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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Vierter Abschnitt.
Von Rasen
.

Freye und offene Plätze sind in einem Garten nicht allein der Gesundheit und
Bequemlichkeit wegen nöthig; sie sind auch einer besondern Anmuth und
Schönheit für das Auge fähig. Sie erheitern, nach dem Umherwandeln in einer
schattigten Gegend, durch Himmel und Luft. Sie erfrischen in den kühlen Stun-
den des Morgens und des Abends, oder nach einem Sommerregen, indem die Wol-
ken über unserm Haupte umherschweben, und ihre lieblichen Malereyen bilden, ver-
ändern, auslöschen. Sie eröffnen den Anblick der längern Stralen und der Spiele
des Regenbogens. Sie enthüllen auf einmal unvermuthete Prospecte, und lassen
in ihrem Raum mancherley Scenen zu, die ihren Reiz ungemein erheben können.
Sie sind endlich fast von eben den sanften Wirkungen, die wir von den Wiesen*)
angezeigt haben.

Anmuthiger sind solche Plätze, wenn sie grüne freye Rasen, als wenn sie so-
genannte Parterre vorstellen, die entweder nackte sandigte Ebenen sind, der traurigste
Anblick; oder in manche sonderbare Gestalten geschnitten, mit Buxbaum umfaßt,
und hie und da mit Muscheln, mit gefärbten Steinchen, und andern kindischen Spiel-
werken ausgelegt. Doch französische Parterre, zumal mit dem eitlen Pomp der
neuern Zusätze beladen, verdienen keine Vergleichung mit den freyen und edlen Ra-
sen, die uns die Natur eher, als das Beyspiel des Engländers, **) vorgezeigt hat.
Denn wenn man die Rasen für eine Erfindung des Engländers hält, wie einige sie
dafür gehalten: so besinnt man sich nicht, daß sie schon lange vorher selbst in den Gär-
ten vorhanden gewesen, aber nur erst in den neuern brittischen Parks unter
der Begünstigung eines feuchtern Clima eine schönere Ausbildung gewonnen
haben.

Bey
*) [Spaltenumbruch] 1 B. S. 202.
**) Die Lawns der Engländer, die
man gemeiniglich durch Wildbahnen über-
setzt, sind nichts anders als große Rasen-
[Spaltenumbruch] stücke, freye, ebene, und mit einem schönen
Grün bekleidete Plätze, die mit Gebüsch,
Hainen und Waldung umgeben sind.
II Band. L

Vierter Abſchnitt.
Von Raſen
.

Freye und offene Plaͤtze ſind in einem Garten nicht allein der Geſundheit und
Bequemlichkeit wegen noͤthig; ſie ſind auch einer beſondern Anmuth und
Schoͤnheit fuͤr das Auge faͤhig. Sie erheitern, nach dem Umherwandeln in einer
ſchattigten Gegend, durch Himmel und Luft. Sie erfriſchen in den kuͤhlen Stun-
den des Morgens und des Abends, oder nach einem Sommerregen, indem die Wol-
ken uͤber unſerm Haupte umherſchweben, und ihre lieblichen Malereyen bilden, ver-
aͤndern, ausloͤſchen. Sie eroͤffnen den Anblick der laͤngern Stralen und der Spiele
des Regenbogens. Sie enthuͤllen auf einmal unvermuthete Proſpecte, und laſſen
in ihrem Raum mancherley Scenen zu, die ihren Reiz ungemein erheben koͤnnen.
Sie ſind endlich faſt von eben den ſanften Wirkungen, die wir von den Wieſen*)
angezeigt haben.

