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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Vom Gartenplatz.
die Entdeckung neuer Gegenstände in der Ferne befriedigt auf eine fühlbare Art ein
Bedürfniß unsrer Vorstellungskraft. Gehölze, die sich mit einer zu dreisten Ver-
sperrung vorlagern, und besonders durch ihre Finsterniß ein unveränderliches Gefühl
des Traurigen und Melancholischen erwecken, können nach verschiedenen Gegenden hin
durchgehauen werden; die Oeffnungen, die Zwischenräume, die gesunder durchstrei-
chende Luft, das Hervorschimmern des Himmels oder eines andern Gegenstandes,
alles dieses sind Vortheile, die man sich dadurch leicht verschaffen kann. Je mehr
überhaupt durch Verhauungen, durch Erhöhungen oder Vertiefungen, die Ge-
genstände in der Aussicht vervielfältigt und abgeändert erscheinen, je mehr dadurch
der schon an sich erfrischende und die Seele gleichsam ausdehnende Blick in die Ferne
unterhalten wird, desto mehr schätzen wir den Gartenkünstler, der uns dies Vergnü-
gen zu schenken weiß, das wir von der Freygebigkeit der Natur zu erhalten verwöhnt
sind.

Ein Wald, eine Wiese und vorzüglich ein See bleiben immer die angenehm-
sten Gränzen eines Gartens; denn diese Gegenstände gefallen nicht allein ihrer Natur
nach beständig, sondern das Auge verweilt auch gerne auf ihnen, weil es Beschäfti-
gung und Unterhaltung findet. Man flieht im Gegentheil von dem Ende eines Gar-
tens zurück, der von einem dunkeln Teich, von einem Torfmoor oder einer dürren Hai-
de begränzt wird.

Zuweilen kann der besondere Charakter und die Bestimmung eines Gartens er-
fordern, daß seine Gränze versperrt und aller Aussicht in die Ferne beraubt sey. Ein
melancholischer Garten, ein Klostergarten z. B. versenke sich in sein ruhiges Thal, um-
schlossen von einem hohen Berge oder von einem dunkeln Gehölz.

[Abbildung]

Zweyter
B 3

Vom Gartenplatz.
die Entdeckung neuer Gegenſtaͤnde in der Ferne befriedigt auf eine fuͤhlbare Art ein
Beduͤrfniß unſrer Vorſtellungskraft. Gehoͤlze, die ſich mit einer zu dreiſten Ver-
ſperrung vorlagern, und beſonders durch ihre Finſterniß ein unveraͤnderliches Gefuͤhl
des Traurigen und Melancholiſchen erwecken, koͤnnen nach verſchiedenen Gegenden hin
durchgehauen werden; die Oeffnungen, die Zwiſchenraͤume, die geſunder durchſtrei-
chende Luft, das Hervorſchimmern des Himmels oder eines andern Gegenſtandes,
alles dieſes ſind Vortheile, die man ſich dadurch leicht verſchaffen kann. Je mehr
uͤberhaupt durch Verhauungen, durch Erhoͤhungen oder Vertiefungen, die Ge-
genſtaͤnde in der Ausſicht vervielfaͤltigt und abgeaͤndert erſcheinen, je mehr dadurch
der ſchon an ſich erfriſchende und die Seele gleichſam ausdehnende Blick in die Ferne
unterhalten wird, deſto mehr ſchaͤtzen wir den Gartenkuͤnſtler, der uns dies Vergnuͤ-
gen zu ſchenken weiß, das wir von der Freygebigkeit der Natur zu erhalten verwoͤhnt
ſind.

Ein Wald, eine Wieſe und vorzuͤglich ein See bleiben immer die angenehm-
ſten Graͤnzen eines Gartens; denn dieſe Gegenſtaͤnde gefallen nicht allein ihrer Natur
nach beſtaͤndig, ſondern das Auge verweilt auch gerne auf ihnen, weil es Beſchaͤfti-
gung und Unterhaltung findet. Man flieht im Gegentheil von dem Ende eines Gar-
tens zuruͤck, der von einem dunkeln Teich, von einem Torfmoor oder einer duͤrren Hai-
de begraͤnzt wird.

Zuweilen kann der beſondere Charakter und die Beſtimmung eines Gartens er-
fordern, daß ſeine Graͤnze verſperrt und aller Ausſicht in die Ferne beraubt ſey. Ein
melancholiſcher Garten, ein Kloſtergarten z. B. verſenke ſich in ſein ruhiges Thal, um-
ſchloſſen von einem hohen Berge oder von einem dunkeln Gehoͤlz.

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[13/0017] Vom Gartenplatz. die Entdeckung neuer Gegenſtaͤnde in der Ferne befriedigt auf eine fuͤhlbare Art ein Beduͤrfniß unſrer Vorſtellungskraft. Gehoͤlze, die ſich mit einer zu dreiſten Ver- ſperrung vorlagern, und beſonders durch ihre Finſterniß ein unveraͤnderliches Gefuͤhl des Traurigen und Melancholiſchen erwecken, koͤnnen nach verſchiedenen Gegenden hin durchgehauen werden; die Oeffnungen, die Zwiſchenraͤume, die geſunder durchſtrei- chende Luft, das Hervorſchimmern des Himmels oder eines andern Gegenſtandes, alles dieſes ſind Vortheile, die man ſich dadurch leicht verſchaffen kann. Je mehr uͤberhaupt durch Verhauungen, durch Erhoͤhungen oder Vertiefungen, die Ge- genſtaͤnde in der Ausſicht vervielfaͤltigt und abgeaͤndert erſcheinen, je mehr dadurch der ſchon an ſich erfriſchende und die Seele gleichſam ausdehnende Blick in die Ferne unterhalten wird, deſto mehr ſchaͤtzen wir den Gartenkuͤnſtler, der uns dies Vergnuͤ- gen zu ſchenken weiß, das wir von der Freygebigkeit der Natur zu erhalten verwoͤhnt ſind. Ein Wald, eine Wieſe und vorzuͤglich ein See bleiben immer die angenehm- ſten Graͤnzen eines Gartens; denn dieſe Gegenſtaͤnde gefallen nicht allein ihrer Natur nach beſtaͤndig, ſondern das Auge verweilt auch gerne auf ihnen, weil es Beſchaͤfti- gung und Unterhaltung findet. Man flieht im Gegentheil von dem Ende eines Gar- tens zuruͤck, der von einem dunkeln Teich, von einem Torfmoor oder einer duͤrren Hai- de begraͤnzt wird. Zuweilen kann der beſondere Charakter und die Beſtimmung eines Gartens er- fordern, daß ſeine Graͤnze verſperrt und aller Ausſicht in die Ferne beraubt ſey. Ein melancholiſcher Garten, ein Kloſtergarten z. B. verſenke ſich in ſein ruhiges Thal, um- ſchloſſen von einem hohen Berge oder von einem dunkeln Gehoͤlz. [Abbildung] Zweyter B 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/17>, abgerufen am 19.04.2024.