Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.
und Landhäusern. chen Kleinigkeiten überhäufte Größe und Pracht, wobey alle guten Verhältnisse fehl-ten, und Form und Verzierung nicht selten in das Abentheuerliche übergiengen, zeigen müßte. Die Lustschlösser blieben nicht mehr Gebäude, die ein wohl geordnetes Ganzes ausmachten; sie wurden vielmehr ein labyrinthischer Hause von Gebäuden, die schlecht zusammenhiengen, wo das Auge von der Menge der Theile zerstreut, und von der Unordnung, worinn sie erschienen, beleidigt ward. Man sah ganze Massen in einer verdrüßlichen Verwirrung. Ausdehnung, Plumpheit und Unordnung ward selbst der hervorstechende Charakter königlicher Lustschlösser. Als die Rohigkeit allmählig überwältigt ward, und Pracht und Ueppigkeit an ihre Stelle traten, erzwang man seltsame Figuren; und was der Richtigkeit und Schönheit der Formen abgieng, such- te man mit leeren Zierrathen zu ersetzen. Man füllte die Dächer nicht weniger, als die Eingänge mit Statüen, die mit der Bestimmung des Gebäudes in gar keiner Verbindung standen; man schreckte durch seufzende Caryatiden, die ein trauriges Bild der gemarterten Menschheit darstellten. Am meisten fehlte man darinn, daß man den verschiedenen Charakter und die Bestimmung der Gebäude ganz aus den Augen setzte. Ein Orangeriehaus, eine Eremitage, wurden mit eben der Größe, mit eben dem Reichthum der Verzierung angelegt, als wenn es die ersten Gebäude in Residenzstädten gewesen wären; es wurden hier hohe und künstliche Treppenwerke, Säulenordnungen, Statüen, Bildwerke, Marmor und Vergoldung verschwendet. Noch jetzt sind auch in Deutschland Beyspiele genug von einem solchen ausschweifenden Pomp vorhanden. Es ward fast eine Seltenheit, unter den fürstlichen Lustschlössern in Europa Gebäude anzutreffen, die mit einer gewissen edlen Einfachheit ein Ganzes ausmachten, die durch Ordnung, Symmetrie, Schönheit der Form und Wahrheit des Charakters einen angenehmen Eindruck auf das Auge des Kenners machten. Pomp ist nicht Würde, und Ueppigkeit nicht Zierde. Daß Landhäuser der daß Auch ist, einzelne gute Bemerkungen aus-
genommen, die Theorie dieser Architekten oft flüchtig und mager, so sehr sie auch den Ruf für sich haben. Beym Briseux ist ei- ne unendliche Arbeit von Kupferstichen ver- schwendet; fast alle Abbildungen von Land- häusern sehen sich einander völlig gleich. Blondel zeichnet wenige Landhäuser, größ- tentheils von einem prächtigen und edlen Charakter, vor; nur sind sie nach dem ge- [Spaltenumbruch] meinen Geschmack noch zu sehr mit Verzie- rung von Statüen überladen. -- Uebrigens sind von solchen Schriften der Architekturlehrer, welche Anweisung zur Bauart der Landhäuser geben, noch solche Werke unterschieden, die blos Risse und Abbildungen von wirklich errichteten Villen enthalten. Von Werken der letztern Gat- tung sind die vorzüglichsten hin und wieder in dieser Theorie angeführt. und Landhaͤuſern. chen Kleinigkeiten uͤberhaͤufte Groͤße und Pracht, wobey alle guten Verhaͤltniſſe fehl-ten, und Form und Verzierung nicht ſelten in das Abentheuerliche uͤbergiengen, zeigen muͤßte. Die Luſtſchloͤſſer blieben nicht mehr Gebaͤude, die