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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Erster Abschnitt. Von Lustschlössern

Noch reizender werden Landhäuser auf mäßigen Anhöhen, die am Ufer von
schönen Flüssen, an Seen, an Einbuchten des Meeres liegen. Denn dadurch ge-
winnen sie nicht allein Aussichten voll Bewegung; sondern werden auch selbst im Ge-
mälde der Landschaft ein überausschöner Theil von Prospect. Man hat vorzüglich
sowohl in Schweden als auch in der Schweiz von Lagen dieser Art einen guten Ge-
brauch gemacht. Jetzt ist vielleicht kein Land in Europa, wo man mit Erbauung
neuer Landhäuser sich so sehr beschäftigt, als in dem Gebiete der reichen Genfer an
ihrem entzückenden See. Selbst die Einbildungskraft kann sich kaum einen Strich
bilden, wo in einem so kleinen Bezirk so viel prächtige und zierliche Landsitze und in
einer schönern Lage an dem Ufer des Sees bey einander gesammelt stehen. Und noch
immer bauen und zieren sie voll Wetteifer diese Gegend, mit einer verschwenderischen
Pracht, und mit einem feinen Geschmack, zum Entzücken der Fremden; da hinge-
gen auf viele Meilen um Bern, in einer Republik, die nach Genf der Sitz des Lu-
xus in der Schweiz ist, seit zwanzig Jahren kein neues Landhaus errichtet ist, und
man sich mit den artigen, reinlichen und bequemen Villen begnügt, die meistens in
Gärten voll Wein und Obst von mäßigen Vätern erbauet worden.

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3.

Reinlichkeit, Ordnung, Geschmack müssen nahe um Lustschlösser und Landhäu-
ser am meisten ausgebreitet seyn, und eine Scene darstellen, wo die Kunst, ohne den
Schein des Gezwungenen, ohne nichtsbedeutende Spielwerke, sich mit eben so vieler
Freyheit, als Anmuthigkeit zeigt. Weil der zunächst angränzende Platz ein Theil
von dem Boden ist, worauf das Gebäude steht, so darf sich die Regelmäßigkeit noch
über ihn erstrecken; er darf nach der Figur des Gebäudes abgemessen seyn, an den

Seiten
Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern

Noch reizender werden Landhaͤuſer auf maͤßigen Anhoͤhen, die am Ufer von
ſchoͤnen Fluͤſſen, an Seen, an Einbuchten des Meeres liegen. Denn dadurch ge-
winnen ſie nicht allein Ausſichten voll Bewegung; ſondern werden auch ſelbſt im Ge-
maͤlde der Landſchaft ein uͤberausſchoͤner Theil von Proſpect. Man hat vorzuͤglich
ſowohl in Schweden als auch in der Schweiz von Lagen dieſer Art einen guten Ge-
brauch gemacht. Jetzt iſt vielleicht kein Land in Europa, wo man mit Erbauung
neuer Landhaͤuſer ſich ſo ſehr beſchaͤftigt, als in dem Gebiete der reichen Genfer an
ihrem entzuͤckenden See. Selbſt die Einbildungskraft kann ſich kaum einen Strich
bilden, wo in einem ſo kleinen Bezirk ſo viel praͤchtige und zierliche Landſitze und in
einer ſchoͤnern Lage an dem Ufer des Sees bey einander geſammelt ſtehen. Und noch
immer bauen und zieren ſie voll Wetteifer dieſe Gegend, mit einer verſchwenderiſchen
Pracht, und mit einem feinen Geſchmack, zum Entzuͤcken der Fremden; da hinge-
gen auf viele Meilen um Bern, in einer Republik, die nach Genf der Sitz des Lu-
xus in der Schweiz iſt, ſeit zwanzig Jahren kein neues Landhaus errichtet iſt, und
man ſich mit den artigen, reinlichen und bequemen Villen begnuͤgt, die meiſtens in
Gaͤrten voll Wein und Obſt von maͤßigen Vaͤtern erbauet worden.

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3.

Reinlichkeit, Ordnung, Geſchmack muͤſſen nahe um Luſtſchloͤſſer und Landhaͤu-
ſer am meiſten ausgebreitet ſeyn, und eine Scene darſtellen, wo die Kunſt, ohne den
Schein des Gezwungenen, ohne nichtsbedeutende Spielwerke, ſich mit eben ſo vieler
Freyheit, als Anmuthigkeit zeigt. Weil der zunaͤchſt angraͤnzende Platz ein Theil
von dem Boden iſt, worauf das Gebaͤude ſteht, ſo darf ſich die Regelmaͤßigkeit noch
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[12/0016] Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern Noch reizender werden Landhaͤuſer auf maͤßigen Anhoͤhen, die am Ufer von ſchoͤnen Fluͤſſen, an Seen, an Einbuchten des Meeres liegen. Denn dadurch ge- winnen ſie nicht allein Ausſichten voll Bewegung; ſondern werden auch ſelbſt im Ge- maͤlde der Landſchaft ein uͤberausſchoͤner Theil von Proſpect. Man hat vorzuͤglich ſowohl in Schweden als auch in der Schweiz von Lagen dieſer Art einen guten Ge- brauch gemacht. Jetzt iſt vielleicht kein Land in Europa, wo man mit Erbauung neuer Landhaͤuſer ſich ſo ſehr beſchaͤftigt, als in dem Gebiete der reichen Genfer an ihrem entzuͤckenden See. Selbſt die Einbildungskraft kann ſich kaum einen Strich bilden, wo in einem ſo kleinen Bezirk ſo viel praͤchtige und zierliche Landſitze und in einer ſchoͤnern Lage an dem Ufer des Sees bey einander geſammelt ſtehen. Und noch immer bauen und zieren ſie voll Wetteifer dieſe Gegend, mit einer verſchwenderiſchen Pracht, und mit einem feinen Geſchmack, zum Entzuͤcken der Fremden; da hinge- gen auf viele Meilen um Bern, in einer Republik, die nach Genf der Sitz des Lu- xus in der Schweiz iſt, ſeit zwanzig Jahren kein neues Landhaus errichtet iſt, und man ſich mit den artigen, reinlichen und bequemen Villen begnuͤgt, die meiſtens in Gaͤrten voll Wein und Obſt von maͤßigen Vaͤtern erbauet worden. [Abbildung] 3. Reinlichkeit, Ordnung, Geſchmack muͤſſen nahe um Luſtſchloͤſſer und Landhaͤu- ſer am meiſten ausgebreitet ſeyn, und eine Scene darſtellen, wo die Kunſt, ohne den Schein des Gezwungenen, ohne nichtsbedeutende Spielwerke, ſich mit eben ſo vieler Freyheit, als Anmuthigkeit zeigt. Weil der zunaͤchſt angraͤnzende Platz ein Theil von dem Boden iſt, worauf das Gebaͤude ſteht, ſo darf ſich die Regelmaͤßigkeit noch uͤber ihn erſtrecken; er darf nach der Figur des Gebaͤudes abgemeſſen ſeyn, an den Seiten

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/16>, abgerufen am 29.03.2024.