Anmuthiger ſind ſolche Plaͤtze, wenn ſie gruͤne freye Raſen, als wenn ſie ſo-
genannte Parterre vorſtellen, die entweder nackte ſandigte Ebenen ſind, der traurigſte
Anblick; oder in manche ſonderbare Geſtalten geſchnitten, mit Buxbaum umfaßt,
und hie und da mit Muſcheln, mit gefaͤrbten Steinchen, und andern kindiſchen Spiel-
werken ausgelegt. Doch franzoͤſiſche Parterre, zumal mit dem eitlen Pomp der
neuern Zuſaͤtze beladen, verdienen keine Vergleichung mit den freyen und edlen Ra-
ſen, die uns die Natur eher, als das Beyſpiel des Englaͤnders, **) vorgezeigt hat.
Denn wenn man die Raſen fuͤr eine Erfindung des Englaͤnders haͤlt, wie einige ſie
dafuͤr gehalten: ſo beſinnt man ſich nicht, daß ſie ſchon lange vorher ſelbſt in den Gaͤr-
ten vorhanden geweſen, aber nur erſt in den neuern brittiſchen Parks unter
der Beguͤnſtigung eines feuchtern Clima eine ſchoͤnere Ausbildung gewonnen
haben.

Bey
*) [Spaltenumbruch] 1 B. S. 202.
**) Die Lawns der Englaͤnder, die
man gemeiniglich durch Wildbahnen uͤber-
ſetzt, ſind nichts anders als große Raſen-
[Spaltenumbruch] ſtuͤcke, freye, ebene, und mit einem ſchoͤnen
Gruͤn bekleidete Plaͤtze, die mit Gebuͤſch,
Hainen und Waldung umgeben ſind.
II Band. L
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[81/0085] Vierter Abſchnitt. Von Raſen. Freye und offene Plaͤtze ſind in einem Garten nicht allein der Geſundheit und Bequemlichkeit wegen noͤthig; ſie ſind auch einer beſondern Anmuth und Schoͤnheit fuͤr das Auge faͤhig. Sie erheitern, nach dem Umherwandeln in einer ſchattigten Gegend, durch Himmel und Luft. Sie erfriſchen in den kuͤhlen Stun- den des Morgens und des Abends, oder nach einem Sommerregen, indem die Wol- ken uͤber unſerm Haupte umherſchweben, und ihre lieblichen Malereyen bilden, ver- aͤndern, ausloͤſchen. Sie eroͤffnen den Anblick der laͤngern Stralen und der Spiele des Regenbogens. Sie enthuͤllen auf einmal unvermuthete Proſpecte, und laſſen in ihrem Raum mancherley Scenen zu, die ihren Reiz ungemein erheben koͤnnen. Sie ſind endlich faſt von eben den ſanften Wirkungen, die wir von den Wieſen *) angezeigt haben. Anmuthiger ſind ſolche Plaͤtze, wenn ſie gruͤne freye Raſen, als wenn ſie ſo- genannte Parterre vorſtellen, die entweder nackte ſandigte Ebenen ſind, der traurigſte Anblick; oder in manche ſonderbare Geſtalten geſchnitten, mit Buxbaum umfaßt, und hie und da mit Muſcheln, mit gefaͤrbten Steinchen, und andern kindiſchen Spiel- werken ausgelegt. Doch franzoͤſiſche Parterre, zumal mit dem eitlen Pomp der neuern Zuſaͤtze beladen, verdienen keine Vergleichung mit den freyen und edlen Ra- ſen, die uns die Natur eher, als das Beyſpiel des Englaͤnders, **) vorgezeigt hat. Denn wenn man die Raſen fuͤr eine Erfindung des Englaͤnders haͤlt, wie einige ſie dafuͤr gehalten: ſo beſinnt man ſich nicht, daß ſie ſchon lange vorher ſelbſt in den Gaͤr- ten vorhanden geweſen, aber nur erſt in den neuern brittiſchen Parks unter der Beguͤnſtigung eines feuchtern Clima eine ſchoͤnere Ausbildung gewonnen haben. Bey *) 1 B. S. 202. **) Die Lawns der Englaͤnder, die man gemeiniglich durch Wildbahnen uͤber- ſetzt, ſind nichts anders als große Raſen- ſtuͤcke, freye, ebene, und mit einem ſchoͤnen Gruͤn bekleidete Plaͤtze, die mit Gebuͤſch, Hainen und Waldung umgeben ſind. II Band. L

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/85>, abgerufen am 18.04.2024.