alleen von Lindenbaͤumen und Kaſtanien. Zu- weilen geht ein Canal dazwiſchen durch, ein andermal trennt eine kleine Wieſe zween Gaͤrten. Wieder ein anderer Garten hat die angenehmſten und dicht zugezogenen Lauben und lange bedeckte Gaͤnge. Zuweilen liegt hart am Ufer ein ſchoͤnes Land- haus aus Backſteinen, ein andermal ſind die Gaͤrten mit eiſernem Gitterwerk einge- faßt. Man ſieht in Gaͤrten und Gaͤnge, die mit Bildſaͤulen beſetzt ſind, und an dem Ufer laufen lange Beete mit Blumen hin, unter denen jetzt die Tulpen eine herr- liche Einfaſſung ausmachten. Dieſe erfriſchenden Ausſichten, die ein junges Gruͤn verſchoͤnerte, dauerten uͤber eine Stunde bis Breukeln ſo ununterbrochen fort, daß immer ein Luſtgarten an den andern anſchloß. Weiterhin fiengen die Gaͤrten und dichteriſchen Gegenden von neuem an; und wenn ſie auch einmal mit Canaͤlen, gro- ßen Wieſen und einigen Ackerfeldern abwechſelten, ſo erſchienen ſie doch bald wieder, und beluſtigten die Fahrt auf drey Stunden lang. Sie fallen hauptſaͤchlich deswegen ſo angenehm ins Auge, weil der ſchnell voruͤberfahrende Reiſende, uͤber die Abwech- ſelung *) Briefe waͤhrend ihrer Reiſen in Europa, Aſia, u. ſ. w. **) Bemerkungen eines Reiſenden durch Deutſchland, Frankreich, England und Holland, 3ter Theil. 1775. G 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/65>, abgerufen am 19.04.2024.