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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Dritter Abschnitt.

Dritter Abschnitt.
Von Blumen.

Blumen nehmen nicht blos leeren Plätzen das Oede, sie bezaubern auch rings um
sich her durch die Schönheit, Abwechselung und Mannichfaltigkeit der Farben,
die der eifersüchtigen Kunst unerreichbar sind; sie begeistern durch die Anmuthigkeit
des Geruchs, der vielen Geschlechtern eigen ist, und sind an sich so angenehme Gegen-
stände auf einem Gartenplatze, daß man lange glaubte, schon ihre bloße Gegenwart ma-
che einen Garten, und bey ihrer Abwesenheit verschwinde auch aller Begriff vom Garten.

Weil Blumen ein so herrliches Schauspiel für das Auge geben, und zugleich
durch ihre Wohlgerüche so erquickend sind: so würde es unrecht seyn, sie aus der
Nachbarschaft und von dem Anblick des Menschen zu entfernen, oder, wie es die
alte Mode oft mit sich brachte, hinter Hecken und Gesträuchen zu verstecken. Die
Wirkung der meisten Blumengeschlechter ist überhaupt in der Ferne sehr schwach; sie
verlangen also, dem Auge des Beobachters nahe zu seyn. Obgleich Blumen hie und
da in einem Garten an schicklichen Stellen zerstreut werden können, so ist doch die
Gewohnheit zu billigen, nach welcher sie in der Nähe des Wohnhauses, um welches
ohnedies etwas mehr Cultur und erhöhete Annehmlichkeit herrschen soll, um Lauben
und andere Oerter, wo man öfter verweilt, angepflanzt werden.

Daß der Platz, wo auserlesene Blumen gezogen werden, Einfassung habe,
und überhaupt eine mehr sorgfältige Ordnung und Cultur zeige, ist gewöhnlich und
nicht unrecht. Aber die altväterische Weise, Blumenbeete zu zirkeln, sie in hundert
kleine Theile zu zerschneiden und in künstliche Figuren von nachgeahmtem Laubwerk, in
thierische und andere seltsame Gestalten zu formen, ist ein zu kindisches Spielwerk,
als daß sie Nachsicht finden sollte. Addison nannte die Verfertiger der französischen
Blumenbeete Sonnetmacher in der Kunst; ein sehr gerechter Vorwurf. Die Wir-
kung, die eine schöne Blumenflur hat, gewinnt durch die gezierte Ausbildung der
Beete nicht allein nichts, sie wird sogar oft durch die widrigen Künsteleyen, die sich
dem Auge zugleich entgegendrängen, geschwächt. Und warum zu so vielen mächti-
gen Schönheiten der blühenden Natur ein Behältniß von so seltsamem Zierrath?
Tragt die liebliche Weintraube auf ihren eigenen reinlichen Blättern auf; reicht sie in
einer zierlichen Pastetenform: und merkt, wo sie am meisten anlockt.

Eine andre schon sonst bemerkte üble Wirkung der gewöhnlichen Blumenbeete
ist diese, daß die symmetrische Stellung der Blumen ihre natürliche Verschiedenheit

verschwin-
Dritter Abſchnitt.

Dritter Abſchnitt.
Von Blumen.

Blumen nehmen nicht blos leeren Plaͤtzen das Oede, ſie bezaubern auch rings um
ſich her durch die Schoͤnheit, Abwechſelung und Mannichfaltigkeit der Farben,
die der eiferſuͤchtigen Kunſt unerreichbar ſind; ſie begeiſtern durch die Anmuthigkeit
des Geruchs, der vielen Geſchlechtern eigen iſt, und ſind an ſich ſo angenehme Gegen-
ſtaͤnde auf einem Gartenplatze, daß man lange glaubte, ſchon ihre bloße Gegenwart ma-
che einen Garten, und bey ihrer Abweſenheit verſchwinde auch aller Begriff vom Garten.

Weil Blumen ein ſo herrliches Schauſpiel fuͤr das Auge geben, und zugleich
durch ihre Wohlgeruͤche ſo erquickend ſind: ſo wuͤrde es unrecht ſeyn, ſie aus der
Nachbarſchaft und von dem Anblick des Menſchen zu entfernen, oder, wie es die
alte Mode oft mit ſich brachte, hinter Hecken und Geſtraͤuchen zu verſtecken. Die
Wirkung der meiſten Blumengeſchlechter iſt uͤberhaupt in der Ferne ſehr ſchwach; ſie
verlangen alſo, dem Auge des Beobachters nahe zu ſeyn. Obgleich Blumen hie und
da in einem Garten an ſchicklichen Stellen zerſtreut werden koͤnnen, ſo iſt doch die
Gewohnheit zu billigen, nach welcher ſie in der Naͤhe des Wohnhauſes, um welches
ohnedies etwas mehr Cultur und erhoͤhete Annehmlichkeit herrſchen ſoll, um Lauben
und andere Oerter, wo man oͤfter verweilt, angepflanzt werden.

