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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Vierter Abschnitt.
Von Ruhesitzen, Brücken und Thoren.
I.
Ruhesitze.

Ruhesitze sind ein Bedürfniß, um sich wieder von der Ermüdung zu erholen, die
das Umherwandeln verursacht. Sie müssen also in gewissen Entfernungen von
einander, weder zu häufig, noch gar zu sparsam, vertheilt werden; ihre Anzahl rich-
tet sich nach dem grössern oder geringern Umfang der Plätze. In Gärten des Volks,
wo sich zahlreiche Gesellschaften versammeln, muß schon für ihre Mehrheit gesorgt
werden.

Die Bequemlichkeit verlangt, daß Ruhesitze an kühlen und schattigten Stellen,
unter einem Dach von Laubwerk, an der Seite einer Anhöhe, nicht aber, wie man in
den alten Gärten so häufig sah, an ganz freyen, sonnereichen und sandigten Plätzen
angelegt werden, wo kein Mensch zu sitzen wünschen kann.

Allein Ruhe und Bequemlichkeit ist nicht alles; Gartensitze sollen zugleich durch
das Vergnügen der Aussicht unterhalten, zu deren Genuß man im Sitzen mehr Muße
hat, als im Gehen, vorausgesetzt, daß die Scene nach ihrem Charakter einen Pro-
spect verstattet. Wir freuen uns, die Erquickung der Ruhe an einem Platze zu ge-
nießen, wo das Auge sich in weiten oder doch mannigfaltigen Aussichten weidet, und
die Phantasie Beschäftigung findet.

Verschiedene Scenen sind von der Art, daß sie, um ganz genossen zu werden,
den Zuschauer in der Nähe bey sich verlangen, z. B. Blumenreviere, kleine Gruppen
von seltenen Pflanzen, ein Bach mit spielenden Güssen. Eine Bank lade zum Ge-
nuß dieser kleinen Lieblichkeiten ein, die man im Gehen leichter übersieht, zumal wenn
das Auge zugleich von grössern und prächtig zusammengesetzten Auftritten gerufen
wird.

In vielen Fällen kann ein Sitz ein sehr willkommener Wink zur Aufmerksam-
keit auf eine ergötzende Aussicht oder Scene seyn, und zur Anzeige des Gesichtspunktes

dienen,


Vierter Abſchnitt.
Von Ruheſitzen, Bruͤcken und Thoren.
I.
Ruheſitze.

Ruheſitze ſind ein Beduͤrfniß, um ſich wieder von der Ermuͤdung zu erholen, die
das Umherwandeln verurſacht. Sie muͤſſen alſo in gewiſſen Entfernungen von
einander, weder zu haͤufig, noch gar zu ſparſam, vertheilt werden; ihre Anzahl rich-
tet ſich nach dem groͤſſern oder geringern Umfang der Plaͤtze. In Gaͤrten des Volks,
wo ſich zahlreiche Geſellſchaften verſammeln, muß ſchon fuͤr ihre Mehrheit geſorgt
werden.

Die Bequemlichkeit verlangt, daß Ruheſitze an kuͤhlen und ſchattigten Stellen,
unter einem Dach von Laubwerk, an der Seite einer Anhoͤhe, nicht aber, wie man in
den alten Gaͤrten ſo haͤufig ſah, an ganz freyen, ſonnereichen und ſandigten Plaͤtzen
angelegt werden, wo kein Menſch zu ſitzen wuͤnſchen kann.

Allein Ruhe und Bequemlichkeit iſt nicht alles; Gartenſitze ſollen zugleich durch
das Vergnuͤgen der Ausſicht unterhalten, zu deren Genuß man im Sitzen mehr Muße
hat, als im Gehen, vorausgeſetzt, daß die Scene nach ihrem Charakter einen Pro-
ſpect verſtattet. Wir freuen uns, die Erquickung der Ruhe an einem Platze zu ge-
nießen, wo das Auge ſich in weiten oder doch mannigfaltigen Ausſichten weidet, und
die Phantaſie Beſchaͤftigung findet.

Verſchiedene Scenen ſind von der Art, daß ſie, um ganz genoſſen zu werden,
den Zuſchauer in der Naͤhe bey ſich verlangen, z. B. Blumenreviere, kleine Gruppen
von ſeltenen Pflanzen, ein Bach mit ſpielenden Guͤſſen. Eine Bank lade zum Ge-
nuß dieſer kleinen Lieblichkeiten ein, die man im Gehen leichter uͤberſieht, zumal wenn
das Auge zugleich von groͤſſern und praͤchtig zuſammengeſetzten Auftritten gerufen
wird.

In vielen Faͤllen kann ein Sitz ein ſehr willkommener Wink zur Aufmerkſam-
keit auf eine ergoͤtzende Ausſicht oder Scene ſeyn, und zur Anzeige des Geſichtspunktes

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[119/0123] Vierter Abſchnitt. Von Ruheſitzen, Bruͤcken und Thoren. I. Ruheſitze. Ruheſitze ſind ein Beduͤrfniß, um ſich wieder von der Ermuͤdung zu erholen, die das Umherwandeln verurſacht. Sie muͤſſen alſo in gewiſſen Entfernungen von einander, weder zu haͤufig, noch gar zu ſparſam, vertheilt werden; ihre Anzahl rich- tet ſich nach dem groͤſſern oder geringern Umfang der Plaͤtze. In Gaͤrten des Volks, wo ſich zahlreiche Geſellſchaften verſammeln, muß ſchon fuͤr ihre Mehrheit geſorgt werden. Die Bequemlichkeit verlangt, daß Ruheſitze an kuͤhlen und ſchattigten Stellen, unter einem Dach von Laubwerk, an der Seite einer Anhoͤhe, nicht aber, wie man in den alten Gaͤrten ſo haͤufig ſah, an ganz freyen, ſonnereichen und ſandigten Plaͤtzen angelegt werden, wo kein Menſch zu ſitzen wuͤnſchen kann. Allein Ruhe und Bequemlichkeit iſt nicht alles; Gartenſitze ſollen zugleich durch das Vergnuͤgen der Ausſicht unterhalten, zu deren Genuß man im Sitzen mehr Muße hat, als im Gehen, vorausgeſetzt, daß die Scene nach ihrem Charakter einen Pro- ſpect verſtattet. Wir freuen uns, die Erquickung der Ruhe an einem Platze zu ge- nießen, wo das Auge ſich in weiten oder doch mannigfaltigen Ausſichten weidet, und die Phantaſie Beſchaͤftigung findet. Verſchiedene Scenen ſind von der Art, daß ſie, um ganz genoſſen zu werden, den Zuſchauer in der Naͤhe bey ſich verlangen, z. B. Blumenreviere, kleine Gruppen von ſeltenen Pflanzen, ein Bach mit ſpielenden Guͤſſen. Eine Bank lade zum Ge- nuß dieſer kleinen Lieblichkeiten ein, die man im Gehen leichter uͤberſieht, zumal wenn das Auge zugleich von groͤſſern und praͤchtig zuſammengeſetzten Auftritten gerufen wird. In vielen Faͤllen kann ein Sitz ein ſehr willkommener Wink zur Aufmerkſam- keit auf eine ergoͤtzende Ausſicht oder Scene ſeyn, und zur Anzeige des Geſichtspunktes dienen,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/123>, abgerufen am 28.03.2024.