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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Zweyter Abschnitt.
Von kleinern Gartengebäuden.
1.

Gebäude wurden zuerst, der Bequemlichkeit wegen, in Gärten angelegt. Man
suchte einen Ort, wo man vor dem Regen, dem Winde und der Hitze Schutz
finden könnte; man wollte für die Gesellschaft, für die Tafel, oder für die Einsam-
keit einen angenehmen Aufenthalt haben; und in entfernten Gärten, wohin man zu-
weilen auf einige Tage sich aus der Stadt begab, war eine Wohnung mit einer klei-
nen häuslichen Einrichtung unentbehrlich. Die ursprüngliche Bestimmung der Gar-
tengebäude gieng auf einen nützlichen Gebrauch.

Diese Bestimmung ist nachher fast ganz in eine andere verwandelt worden, da
der Geschmack sie als Mittel der Verschönerung betrachten lernte, und ihnen daher
Form, Zierlichkeit, Charakter und Lage zu bestimmen anfieng, indem man sich vor-
her auf die Bequemlichkeit ihrer innern Einrichtung eingeschränkt hatte.

Indessen ist die erste Bestimmung der Gartengebäude in der That so wenig
entbehrlich, daß sich vielmehr noch immer von ihnen ein nützlicher Gebrauch mit Man-
nigfaltigkeit und Erweiterung machen läßt. Nach dieser Bestimmung bleiben sie
angenehme Zufluchtsörter, wohin man vor den Unbequemlichkeiten der Witterung
flieht, Plätze, wo man die Vergnügungen der Gesellschaft oder der Einsamkeit ge-
nießet.

Man kann kleinere Gartengebäude selbst zur Bewohnung einrichten. Diese
Einrichtung ist nicht allein für Privatpersonen angenehm, sondern auch bey Lust-
schlössern und Landhäusern, deren Besitzer entweder ein starkes Gefolge, oder oft viele
Besuche haben, von vorzüglicher Bequemlichkeit. Wir haben davon schon ein schö-
nes Muster gesehen. *) Das Lustschloß oder Landhaus bedarf alsdann keiner so
großen Weitläuftigkeit; und die Herrschaften leiden weder von den Gästen, noch von
dem Gewühl der Bedienten Beschwerde. Der Herr der Hauptwohnung behält seine
Ruhe, und der Gast seine Freyheit. Man kann zu dieser Absicht die kleinern Ge-
bäude in einer gewissen Entfernung von der herrschaftlichen Wohnung einzeln in den
Gebüschen und an andern angenehmen Plätzen zerstreuen. Jede kann sich durch Lage,
Form und Auszierung unterscheiden; alle aber müssen an Bequemlichkeit und Net-

tigkeit
*) Im Park Heschenberg. S. im 2ten B. die erste Beschreibung im Anhang.
E 2


Zweyter Abſchnitt.
Von kleinern Gartengebaͤuden.
1.

Gebaͤude wurden zuerſt, der Bequemlichkeit wegen, in Gaͤrten angelegt. Man
ſuchte einen Ort, wo man vor dem Regen, dem Winde und der Hitze Schutz
finden koͤnnte; man wollte fuͤr die Geſellſchaft, fuͤr die Tafel, oder fuͤr die Einſam-
keit einen angenehmen Aufenthalt haben; und in entfernten Gaͤrten, wohin man zu-
weilen auf einige Tage ſich aus der Stadt begab, war eine Wohnung mit einer klei-
nen haͤuslichen Einrichtung unentbehrlich. Die urſpruͤngliche Beſtimmung der Gar-
tengebaͤude gieng auf einen nuͤtzlichen Gebrauch.

Dieſe Beſtimmung iſt nachher faſt ganz in eine andere verwandelt worden, da
der Geſchmack ſie als Mittel der Verſchoͤnerung betrachten lernte, und ihnen daher
Form, Zierlichkeit, Charakter und Lage zu beſtimmen anfieng, indem man ſich vor-
her auf die Bequemlichkeit ihrer innern Einrichtung eingeſchraͤnkt hatte.

Indeſſen iſt die erſte Beſtimmung der Gartengebaͤude in der That ſo wenig
entbehrlich, daß ſich vielmehr noch immer von ihnen ein nuͤtzlicher Gebrauch mit Man-
nigfaltigkeit und Erweiterung machen laͤßt. Nach dieſer Beſtimmung bleiben ſie
angenehme Zufluchtsoͤrter, wohin man vor den Unbequemlichkeiten der Witterung
flieht, Plaͤtze, wo man die Vergnuͤgungen der Geſellſchaft oder der Einſamkeit ge-
nießet.