ein wohl geordnetes Ganzes ausmachten; ſie wurden vielmehr ein labyrinthiſcher Hauſe von Gebaͤuden, die ſchlecht zuſammenhiengen, wo das Auge von der Menge der Theile zerſtreut, und von der Unordnung, worinn ſie erſchienen, beleidigt ward. Man ſah ganze Maſſen in einer verdruͤßlichen Verwirrung. Ausdehnung, Plumpheit und Unordnung ward ſelbſt der hervorſtechende Charakter koͤniglicher Luſtſchloͤſſer. Als die Rohigkeit allmaͤhlig uͤberwaͤltigt ward, und Pracht und Ueppigkeit an ihre Stelle traten, erzwang man ſeltſame Figuren; und was der Richtigkeit und Schoͤnheit der Formen abgieng, ſuch- te man mit leeren Zierrathen zu erſetzen. Man fuͤllte die Daͤcher nicht weniger, als die Eingaͤnge mit Statuͤen, die mit der Beſtimmung des Gebaͤudes in gar keiner Verbindung ſtanden; man ſchreckte durch ſeufzende Caryatiden, die ein trauriges Bild der gemarterten Menſchheit darſtellten. Am meiſten fehlte man darinn, daß man den verſchiedenen Charakter und die Beſtimmung der Gebaͤude ganz aus den Augen ſetzte. Ein Orangeriehaus, eine Eremitage, wurden mit eben der Groͤße, mit eben dem Reichthum der Verzierung angelegt, als wenn es die erſten Gebaͤude in Reſidenzſtaͤdten geweſen waͤren; es wurden hier hohe und kuͤnſtliche Treppenwerke, Saͤulenordnungen, Statuͤen, Bildwerke, Marmor und Vergoldung verſchwendet. Noch jetzt ſind auch in Deutſchland Beyſpiele genug von einem ſolchen ausſchweifenden Pomp vorhanden. Es ward faſt eine Seltenheit, unter den fuͤrſtlichen Luſtſchloͤſſern in Europa Gebaͤude anzutreffen, die mit einer gewiſſen edlen Einfachheit ein Ganzes ausmachten, die durch Ordnung, Symmetrie, Schoͤnheit der Form und Wahrheit des Charakters einen angenehmen Eindruck auf das Auge des Kenners machten. Pomp iſt nicht Wuͤrde, und Ueppigkeit nicht Zierde. Daß Landhaͤuſer der daß Auch iſt, einzelne gute Bemerkungen aus-
genommen, die Theorie dieſer Architekten oft fluͤchtig und mager, ſo ſehr ſie auch den Ruf fuͤr ſich haben. Beym Briſeux iſt ei- ne unendliche Arbeit von Kupferſtichen ver- ſchwendet; faſt alle Abbildungen von Land- haͤuſern ſehen ſich einander voͤllig gleich. Blondel zeichnet wenige Landhaͤuſer, groͤß- tentheils von einem praͤchtigen und edlen Charakter, vor; nur ſind ſie nach dem ge- [Spaltenumbruch] meinen Geſchmack noch zu ſehr mit Verzie- rung von Statuͤen uͤberladen. — Uebrigens ſind von ſolchen Schriften der Architekturlehrer, welche Anweiſung zur Bauart der Landhaͤuſer geben, noch ſolche Werke unterſchieden, die blos Riſſe und Abbildungen von wirklich errichteten Villen enthalten. Von Werken der letztern Gat- tung ſind die vorzuͤglichſten hin und wieder in dieſer Theorie angefuͤhrt. <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0011" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Landhaͤuſern.