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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Gartengebäuden.
5.

Noch mehr läßt sich die Anwendung der Gebäude erweitern, indem sie zu Denk-
mälern bestimmt werden. Sie sind alsdann in der Architektur ungefähr das, was
in der Bildhauerkunst Statüen, Urnen und andere Monumente sind. Durch diesen
Gebrauch erhalten die Werke der Baukunst eine neue Bestimmung, und werden zu-
gleich veredelt, indem sie moralische Wirkungen auf die Seele des Anschauers be-
weisen.

Sie können dem Andenken einer Sache oder einer Person gewidmet werden.
Allein diese Sache oder diese Person muß nicht allein eine gewisse Würde und Wich-
tigkeit haben, sondern auch in dem Bezirk der Vorstellungen und Bewegungen liegen,
die den Gärten eigen sind. So hat man in England im Park zu Hagley Popens
und Thomsons Andenken an Stellen, die sie gern besuchten, wo sie sich oft den Ent-
zückungen der Natur überließen, Gebäude mit Wahrheit und Schicklichkeit ge-
widmet.

Die Vorstellung und Empfindung, die durch diese Denkmäler erweckt wird,
kann ernsthaft oder munter, melancholisch oder heiter seyn. Eine Begebenheit, de-
ren Wiedererinnerung eine süße Schwermuth erregt, kann hier mit eben so vielem
Rechte Platz finden, als eine andere, die das Gemüth mit Lustigkeit erfüllt.

Das Gebäude muß, um seine Wirkung nicht zu verfehlen, durch seine ganze
Anordnung und Lage stark charakterisirt seyn; seine Bedeutung muß nicht allein un-
zweifelhaft seyn, sondern auch ohne langes Nachdenken empfunden werden. So
schwer es auch ist, so viel Scharfsinn und Genie es auch erfordert, so muß der Künst-
ler sich doch bestreben, diese Verständlichkeit durch den Charakter des Gebäudes selbst
auszudrücken. Er kann diesen Ausdruck des Charakters durch äußere Sinnbilder
unterstützen. Von ihnen ganz allein alles erwarten, muß er gemeinen Köpfen über-
lassen, die unfähig, ihrem Werke den Charakter der Wahrheit und der Uebereinstim-
mung aufzuprägen, zu erklärenden Zusätzen ihre Zuflucht nehmen müssen.

Bey den Alten waren einige Tempel bloße Denkmäler, und zum Theil als sol-
che haben die Engländer sie in ihre Parks eingeführt. Da die nachgeahmten Tem-
pel bey uns keinen bestimmten Gebrauch haben, indessen sich besonders durch einen
gewissen Charakter des Edlen und Ehrwürdigen auszeichnen, so scheinen sie gerade die
Art von Gebäuden zu seyn, die sich am besten als Denkmäler gebrauchen läßt. Wir
werden uns davon bey der nähern Untersuchung der Tempel überzeugen.

Zu
Gartengebaͤuden.
5.

Noch mehr laͤßt ſich die Anwendung der Gebaͤude erweitern, indem ſie zu Denk-
maͤlern beſtimmt werden. Sie ſind alsdann in der Architektur ungefaͤhr das, was
in der Bildhauerkunſt Statuͤen, Urnen und andere Monumente ſind. Durch dieſen
Gebrauch erhalten die Werke der Baukunſt eine neue Beſtimmung, und werden zu-
gleich veredelt, indem ſie moraliſche Wirkungen auf die Seele des Anſchauers be-
weiſen.

Sie koͤnnen dem Andenken einer Sache oder einer Perſon gewidmet werden.
Allein dieſe Sache oder dieſe Perſon muß nicht allein eine gewiſſe Wuͤrde und Wich-
tigkeit haben, ſondern auch in dem Bezirk der Vorſtellungen und Bewegungen liegen,
die den Gaͤrten eigen ſind. So hat man in England im Park zu Hagley Popens
und Thomſons Andenken an Stellen, die ſie gern beſuchten, wo ſie ſich oft den Ent-
zuͤckungen der Natur uͤberließen, Gebaͤude mit Wahrheit und Schicklichkeit ge-
widmet.

Die Vorſtellung und Empfindung, die durch dieſe Denkmaͤler erweckt wird,
kann ernſthaft oder munter, melancholiſch oder heiter ſeyn. Eine Begebenheit, de-
ren Wiedererinnerung eine ſuͤße Schwermuth erregt, kann hier mit eben ſo vielem
Rechte Platz finden, als eine andere, die das Gemuͤth mit Luſtigkeit erfuͤllt.

