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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Zweyter Abschnitt.
sowohl zur Besetzung der Spaziergänge, als auch zur Verdeckung widriger Ansichten
weit vorzüglicher sind.

cc.
Allee.

Wenn Alleen, die aus Bäumen bestehen, da aus Sträuchern und Gebüschen
die Hecken zusammengesetzt sind, gleich wie diese, an den Seiten und auf der Oberflä-
che die Merkmale der Gartenscheere zeigen: so gehören sie mit den Hecken in eine Klasse.
Allein wenn sie blos eine regelmäßige Pflanzung vorstellen, wobey jeder Baum die
Freyheit seines Wuchses ohne Verkünstelung behält: so dürfen wir sie nicht ohne Un-
terschied verwerfen, sie verdienen noch eine nähere Beurtheilung.

1.

Es ist gewiß, daß die älteste Kunst schon mit Anpflanzungen der Bäume nach
einer gewissen Ordnung den Anfang gemacht hat. Wenn der Quincunx auch wohl
eben nicht die allererste Ordnung gewesen seyn mag, so ward er doch, wie wir zuver-
lässig wissen, von den Römern geliebt, zu welchen er von den Persern gekommen
zu seyn scheint. Nach dieser Ordnung waren die Alleen der Römer gepflanzt; da
hingegen die kleinen Hecken, vornehmlich nach ihrer gegenwärtigen Einrichtung, von
den Franzosen erfunden, und von ihnen allmählig weiter verbreitet sind. Der Quin-
cunx ist regelmäßig, und doch giebt er, wenn er zusammengesetzt wird, eine gewisse
Abwechselung und Vermehrung der Aussichten.

Indessen ist in den neuern Zeiten die Ordnung, da in zwo langen gerade fort-
laufenden Linien Baum gegen Baum gestellt wird, am meisten beobachtet. Es läßt
sich gegen diese Ordnung allerdings sagen, daß sie nicht natürlich genug ist; daß sie
bey einer beträchtlichen Länge ermüdet; und daß ein Garten, der nichts als lauter ge-
rade Alleen hat, dadurch ein steifes und einförmiges Ansehen gewinnt. Man em-
pfand diese Unannehmlichkeit, und führte in den neuern Gärten eine öftere Abwech-
selung der Alleen mit freyen Plätzen, mit Buschwerk und kleinen Gruppen ein; oder
man ließ den Garten, nach einer Menge von künstlichen Anordnungen des Baum-
werks, nach und nach sich in das mehr Nachläßige und Wilde verlieren.

Dennoch haben Alleen ihre Empfehlung; und sie gefallen noch immer unter ei-
ner gewissen Einschränkung. Sie scheinen nicht ganz gegen die Natur, wenn sie nur
nicht in einer langen Strecke sich fortziehen. Denn wir finden, daß der Wald seine
Stämme nicht selten mit einer scheinbaren Ordnung stellt; doch ist die Linie bald wie-

der

Zweyter Abſchnitt.
ſowohl zur Beſetzung der Spaziergaͤnge, als auch zur Verdeckung widriger Anſichten
weit vorzuͤglicher ſind.

cc.
Allee.

Wenn Alleen, die aus Baͤumen beſtehen, da aus Straͤuchern und Gebuͤſchen
die Hecken zuſammengeſetzt ſind, gleich wie dieſe, an den Seiten und auf der Oberflaͤ-
che die Merkmale der Gartenſcheere zeigen: ſo gehoͤren ſie mit den Hecken in eine Klaſſe.
Allein wenn ſie blos eine regelmaͤßige Pflanzung vorſtellen, wobey jeder Baum die
Freyheit ſeines Wuchſes ohne Verkuͤnſtelung behaͤlt: ſo duͤrfen wir ſie nicht ohne Un-
terſchied verwerfen, ſie verdienen noch eine naͤhere Beurtheilung.

1.

Es iſt gewiß, daß die aͤlteſte Kunſt ſchon mit Anpflanzungen der Baͤume nach
einer gewiſſen Ordnung den Anfang gemacht hat. Wenn der Quincunx auch wohl
eben nicht die allererſte Ordnung geweſen ſeyn mag, ſo ward er doch, wie wir zuver-
laͤſſig wiſſen, von den Roͤmern geliebt, zu welchen er von den Perſern gekommen
zu ſeyn ſcheint. Nach dieſer Ordnung waren die Alleen der Roͤmer gepflanzt; da
hingegen die kleinen Hecken, vornehmlich nach ihrer gegenwaͤrtigen Einrichtung, von
den Franzoſen erfunden, und von ihnen allmaͤhlig weiter verbreitet ſind. Der Quin-
cunx iſt regelmaͤßig, und doch giebt er, wenn er zuſammengeſetzt wird, eine gewiſſe
Abwechſelung und Vermehrung der Ausſichten.