</hi></fw><lb/> chen Kleinigkeiten uͤberhaͤufte Groͤße und Pracht, wobey alle guten Verhaͤltniſſe fehl-<lb/> ten, und Form und Verzierung nicht ſelten in das Abentheuerliche uͤbergiengen, zeigen<lb/> muͤßte. Die Luſtſchloͤſſer blieben nicht mehr Gebaͤude, die ein wohl geordnetes Ganzes<lb/> ausmachten; ſie wurden vielmehr ein labyrinthiſcher Hauſe von Gebaͤuden, die ſchlecht<lb/> zuſammenhiengen, wo das Auge von der Menge der Theile zerſtreut, und von der<lb/> Unordnung, worinn ſie erſchienen, beleidigt ward. Man ſah ganze Maſſen in einer<lb/> verdruͤßlichen Verwirrung. Ausdehnung, Plumpheit und Unordnung ward ſelbſt<lb/> der hervorſtechende Charakter koͤniglicher Luſtſchloͤſſer. Als die Rohigkeit allmaͤhlig<lb/> uͤberwaͤltigt ward, und Pracht und Ueppigkeit an ihre Stelle traten, erzwang man<lb/> ſeltſame Figuren; und was der Richtigkeit und Schoͤnheit der Formen abgieng, ſuch-<lb/> te man mit leeren Zierrathen zu erſetzen. Man fuͤllte die Daͤcher nicht weniger, als<lb/> die Eingaͤnge mit Statuͤen, die mit der Beſtimmung des Gebaͤudes in gar keiner<lb/> Verbindung ſtanden; man ſchreckte durch ſeufzende Caryatiden, die ein trauriges<lb/> Bild der gemarterten Menſchheit darſtellten. Am meiſten fehlte man darinn, daß<lb/> man den verſchiedenen Charakter und die Beſtimmung der Gebaͤude ganz aus den<lb/> Augen ſetzte. Ein Orangeriehaus, eine Eremitage, wurden mit eben der Groͤße,<lb/> mit eben dem Reichthum der Verzierung angelegt, als wenn es die erſten Gebaͤude<lb/> in Reſidenzſtaͤdten geweſen waͤren; es wurden hier hohe und kuͤnſtliche Treppenwerke,<lb/> Saͤulenordnungen, Statuͤen, Bildwerke, Marmor und Vergoldung verſchwendet.<lb/> Noch jetzt ſind auch in <hi rendition="#fr">Deutſchland</hi> Beyſpiele genug von einem ſolchen ausſchweifenden<lb/> Pomp vorhanden. Es ward faſt eine Seltenheit, unter den fuͤrſtlichen Luſtſchloͤſſern<lb/> in <hi rendition="#fr">Europa</hi> Gebaͤude anzutreffen, die mit einer gewiſſen edlen Einfachheit ein Ganzes<lb/> ausmachten, die durch Ordnung, Symmetrie, Schoͤnheit der Form und Wahrheit<lb/> des Charakters einen angenehmen Eindruck auf das Auge des Kenners machten.</p><lb/> <p>Pomp iſt nicht Wuͤrde, und Ueppigkeit nicht Zierde. Daß Landhaͤuſer der<lb/> Koͤnige und Fuͤrſten ſich durch ein Gepraͤge des Anſehens und der Pracht auszeichnen,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/><cb/> <note xml:id="seg2pn_1_2" prev="#seg2pn_1_1" place="foot" n="*)">Auch iſt, einzelne gute Bemerkungen aus-<lb/> genommen, die Theorie dieſer Architekten<lb/> oft fluͤchtig und mager, ſo ſehr ſie auch den<lb/> Ruf fuͤr ſich haben. Beym Briſeux iſt ei-<lb/> ne unendliche Arbeit von Kupferſtichen ver-<lb/> ſchwendet; faſt alle Abbildungen von Land-<lb/> haͤuſern ſehen ſich einander voͤllig gleich.<lb/> Blondel zeichnet wenige Landhaͤuſer, groͤß-<lb/> tentheils von einem praͤchtigen und edlen<lb/><hi rendition="#fr">Charakter,</hi> vor; nur ſind ſie nach dem ge-<lb/><cb/> meinen Geſchmack noch zu ſehr mit Verzie-<lb/> rung von Statuͤen uͤberladen. —<lb/> Uebrigens ſind von ſolchen Schriften<lb/> der Architekturlehrer, welche Anweiſung zur<lb/> Bauart der Landhaͤuſer geben, noch ſolche<lb/> Werke unterſchieden, die blos Riſſe und<lb/> Abbildungen von wirklich errichteten Villen<lb/> enthalten. Von Werken der letztern Gat-<lb/> tung ſind die vorzuͤglichſten hin und wieder<lb/> in dieſer <hi rendition="#fr">Theorie angefuͤhrt.</hi></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0011]
