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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt.
ste der Seele sich ergießende Erfrischung. Noch mehr hebt sich diese Wirkung bey
der Zufälligkeit des Mondlichts, wenn es mit seinem milden Schimmer diese Scene
besucht, und in der tiefen Ruhe zwischen Wasser und Bäumen ein Schauspiel verbrei-
tet, das nicht gemalt, noch weniger beschrieben ward; das dem empfindsamen Freund
der Natur nur zuweilen zu sehen, nicht aber wieder nachzuerzählen, vergönnt war.

[Abbildung]
5.
Strom.

Ströme, Flüsse und Bäche machen eine neue Abänderung des Wassers, die
nicht blos in eigener Bewegung, sondern im Fortlaufe besteht. Dieser Charakter
ist allen dreyen gemein; allein sie unterscheiden sich wieder unter einander durch die
größere oder geringere Masse des Wassers, durch die mehrere oder mindere Geschwin-
digkeit ihres Laufs und durch die Verschiedenheit des Geräusches, wodurch sie für das
Ohr ihre Gegenwart empfindbar machen.

Der besondere Charakter des Stroms ist Größe und reißende Geschwindigkeit
seines Fortgangs. Seine ansehnliche Massen wälzen und stürzen sich mit Stärke
und Muth dahin; sie zerstören alles vor sich weg, was sich ihrem Lauf entgegensetzen
will; oder sie brechen, wo der Widerstand unbezwingbar ist, auf einer andern Seite
durch, und brausen in neuen Umwegen mit tobendem Unwillen dahin. Sein Was-
ser ist in einer ewigen Unruhe; immer sich zusammendrängend, immer aufbrausend
und schäumend. Seine Ufer zeugen von Gewaltthätigkeit; sie sind pflanzenleer,

dürre,

Fuͤnfter Abſchnitt.
ſte der Seele ſich ergießende Erfriſchung. Noch mehr hebt ſich dieſe Wirkung bey
der Zufaͤlligkeit des Mondlichts, wenn es mit ſeinem milden Schimmer dieſe Scene
beſucht, und in der tiefen Ruhe zwiſchen Waſſer und Baͤumen ein Schauſpiel verbrei-
tet, das nicht gemalt, noch weniger beſchrieben ward; das dem empfindſamen Freund
der Natur nur zuweilen zu ſehen, nicht aber wieder nachzuerzaͤhlen, vergoͤnnt war.

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5.
Strom.

Stroͤme, Fluͤſſe und Baͤche machen eine neue Abaͤnderung des Waſſers, die
nicht blos in eigener Bewegung, ſondern im Fortlaufe beſteht. Dieſer Charakter
iſt allen dreyen gemein; allein ſie unterſcheiden ſich wieder unter einander durch die
groͤßere oder geringere Maſſe des Waſſers, durch die mehrere oder mindere Geſchwin-
digkeit ihres Laufs und durch die Verſchiedenheit des Geraͤuſches, wodurch ſie fuͤr das
Ohr ihre Gegenwart empfindbar machen.

Der beſondere Charakter des Stroms iſt Groͤße und reißende Geſchwindigkeit
ſeines Fortgangs. Seine anſehnliche Maſſen waͤlzen und ſtuͤrzen ſich mit Staͤrke
und Muth dahin; ſie zerſtoͤren alles vor ſich weg, was ſich ihrem Lauf entgegenſetzen
will; oder ſie brechen, wo der Widerſtand unbezwingbar iſt, auf einer andern Seite
durch, und brauſen in neuen Umwegen mit tobendem Unwillen dahin. Sein Waſ-
ſer iſt in einer ewigen Unruhe; immer ſich zuſammendraͤngend, immer aufbrauſend
und ſchaͤumend. Seine Ufer zeugen von Gewaltthaͤtigkeit; ſie ſind pflanzenleer,

duͤrre,
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[104/0108] Fuͤnfter Abſchnitt. ſte der Seele ſich ergießende Erfriſchung. Noch mehr hebt ſich dieſe Wirkung bey der Zufaͤlligkeit des Mondlichts, wenn es mit ſeinem milden Schimmer dieſe Scene beſucht, und in der tiefen Ruhe zwiſchen Waſſer und Baͤumen ein Schauſpiel verbrei- tet, das nicht gemalt, noch weniger beſchrieben ward; das dem empfindſamen Freund der Natur nur zuweilen zu ſehen, nicht aber wieder nachzuerzaͤhlen, vergoͤnnt war. [Abbildung] 5. Strom. Stroͤme, Fluͤſſe und Baͤche machen eine neue Abaͤnderung des Waſſers, die nicht blos in eigener Bewegung, ſondern im Fortlaufe beſteht. Dieſer Charakter iſt allen dreyen gemein; allein ſie unterſcheiden ſich wieder unter einander durch die groͤßere oder geringere Maſſe des Waſſers, durch die mehrere oder mindere Geſchwin- digkeit ihres Laufs und durch die Verſchiedenheit des Geraͤuſches, wodurch ſie fuͤr das Ohr ihre Gegenwart empfindbar machen. Der beſondere Charakter des Stroms iſt Groͤße und reißende Geſchwindigkeit ſeines Fortgangs. Seine anſehnliche Maſſen waͤlzen und ſtuͤrzen ſich mit Staͤrke und Muth dahin; ſie zerſtoͤren alles vor ſich weg, was ſich ihrem Lauf entgegenſetzen will; oder ſie brechen, wo der Widerſtand unbezwingbar iſt, auf einer andern Seite durch, und brauſen in neuen Umwegen mit tobendem Unwillen dahin. Sein Waſ- ſer iſt in einer ewigen Unruhe; immer ſich zuſammendraͤngend, immer aufbrauſend und ſchaͤumend. Seine Ufer zeugen von Gewaltthaͤtigkeit; ſie ſind pflanzenleer, duͤrre,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/108>, abgerufen am 29.03.2024.