Man kann kleinere Gartengebaͤude ſelbſt zur Bewohnung einrichten. Dieſe
Einrichtung iſt nicht allein fuͤr Privatperſonen angenehm, ſondern auch bey Luſt-
ſchloͤſſern und Landhaͤuſern, deren Beſitzer entweder ein ſtarkes Gefolge, oder oft viele
Beſuche haben, von vorzuͤglicher Bequemlichkeit. Wir haben davon ſchon ein ſchoͤ-
nes Muſter geſehen. *) Das Luſtſchloß oder Landhaus bedarf alsdann keiner ſo
großen Weitlaͤuftigkeit; und die Herrſchaften leiden weder von den Gaͤſten, noch von
dem Gewuͤhl der Bedienten Beſchwerde. Der Herr der Hauptwohnung behaͤlt ſeine
Ruhe, und der Gaſt ſeine Freyheit. Man kann zu dieſer Abſicht die kleinern Ge-
baͤude in einer gewiſſen Entfernung von der herrſchaftlichen Wohnung einzeln in den
Gebuͤſchen und an andern angenehmen Plaͤtzen zerſtreuen. Jede kann ſich durch Lage,
Form und Auszierung unterſcheiden; alle aber muͤſſen an Bequemlichkeit und Net-

tigkeit
*) Im Park Heſchenberg. S. im 2ten B. die erſte Beſchreibung im Anhang.
E 2
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[35/0039] Zweyter Abſchnitt. Von kleinern Gartengebaͤuden. 1. Gebaͤude wurden zuerſt, der Bequemlichkeit wegen, in Gaͤrten angelegt. Man ſuchte einen Ort, wo man vor dem Regen, dem Winde und der Hitze Schutz finden koͤnnte; man wollte fuͤr die Geſellſchaft, fuͤr die Tafel, oder fuͤr die Einſam- keit einen angenehmen Aufenthalt haben; und in entfernten Gaͤrten, wohin man zu- weilen auf einige Tage ſich aus der Stadt begab, war eine Wohnung mit einer klei- nen haͤuslichen Einrichtung unentbehrlich. Die urſpruͤngliche Beſtimmung der Gar- tengebaͤude gieng auf einen nuͤtzlichen Gebrauch. Dieſe Beſtimmung iſt nachher faſt ganz in eine andere verwandelt worden, da der Geſchmack ſie als Mittel der Verſchoͤnerung betrachten lernte, und ihnen daher Form, Zierlichkeit, Charakter und Lage zu beſtimmen anfieng, indem man ſich vor- her auf die Bequemlichkeit ihrer innern Einrichtung eingeſchraͤnkt hatte. Indeſſen iſt die erſte Beſtimmung der Gartengebaͤude in der That ſo wenig entbehrlich, daß ſich vielmehr noch immer von ihnen ein nuͤtzlicher Gebrauch mit Man- nigfaltigkeit und Erweiterung machen laͤßt. Nach dieſer Beſtimmung bleiben ſie angenehme Zufluchtsoͤrter, wohin man vor den Unbequemlichkeiten der Witterung flieht, Plaͤtze, wo man die Vergnuͤgungen der Geſellſchaft oder der Einſamkeit ge- nießet. Man kann kleinere Gartengebaͤude ſelbſt zur Bewohnung einrichten. Dieſe Einrichtung iſt nicht allein fuͤr Privatperſonen angenehm, ſondern auch bey Luſt- ſchloͤſſern und Landhaͤuſern, deren Beſitzer entweder ein ſtarkes Gefolge, oder oft viele Beſuche haben, von vorzuͤglicher Bequemlichkeit. Wir haben davon ſchon ein ſchoͤ- nes Muſter geſehen. *) Das Luſtſchloß oder Landhaus bedarf alsdann keiner ſo großen Weitlaͤuftigkeit; und die Herrſchaften leiden weder von den Gaͤſten, noch von dem Gewuͤhl der Bedienten Beſchwerde. Der Herr der Hauptwohnung behaͤlt ſeine Ruhe, und der Gaſt ſeine Freyheit. Man kann zu dieſer Abſicht die kleinern Ge- baͤude in einer gewiſſen Entfernung von der herrſchaftlichen Wohnung einzeln in den Gebuͤſchen und an andern angenehmen Plaͤtzen zerſtreuen. Jede kann ſich durch Lage, Form und Auszierung unterſcheiden; alle aber muͤſſen an Bequemlichkeit und Net- tigkeit *) Im Park Heſchenberg. S. im 2ten B. die erſte Beſchreibung im Anhang. E 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/39>, abgerufen am 28.03.2024.