Daß der Platz, wo auserleſene Blumen gezogen werden, Einfaſſung habe,
und uͤberhaupt eine mehr ſorgfaͤltige Ordnung und Cultur zeige, iſt gewoͤhnlich und
nicht unrecht. Aber die altvaͤteriſche Weiſe, Blumenbeete zu zirkeln, ſie in hundert
kleine Theile zu zerſchneiden und in kuͤnſtliche Figuren von nachgeahmtem Laubwerk, in
thieriſche und andere ſeltſame Geſtalten zu formen, iſt ein zu kindiſches Spielwerk,
als daß ſie Nachſicht finden ſollte. Addiſon nannte die Verfertiger der franzoͤſiſchen
Blumenbeete Sonnetmacher in der Kunſt; ein ſehr gerechter Vorwurf. Die Wir-
kung, die eine ſchoͤne Blumenflur hat, gewinnt durch die gezierte Ausbildung der
Beete nicht allein nichts, ſie wird ſogar oft durch die widrigen Kuͤnſteleyen, die ſich
dem Auge zugleich entgegendraͤngen, geſchwaͤcht. Und warum zu ſo vielen maͤchti-
gen Schoͤnheiten der bluͤhenden Natur ein Behaͤltniß von ſo ſeltſamem Zierrath?
Tragt die liebliche Weintraube auf ihren eigenen reinlichen Blaͤttern auf; reicht ſie in
einer zierlichen Paſtetenform: und merkt, wo ſie am meiſten anlockt.

Eine andre ſchon ſonſt bemerkte uͤble Wirkung der gewoͤhnlichen Blumenbeete
iſt dieſe, daß die ſymmetriſche Stellung der Blumen ihre natuͤrliche Verſchiedenheit

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[76/0080] Dritter Abſchnitt. Dritter Abſchnitt. Von Blumen. Blumen nehmen nicht blos leeren Plaͤtzen das Oede, ſie bezaubern auch rings um ſich her durch die Schoͤnheit, Abwechſelung und Mannichfaltigkeit der Farben, die der eiferſuͤchtigen Kunſt unerreichbar ſind; ſie begeiſtern durch die Anmuthigkeit des Geruchs, der vielen Geſchlechtern eigen iſt, und ſind an ſich ſo angenehme Gegen- ſtaͤnde auf einem Gartenplatze, daß man lange glaubte, ſchon ihre bloße Gegenwart ma- che einen Garten, und bey ihrer Abweſenheit verſchwinde auch aller Begriff vom Garten. Weil Blumen ein ſo herrliches Schauſpiel fuͤr das Auge geben, und zugleich durch ihre Wohlgeruͤche ſo erquickend ſind: ſo wuͤrde es unrecht ſeyn, ſie aus der Nachbarſchaft und von dem Anblick des Menſchen zu entfernen, oder, wie es die alte Mode oft mit ſich brachte, hinter Hecken und Geſtraͤuchen zu verſtecken. Die Wirkung der meiſten Blumengeſchlechter iſt uͤberhaupt in der Ferne ſehr ſchwach; ſie verlangen alſo, dem Auge des Beobachters nahe zu ſeyn. Obgleich Blumen hie und da in einem Garten an ſchicklichen Stellen zerſtreut werden koͤnnen, ſo iſt doch die Gewohnheit zu billigen, nach welcher ſie in der Naͤhe des Wohnhauſes, um welches ohnedies etwas mehr Cultur und erhoͤhete Annehmlichkeit herrſchen ſoll, um Lauben und andere Oerter, wo man oͤfter verweilt, angepflanzt werden. Daß der Platz, wo auserleſene Blumen gezogen werden, Einfaſſung habe, und uͤberhaupt eine mehr ſorgfaͤltige Ordnung und Cultur zeige, iſt gewoͤhnlich und nicht unrecht. Aber die altvaͤteriſche Weiſe, Blumenbeete zu zirkeln, ſie in hundert kleine Theile zu zerſchneiden und in kuͤnſtliche Figuren von nachgeahmtem Laubwerk, in thieriſche und andere ſeltſame Geſtalten zu formen, iſt ein zu kindiſches Spielwerk, als daß ſie Nachſicht finden ſollte. Addiſon nannte die Verfertiger der franzoͤſiſchen Blumenbeete Sonnetmacher in der Kunſt; ein ſehr gerechter Vorwurf. Die Wir- kung, die eine ſchoͤne Blumenflur hat, gewinnt durch die gezierte Ausbildung der Beete nicht allein nichts, ſie wird ſogar oft durch die widrigen Kuͤnſteleyen, die ſich dem Auge zugleich entgegendraͤngen, geſchwaͤcht. Und warum zu ſo vielen maͤchti- gen Schoͤnheiten der bluͤhenden Natur ein Behaͤltniß von ſo ſeltſamem Zierrath? Tragt die liebliche Weintraube auf ihren eigenen reinlichen Blaͤttern auf; reicht ſie in einer zierlichen Paſtetenform: und merkt, wo ſie am meiſten anlockt. Eine andre ſchon ſonſt bemerkte uͤble Wirkung der gewoͤhnlichen Blumenbeete iſt dieſe, daß die ſymmetriſche Stellung der Blumen ihre natuͤrliche Verſchiedenheit verſchwin-

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/80>, abgerufen am 19.04.2024.