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chen Kleinigkeiten uͤberhaͤufte Groͤße und Pracht, wobey alle guten Verhaͤltniſſe fehl-
ten, und Form und Verzierung nicht ſelten in das Abentheuerliche uͤbergiengen, zeigen
muͤßte. Die Luſtſchloͤſſer blieben nicht mehr Gebaͤude, die ein wohl geordnetes Ganzes
ausmachten; ſie wurden vielmehr ein labyrinthiſcher Hauſe von Gebaͤuden, die ſchlecht
zuſammenhiengen, wo das Auge von der Menge der Theile zerſtreut, und von der
Unordnung, worinn ſie erſchienen, beleidigt ward. Man ſah ganze Maſſen in einer
verdruͤßlichen Verwirrung. Ausdehnung, Plumpheit und Unordnung ward ſelbſt
der hervorſtechende Charakter koͤniglicher Luſtſchloͤſſer. Als die Rohigkeit allmaͤhlig
uͤberwaͤltigt ward, und Pracht und Ueppigkeit an ihre Stelle traten, erzwang man
ſeltſame Figuren; und was der Richtigkeit und Schoͤnheit der Formen abgieng, ſuch-
te man mit leeren Zierrathen zu erſetzen. Man fuͤllte die Daͤcher nicht weniger, als
die Eingaͤnge mit Statuͤen, die mit der Beſtimmung des Gebaͤudes in gar keiner
Verbindung ſtanden; man ſchreckte durch ſeufzende Caryatiden, die ein trauriges
Bild der gemarterten Menſchheit darſtellten. Am meiſten fehlte man darinn, daß
man den verſchiedenen Charakter und die Beſtimmung der Gebaͤude ganz aus den
Augen ſetzte. Ein Orangeriehaus, eine Eremitage, wurden mit eben der Groͤße,
mit eben dem Reichthum der Verzierung angelegt, als wenn es die erſten Gebaͤude
in Reſidenzſtaͤdten geweſen waͤren; es wurden hier hohe und kuͤnſtliche Treppenwerke,
Saͤulenordnungen, Statuͤen, Bildwerke, Marmor und Vergoldung verſchwendet.
Noch jetzt ſind auch in Deutſchland Beyſpiele genug von einem ſolchen ausſchweifenden
Pomp vorhanden. Es ward faſt eine Seltenheit, unter den fuͤrſtlichen Luſtſchloͤſſern
in Europa Gebaͤude anzutreffen, die mit einer gewiſſen edlen Einfachheit ein Ganzes
ausmachten, die durch Ordnung, Symmetrie, Schoͤnheit der Form und Wahrheit
des Charakters einen angenehmen Eindruck auf das Auge des Kenners machten.
Pomp iſt nicht Wuͤrde, und Ueppigkeit nicht Zierde. Daß Landhaͤuſer der
Koͤnige und Fuͤrſten ſich durch ein Gepraͤge des Anſehens und der Pracht auszeichnen,
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*) Auch iſt, einzelne gute Bemerkungen aus-
genommen, die Theorie dieſer Architekten
oft fluͤchtig und mager, ſo ſehr ſie auch den
Ruf fuͤr ſich haben. Beym Briſeux iſt ei-
ne unendliche Arbeit von Kupferſtichen ver-
ſchwendet; faſt alle Abbildungen von Land-
haͤuſern ſehen ſich einander voͤllig gleich.
Blondel zeichnet wenige Landhaͤuſer, groͤß-
tentheils von einem praͤchtigen und edlen
Charakter, vor; nur ſind ſie nach dem ge-
meinen Geſchmack noch zu ſehr mit Verzie-
rung von Statuͤen uͤberladen. —
Uebrigens ſind von ſolchen Schriften
der Architekturlehrer, welche Anweiſung zur
Bauart der Landhaͤuſer geben, noch ſolche
Werke unterſchieden, die blos Riſſe und
Abbildungen von wirklich errichteten Villen
enthalten. Von Werken der letztern Gat-
tung ſind die vorzuͤglichſten hin und wieder
in dieſer Theorie angefuͤhrt.
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| Zitationshilfe: | Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/11>, abgerufen am 16.04.2024. |
