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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.

IV.
Beschreibung des Parks zu Envil.
*)

Bey dem ersten Eintritte auf den Boden dieses angenehmen und weitläuftigen
Landsitzes fiel mir die Landschaft sehr auf. Ich bekam gleich einen günstigen
Begriff davon, und stellete mir das größte Vergnügen von einem Spaziergange
durch die vor mir liegenden Hügel und Wälder vor. Meine Hoffnung ward auch
keinesweges betrogen.

Bey den Bedienten- und Stallgebäuden, die an der Heerstraße liegen, kommt
man durch das Thor auf einen Weg, der mit geringen Krümmungen über eine ebe-
ne große Wildbahn führt. Hier und da stehen einzelne hohe Bäume, die dem
Wege eine Zierde geben. Man kommt darauf an ein überaus artiges und lustiges
Sommerhaus. Man nennt es das Schiffhaus. Hier sieht man einen deutlichen
Beweis, daß es in der Gartenkunst allemal etwas Vortreffliches ist, zu überra-
schen, und daß es weit mehr auf den Zuschauer wirkt, wenn er auf einmal eine
Scene vor sich sieht, sie mag nun lebhaft oder schön, oder traurig seyn, als wenn
er sie lange vor Augen hat, ehe er an den Ort kommt, von dem sie eigentlich gesehen
werden soll. Der Gartenkünstler kann sich hieraus auch die Regel nehmen, in
seinen Anlagen nicht zu voreilig zu seyn, sondern seine Aufmerksamkeit auf alles, auch
auf die kleinsten Gegenstände zu richten; thut er dieses nicht, so wird er sich nicht
nur Vorwürfe zuziehen, sondern auch die wichtigsten Umstände für den ganzen Ort
übersehen.

Dieser schöne Anblick bestätigt meine Anmerkung. Er wird blos dadurch er-
reicht, daß der Weg vorher etwas tiefer geführt ist, und daß das Gebäude auf ei-
ner kleinen Anhöhe steht. Wie groß ist nicht die Wirkung! Ohne eine Verän-
derung zu vermuthen, wird man von der ländlichen Einfalt, die einen umgiebt, von
den waldigten Hügeln, schönen Wildbahnen, und andern unterhaltenden Gegen-
ständen, indem man die sanfte Anhöhe von Rasen hinangeht, auf einmal in eine ent-
zückende Abwechselung versetzt.

Ein Wasserbassin von sehr großem Umfange verbreitet sich, und ist mit tau-
send Annehmlichkeiten, die sich nicht beschreiben lassen, umgeben. Das Auge bleibt

gemei-
*) Ein Landsitz des Grafen von Stamford in Worcestershire. Die Beschreibung
ist von Heely in seinen schon angeführten Briefen über diesen Landsitz.
Y 2
Beſchreibungen von Gaͤrten.

IV.
Beſchreibung des Parks zu Envil.
*)

Bey dem erſten Eintritte auf den Boden dieſes angenehmen und weitlaͤuftigen
Landſitzes fiel mir die Landſchaft ſehr auf. Ich bekam gleich einen guͤnſtigen
Begriff davon, und ſtellete mir das groͤßte Vergnuͤgen von einem Spaziergange
durch die vor mir liegenden Huͤgel und Waͤlder vor. Meine Hoffnung ward auch
keinesweges betrogen.

Bey den Bedienten- und Stallgebaͤuden, die an der Heerſtraße liegen, kommt
man durch das Thor auf einen Weg, der mit geringen Kruͤmmungen uͤber eine ebe-
ne große Wildbahn fuͤhrt. Hier und da ſtehen einzelne hohe Baͤume, die dem
Wege eine Zierde geben. Man kommt darauf an ein uͤberaus artiges und luſtiges
Sommerhaus. Man nennt es das Schiffhaus. Hier ſieht man einen deutlichen
Beweis, daß es in der Gartenkunſt allemal etwas Vortreffliches iſt, zu uͤberra-
ſchen, und daß es weit mehr auf den Zuſchauer wirkt, wenn er auf einmal eine
Scene vor ſich ſieht, ſie mag nun lebhaft oder ſchoͤn, oder traurig ſeyn, als wenn
er ſie lange vor Augen hat, ehe er an den Ort kommt, von dem ſie eigentlich geſehen
werden ſoll. Der Gartenkuͤnſtler kann ſich hieraus auch die Regel nehmen, in
ſeinen Anlagen nicht zu voreilig zu ſeyn, ſondern ſeine Aufmerkſamkeit auf alles, auch
auf die kleinſten Gegenſtaͤnde zu richten; thut er dieſes nicht, ſo wird er ſich nicht
nur Vorwuͤrfe zuziehen, ſondern auch die wichtigſten Umſtaͤnde fuͤr den ganzen Ort
uͤberſehen.