Das Gebaͤude muß, um ſeine Wirkung nicht zu verfehlen, durch ſeine ganze
Anordnung und Lage ſtark charakteriſirt ſeyn; ſeine Bedeutung muß nicht allein un-
zweifelhaft ſeyn, ſondern auch ohne langes Nachdenken empfunden werden. So
ſchwer es auch iſt, ſo viel Scharfſinn und Genie es auch erfordert, ſo muß der Kuͤnſt-
ler ſich doch beſtreben, dieſe Verſtaͤndlichkeit durch den Charakter des Gebaͤudes ſelbſt
auszudruͤcken. Er kann dieſen Ausdruck des Charakters durch aͤußere Sinnbilder
unterſtuͤtzen. Von ihnen ganz allein alles erwarten, muß er gemeinen Koͤpfen uͤber-
laſſen, die unfaͤhig, ihrem Werke den Charakter der Wahrheit und der Uebereinſtim-
mung aufzupraͤgen, zu erklaͤrenden Zuſaͤtzen ihre Zuflucht nehmen muͤſſen.

Bey den Alten waren einige Tempel bloße Denkmaͤler, und zum Theil als ſol-
che haben die Englaͤnder ſie in ihre Parks eingefuͤhrt. Da die nachgeahmten Tem-
pel bey uns keinen beſtimmten Gebrauch haben, indeſſen ſich beſonders durch einen
gewiſſen Charakter des Edlen und Ehrwuͤrdigen auszeichnen, ſo ſcheinen ſie gerade die
Art von Gebaͤuden zu ſeyn, die ſich am beſten als Denkmaͤler gebrauchen laͤßt. Wir
werden uns davon bey der naͤhern Unterſuchung der Tempel uͤberzeugen.

Zu
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[55/0059] Gartengebaͤuden. 5. Noch mehr laͤßt ſich die Anwendung der Gebaͤude erweitern, indem ſie zu Denk- maͤlern beſtimmt werden. Sie ſind alsdann in der Architektur ungefaͤhr das, was in der Bildhauerkunſt Statuͤen, Urnen und andere Monumente ſind. Durch dieſen Gebrauch erhalten die Werke der Baukunſt eine neue Beſtimmung, und werden zu- gleich veredelt, indem ſie moraliſche Wirkungen auf die Seele des Anſchauers be- weiſen. Sie koͤnnen dem Andenken einer Sache oder einer Perſon gewidmet werden. Allein dieſe Sache oder dieſe Perſon muß nicht allein eine gewiſſe Wuͤrde und Wich- tigkeit haben, ſondern auch in dem Bezirk der Vorſtellungen und Bewegungen liegen, die den Gaͤrten eigen ſind. So hat man in England im Park zu Hagley Popens und Thomſons Andenken an Stellen, die ſie gern beſuchten, wo ſie ſich oft den Ent- zuͤckungen der Natur uͤberließen, Gebaͤude mit Wahrheit und Schicklichkeit ge- widmet. Die Vorſtellung und Empfindung, die durch dieſe Denkmaͤler erweckt wird, kann ernſthaft oder munter, melancholiſch oder heiter ſeyn. Eine Begebenheit, de- ren Wiedererinnerung eine ſuͤße Schwermuth erregt, kann hier mit eben ſo vielem Rechte Platz finden, als eine andere, die das Gemuͤth mit Luſtigkeit erfuͤllt. Das Gebaͤude muß, um ſeine Wirkung nicht zu verfehlen, durch ſeine ganze Anordnung und Lage ſtark charakteriſirt ſeyn; ſeine Bedeutung muß nicht allein un- zweifelhaft ſeyn, ſondern auch ohne langes Nachdenken empfunden werden. So ſchwer es auch iſt, ſo viel Scharfſinn und Genie es auch erfordert, ſo muß der Kuͤnſt- ler ſich doch beſtreben, dieſe Verſtaͤndlichkeit durch den Charakter des Gebaͤudes ſelbſt auszudruͤcken. Er kann dieſen Ausdruck des Charakters durch aͤußere Sinnbilder unterſtuͤtzen. Von ihnen ganz allein alles erwarten, muß er gemeinen Koͤpfen uͤber- laſſen, die unfaͤhig, ihrem Werke den Charakter der Wahrheit und der Uebereinſtim- mung aufzupraͤgen, zu erklaͤrenden Zuſaͤtzen ihre Zuflucht nehmen muͤſſen. Bey den Alten waren einige Tempel bloße Denkmaͤler, und zum Theil als ſol- che haben die Englaͤnder ſie in ihre Parks eingefuͤhrt. Da die nachgeahmten Tem- pel bey uns keinen beſtimmten Gebrauch haben, indeſſen ſich beſonders durch einen gewiſſen Charakter des Edlen und Ehrwuͤrdigen auszeichnen, ſo ſcheinen ſie gerade die Art von Gebaͤuden zu ſeyn, die ſich am beſten als Denkmaͤler gebrauchen laͤßt. Wir werden uns davon bey der naͤhern Unterſuchung der Tempel uͤberzeugen. Zu

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/59>, abgerufen am 19.04.2024.