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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Erster Abschnitt.
ten selbst gebracht werde. Dies ist eine wesentliche Regel, die der Gartenkünstler nie
überschreiten soll. Wo sanfte Melancholie, wo Nachdenken und Ruhe herrschen,
wo das Auge mit der Betrachtung einer vorliegenden Scene allein unterhalten werden
soll: da würde die Eröffnung einer heitern Aussicht nicht an ihrem Orte seyn.

Aber auch bey der Anlegung der Gartenscenen selbst muß man auf den Cha-
rakter der benachbarten Gegend, wohin der Prospect gerichtet ist, Rücksicht nehmen;
zumal da es leichter ist, daß sich der Garten nach der Landschaft, als daß sich die
Landschaft nach dem Garten bequeme, wenn man nicht mit den umherliegenden Ge-
genständen solche gewaltsame Veränderungen, die man zuweilen in den brittischen
Parks sieht, vornehmen will. Alles kommt überhaupt darauf an, daß die innern
Prospecte des Gartens mit den äußern Prospecten der Landschaft in eine solche Ver-
bindung gesetzt werden, daß kein Widerspruch entstehe, sondern vielmehr eine so sehr
als möglich vereinte und verstärkte Wirkung erzeugt werde.

3.

Die Größe des Gartenplatzes hilft die ganze innere Anlage und Einrichtung
aller Scenen bestimmen. Je weiter der Umkreis ist, desto mehr wird, ihn zu nu-
tzen, von dem Genie und der Einsicht des Gartenkünstlers erwartet. Ausgedehnt
aber muß jedes zu einem guten Garten bestimmtes Revier seyn, damit die verschie-
denen Auftritte nicht über einander gehäuft werden, sondern sich allmählig folgen, und
die Bewegungen nicht verwirren, sondern sie nach und nach in einer harmonisch fort-
schreitenden Reihe hervorbringen.

Ein Platz, der gar zu schmal ist, auch wenn er eine weite Strecke gerade fort-
läuft, hat, um einen schönen Garten aufzunehmen, mancherley Unbequemlichkeit.
Er muß, so viel als möglich, Ausdehnung von allen Seiten haben.

[Abbildung]

4. Ein

Erſter Abſchnitt.
ten ſelbſt gebracht werde. Dies iſt eine weſentliche Regel, die der Gartenkuͤnſtler nie
uͤberſchreiten ſoll. Wo ſanfte Melancholie, wo Nachdenken und Ruhe herrſchen,
wo das Auge mit der Betrachtung einer vorliegenden Scene allein unterhalten werden
ſoll: da wuͤrde die Eroͤffnung einer heitern Ausſicht nicht an ihrem Orte ſeyn.

Aber auch bey der Anlegung der Gartenſcenen ſelbſt muß man auf den Cha-
rakter der benachbarten Gegend, wohin der Proſpect gerichtet iſt, Ruͤckſicht nehmen;
zumal da es leichter iſt, daß ſich der Garten nach der Landſchaft, als daß ſich die
Landſchaft nach dem Garten bequeme, wenn man nicht mit den umherliegenden Ge-
genſtaͤnden ſolche gewaltſame Veraͤnderungen, die man zuweilen in den brittiſchen
Parks ſieht, vornehmen will. Alles kommt uͤberhaupt darauf an, daß die innern
Proſpecte des Gartens mit den aͤußern Proſpecten der Landſchaft in eine ſolche Ver-
bindung geſetzt werden, daß kein Widerſpruch entſtehe, ſondern vielmehr eine ſo ſehr
als moͤglich vereinte und verſtaͤrkte Wirkung erzeugt werde.

3.

Die Groͤße des Gartenplatzes hilft die ganze innere Anlage und Einrichtung
aller Scenen beſtimmen. Je weiter der Umkreis iſt, deſto mehr wird, ihn zu nu-
tzen, von dem Genie und der Einſicht des Gartenkuͤnſtlers erwartet. Ausgedehnt
aber muß jedes zu einem guten Garten beſtimmtes Revier ſeyn, damit die verſchie-
denen Auftritte nicht uͤber einander gehaͤuft werden, ſondern ſich allmaͤhlig folgen, und
die Bewegungen nicht verwirren, ſondern ſie nach und nach in einer harmoniſch fort-
ſchreitenden Reihe hervorbringen.

Ein Platz, der gar zu ſchmal iſt, auch wenn er eine weite Strecke gerade fort-
laͤuft, hat, um einen ſchoͤnen Garten aufzunehmen, mancherley Unbequemlichkeit.
Er muß, ſo viel als moͤglich, Ausdehnung von allen Seiten haben.

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4. Ein
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[6/0010] Erſter Abſchnitt. ten ſelbſt gebracht werde. Dies iſt eine weſentliche Regel, die der Gartenkuͤnſtler nie uͤberſchreiten ſoll. Wo ſanfte Melancholie, wo Nachdenken und Ruhe herrſchen, wo das Auge mit der Betrachtung einer vorliegenden Scene allein unterhalten werden ſoll: da wuͤrde die Eroͤffnung einer heitern Ausſicht nicht an ihrem Orte ſeyn. Aber auch bey der Anlegung der Gartenſcenen ſelbſt muß man auf den Cha- rakter der benachbarten Gegend, wohin der Proſpect gerichtet iſt, Ruͤckſicht nehmen; zumal da es leichter iſt, daß ſich der Garten nach der Landſchaft, als daß ſich die Landſchaft nach dem Garten bequeme, wenn man nicht mit den umherliegenden Ge- genſtaͤnden ſolche gewaltſame Veraͤnderungen, die man zuweilen in den brittiſchen Parks ſieht, vornehmen will. Alles kommt uͤberhaupt darauf an, daß die innern Proſpecte des Gartens mit den aͤußern Proſpecten der Landſchaft in eine ſolche Ver- bindung geſetzt werden, daß kein Widerſpruch entſtehe, ſondern vielmehr eine ſo ſehr als moͤglich vereinte und verſtaͤrkte Wirkung erzeugt werde. 3. Die Groͤße des Gartenplatzes hilft die ganze innere Anlage und Einrichtung aller Scenen beſtimmen. Je weiter der Umkreis iſt, deſto mehr wird, ihn zu nu- tzen, von dem Genie und der Einſicht des Gartenkuͤnſtlers erwartet. Ausgedehnt aber muß jedes zu einem guten Garten beſtimmtes Revier ſeyn, damit die verſchie- denen Auftritte nicht uͤber einander gehaͤuft werden, ſondern ſich allmaͤhlig folgen, und die Bewegungen nicht verwirren, ſondern ſie nach und nach in einer harmoniſch fort- ſchreitenden Reihe hervorbringen. Ein Platz, der gar zu ſchmal iſt, auch wenn er eine weite Strecke gerade fort- laͤuft, hat, um einen ſchoͤnen Garten aufzunehmen, mancherley Unbequemlichkeit. Er muß, ſo viel als moͤglich, Ausdehnung von allen Seiten haben. [Abbildung] 4. Ein

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/10>, abgerufen am 18.04.2024.