Dieſer ſchoͤne Anblick beſtaͤtigt meine Anmerkung. Er wird blos dadurch er-
reicht, daß der Weg vorher etwas tiefer gefuͤhrt iſt, und daß das Gebaͤude auf ei-
ner kleinen Anhoͤhe ſteht. Wie groß iſt nicht die Wirkung! Ohne eine Veraͤn-
derung zu vermuthen, wird man von der laͤndlichen Einfalt, die einen umgiebt, von
den waldigten Huͤgeln, ſchoͤnen Wildbahnen, und andern unterhaltenden Gegen-
ſtaͤnden, indem man die ſanfte Anhoͤhe von Raſen hinangeht, auf einmal in eine ent-
zuͤckende Abwechſelung verſetzt.

Ein Waſſerbaſſin von ſehr großem Umfange verbreitet ſich, und iſt mit tau-
ſend Annehmlichkeiten, die ſich nicht beſchreiben laſſen, umgeben. Das Auge bleibt

gemei-
*) Ein Landſitz des Grafen von Stamford in Worceſterſhire. Die Beſchreibung
iſt von Heely in ſeinen ſchon angefuͤhrten Briefen uͤber dieſen Landſitz.
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[161/0165] Beſchreibungen von Gaͤrten. IV. Beſchreibung des Parks zu Envil. *) Bey dem erſten Eintritte auf den Boden dieſes angenehmen und weitlaͤuftigen Landſitzes fiel mir die Landſchaft ſehr auf. Ich bekam gleich einen guͤnſtigen Begriff davon, und ſtellete mir das groͤßte Vergnuͤgen von einem Spaziergange durch die vor mir liegenden Huͤgel und Waͤlder vor. Meine Hoffnung ward auch keinesweges betrogen. Bey den Bedienten- und Stallgebaͤuden, die an der Heerſtraße liegen, kommt man durch das Thor auf einen Weg, der mit geringen Kruͤmmungen uͤber eine ebe- ne große Wildbahn fuͤhrt. Hier und da ſtehen einzelne hohe Baͤume, die dem Wege eine Zierde geben. Man kommt darauf an ein uͤberaus artiges und luſtiges Sommerhaus. Man nennt es das Schiffhaus. Hier ſieht man einen deutlichen Beweis, daß es in der Gartenkunſt allemal etwas Vortreffliches iſt, zu uͤberra- ſchen, und daß es weit mehr auf den Zuſchauer wirkt, wenn er auf einmal eine Scene vor ſich ſieht, ſie mag nun lebhaft oder ſchoͤn, oder traurig ſeyn, als wenn er ſie lange vor Augen hat, ehe er an den Ort kommt, von dem ſie eigentlich geſehen werden ſoll. Der Gartenkuͤnſtler kann ſich hieraus auch die Regel nehmen, in ſeinen Anlagen nicht zu voreilig zu ſeyn, ſondern ſeine Aufmerkſamkeit auf alles, auch auf die kleinſten Gegenſtaͤnde zu richten; thut er dieſes nicht, ſo wird er ſich nicht nur Vorwuͤrfe zuziehen, ſondern auch die wichtigſten Umſtaͤnde fuͤr den ganzen Ort uͤberſehen. Dieſer ſchoͤne Anblick beſtaͤtigt meine Anmerkung. Er wird blos dadurch er- reicht, daß der Weg vorher etwas tiefer gefuͤhrt iſt, und daß das Gebaͤude auf ei- ner kleinen Anhoͤhe ſteht. Wie groß iſt nicht die Wirkung! Ohne eine Veraͤn- derung zu vermuthen, wird man von der laͤndlichen Einfalt, die einen umgiebt, von den waldigten Huͤgeln, ſchoͤnen Wildbahnen, und andern unterhaltenden Gegen- ſtaͤnden, indem man die ſanfte Anhoͤhe von Raſen hinangeht, auf einmal in eine ent- zuͤckende Abwechſelung verſetzt. Ein Waſſerbaſſin von ſehr großem Umfange verbreitet ſich, und iſt mit tau- ſend Annehmlichkeiten, die ſich nicht beſchreiben laſſen, umgeben. Das Auge bleibt gemei- *) Ein Landſitz des Grafen von Stamford in Worceſterſhire. Die Beſchreibung iſt von Heely in ſeinen ſchon angefuͤhrten Briefen uͤber dieſen Landſitz. Y 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/165>, abgerufen am 23.04.2024.