Indeſſen iſt in den neuern Zeiten die Ordnung, da in zwo langen gerade fort-
laufenden Linien Baum gegen Baum geſtellt wird, am meiſten beobachtet. Es laͤßt
ſich gegen dieſe Ordnung allerdings ſagen, daß ſie nicht natuͤrlich genug iſt; daß ſie
bey einer betraͤchtlichen Laͤnge ermuͤdet; und daß ein Garten, der nichts als lauter ge-
rade Alleen hat, dadurch ein ſteifes und einfoͤrmiges Anſehen gewinnt. Man em-
pfand dieſe Unannehmlichkeit, und fuͤhrte in den neuern Gaͤrten eine oͤftere Abwech-
ſelung der Alleen mit freyen Plaͤtzen, mit Buſchwerk und kleinen Gruppen ein; oder
man ließ den Garten, nach einer Menge von kuͤnſtlichen Anordnungen des Baum-
werks, nach und nach ſich in das mehr Nachlaͤßige und Wilde verlieren.

Dennoch haben Alleen ihre Empfehlung; und ſie gefallen noch immer unter ei-
ner gewiſſen Einſchraͤnkung. Sie ſcheinen nicht ganz gegen die Natur, wenn ſie nur
nicht in einer langen Strecke ſich fortziehen. Denn wir finden, daß der Wald ſeine
Staͤmme nicht ſelten mit einer ſcheinbaren Ordnung ſtellt; doch iſt die Linie bald wie-

der
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[64/0068] Zweyter Abſchnitt. ſowohl zur Beſetzung der Spaziergaͤnge, als auch zur Verdeckung widriger Anſichten weit vorzuͤglicher ſind. cc. Allee. Wenn Alleen, die aus Baͤumen beſtehen, da aus Straͤuchern und Gebuͤſchen die Hecken zuſammengeſetzt ſind, gleich wie dieſe, an den Seiten und auf der Oberflaͤ- che die Merkmale der Gartenſcheere zeigen: ſo gehoͤren ſie mit den Hecken in eine Klaſſe. Allein wenn ſie blos eine regelmaͤßige Pflanzung vorſtellen, wobey jeder Baum die Freyheit ſeines Wuchſes ohne Verkuͤnſtelung behaͤlt: ſo duͤrfen wir ſie nicht ohne Un- terſchied verwerfen, ſie verdienen noch eine naͤhere Beurtheilung. 1. Es iſt gewiß, daß die aͤlteſte Kunſt ſchon mit Anpflanzungen der Baͤume nach einer gewiſſen Ordnung den Anfang gemacht hat. Wenn der Quincunx auch wohl eben nicht die allererſte Ordnung geweſen ſeyn mag, ſo ward er doch, wie wir zuver- laͤſſig wiſſen, von den Roͤmern geliebt, zu welchen er von den Perſern gekommen zu ſeyn ſcheint. Nach dieſer Ordnung waren die Alleen der Roͤmer gepflanzt; da hingegen die kleinen Hecken, vornehmlich nach ihrer gegenwaͤrtigen Einrichtung, von den Franzoſen erfunden, und von ihnen allmaͤhlig weiter verbreitet ſind. Der Quin- cunx iſt regelmaͤßig, und doch giebt er, wenn er zuſammengeſetzt wird, eine gewiſſe Abwechſelung und Vermehrung der Ausſichten. Indeſſen iſt in den neuern Zeiten die Ordnung, da in zwo langen gerade fort- laufenden Linien Baum gegen Baum geſtellt wird, am meiſten beobachtet. Es laͤßt ſich gegen dieſe Ordnung allerdings ſagen, daß ſie nicht natuͤrlich genug iſt; daß ſie bey einer betraͤchtlichen Laͤnge ermuͤdet; und daß ein Garten, der nichts als lauter ge- rade Alleen hat, dadurch ein ſteifes und einfoͤrmiges Anſehen gewinnt. Man em- pfand dieſe Unannehmlichkeit, und fuͤhrte in den neuern Gaͤrten eine oͤftere Abwech- ſelung der Alleen mit freyen Plaͤtzen, mit Buſchwerk und kleinen Gruppen ein; oder man ließ den Garten, nach einer Menge von kuͤnſtlichen Anordnungen des Baum- werks, nach und nach ſich in das mehr Nachlaͤßige und Wilde verlieren. Dennoch haben Alleen ihre Empfehlung; und ſie gefallen noch immer unter ei- ner gewiſſen Einſchraͤnkung. Sie ſcheinen nicht ganz gegen die Natur, wenn ſie nur nicht in einer langen Strecke ſich fortziehen. Denn wir finden, daß der Wald ſeine Staͤmme nicht ſelten mit einer ſcheinbaren Ordnung ſtellt; doch iſt die Linie bald wie- der

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/68>, abgerufen am 24.04.2024.