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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Monumenten und Inschriften.

Columella[Spaltenumbruch] *) erinnert, daß man nicht die Kunstwerke eines Dädalus, Polyclet
oder anderer berühmter Bildhauer suchen, sondern sich begnügen solle, den Priap
ganz einfältig gearbeitet aufzustellen. Doch folgte man nicht immer dieser Vorschrift.
Man machte zu Augusts Zeiten den Priap von Marmor.

Custos es pauperis horti,
Nunc te marmoreum pro tempore fecimus.
Virg. Ecl. 7.

Und in den Servilianischen Gärten zu Rom standen die Statüen der Ceres und
der Flora, die Werke des Praxiteles waren. Auch die Statüen der Satyren,
als Schutzgötter der Gärten, sah man nach einer Nachricht des Plinius**) aufge-
stellt. Alle diese Statüen hatten doch in den Gärten der Alten einen Grad von
Schicklichkeit, der ihnen in den Gärten der Neuern abgieng; sie waren den Gotthei-
ten gewidmet, unter deren besonderm Schutz, nach der allgemeinen Meynung, die
Oerter, die Pflanzen und die Früchte standen. Mit einer gleichen Schicklichkeit
stellten die Alten, nach einer Bemerkung des Vitruv,***) in die Zimmer, wo sie
sich im Frühling, im Sommer und im Herbste aufhielten, solche Bilder, die auf jede
dieser Jahreszeiten immer eine gewisse Beziehung hatten.

2.

Als in den neuern Zeiten die Gartenkunst von den Händen des Le Notre ihre
Bildung empfieng, so konnten, nach dem Geist, worinn dieser Mann arbeitete, die
Statüen nicht in seinen Entwürfen fehlen. Vielmehr fieng man an, sie als ein Be-
dürfniß der Gärten anzusehen. Die Plätze, die er verkünstelte, wurden damit bis
zum Ekel überladen. Denn es war nicht etwa eine Flora am Blumenbette, oder
ein Bacchus am Traubengeländer, die man hie und da aufgestellt sah; sondern alles,
was Athen und Rom an großen und kleinen Gottheiten gekannt hatte, ward in neuen
Bildern wieder erweckt, nicht zur Auszierung, sondern zur Anfüllung der Garten-
plätze. Die eifrigsten Vertheidiger der symmetrischen Manier konnten sich doch zu-
weilen nicht enthalten, die Unschicklichkeit eines solchen Ueberflusses zu bemerken.
Selbst Blondel,[Spaltenumbruch] ****) der den alten Geschmack seines Vaterlandes erhob, und doch
den Dufreny lange vor Kent zum ersten Gartenkünstler in der neuen Manier ma-
chen wollte, gesteht, daß die Menge der Statüen zu Versailles das Auge belästigen.

Diese
*) de cultu hort.
**) Hist. nat. lib. XIX. c. 4.
***) lib. VII. c. 5.
****) Jaques Francois Blondel, im
Cours d' Architecture &c. 8. Paris, im
4ten B. 1773.
Monumenten und Inſchriften.

Columella[Spaltenumbruch] *) erinnert, daß man nicht die Kunſtwerke eines Daͤdalus, Polyclet
oder anderer beruͤhmter Bildhauer ſuchen, ſondern ſich begnuͤgen ſolle, den Priap
ganz einfaͤltig gearbeitet aufzuſtellen. Doch folgte man nicht immer dieſer Vorſchrift.
Man machte zu Auguſts Zeiten den Priap von Marmor.

Cuſtos es pauperis horti,
Nunc te marmoreum pro tempore fecimus.
Virg. Ecl. 7.

Und in den Servilianiſchen Gaͤrten zu Rom ſtanden die Statuͤen der Ceres und
der Flora, die Werke des Praxiteles waren. Auch die Statuͤen der Satyren,
als Schutzgoͤtter der Gaͤrten, ſah man nach einer Nachricht des Plinius**) aufge-
ſtellt. Alle dieſe Statuͤen hatten doch in den Gaͤrten der Alten einen Grad von
Schicklichkeit, der ihnen in den Gaͤrten der Neuern abgieng; ſie waren den Gotthei-
ten gewidmet, unter deren beſonderm Schutz, nach der allgemeinen Meynung, die
Oerter, die Pflanzen und die Fruͤchte ſtanden. Mit einer gleichen Schicklichkeit
ſtellten die Alten, nach einer Bemerkung des Vitruv,***) in die Zimmer, wo ſie
ſich im Fruͤhling, im Sommer und im Herbſte aufhielten, ſolche Bilder, die auf jede
dieſer Jahreszeiten immer eine gewiſſe Beziehung hatten.

2.

Als in den neuern Zeiten die Gartenkunſt von den Haͤnden des Le Notre ihre
Bildung empfieng, ſo konnten, nach dem Geiſt, worinn dieſer Mann arbeitete, die
Statuͤen nicht in ſeinen Entwuͤrfen fehlen. Vielmehr fieng man an, ſie als ein Be-
duͤrfniß der Gaͤrten anzuſehen. Die Plaͤtze, die er verkuͤnſtelte, wurden damit bis
zum Ekel uͤberladen. Denn es war nicht etwa eine Flora am Blumenbette, oder
ein Bacchus am Traubengelaͤnder, die man hie und da aufgeſtellt ſah; ſondern alles,
was Athen und Rom an großen und kleinen Gottheiten gekannt hatte, ward in neuen
Bildern wieder erweckt, nicht zur Auszierung, ſondern zur Anfuͤllung der Garten-
plaͤtze. Die eifrigſten Vertheidiger der ſymmetriſchen Manier konnten ſich doch zu-
weilen nicht enthalten, die Unſchicklichkeit eines ſolchen Ueberfluſſes zu bemerken.
Selbſt Blondel,[Spaltenumbruch] ****) der den alten Geſchmack ſeines Vaterlandes erhob, und doch
den Dufreny lange vor Kent zum erſten Gartenkuͤnſtler in der neuen Manier ma-
chen wollte, geſteht, daß die Menge der Statuͤen zu Verſailles das Auge belaͤſtigen.

Dieſe
*) de cultu hort.
**) Hiſt. nat. lib. XIX. c. 4.
***) lib. VII. c. 5.
****) Jaques François Blondel, im
Cours d’ Architecture &c. 8. Paris, im
4ten B. 1773.
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[127/0131] Monumenten und Inſchriften. Columella *) erinnert, daß man nicht die Kunſtwerke eines Daͤdalus, Polyclet oder anderer beruͤhmter Bildhauer ſuchen, ſondern ſich begnuͤgen ſolle, den Priap ganz einfaͤltig gearbeitet aufzuſtellen. Doch folgte man nicht immer dieſer Vorſchrift. Man machte zu Auguſts Zeiten den Priap von Marmor. Cuſtos es pauperis horti, Nunc te marmoreum pro tempore fecimus. Virg. Ecl. 7. Und in den Servilianiſchen Gaͤrten zu Rom ſtanden die Statuͤen der Ceres und der Flora, die Werke des Praxiteles waren. Auch die Statuͤen der Satyren, als Schutzgoͤtter der Gaͤrten, ſah man nach einer Nachricht des Plinius **) aufge- ſtellt. Alle dieſe Statuͤen hatten doch in den Gaͤrten der Alten einen Grad von Schicklichkeit, der ihnen in den Gaͤrten der Neuern abgieng; ſie waren den Gotthei- ten gewidmet, unter deren beſonderm Schutz, nach der allgemeinen Meynung, die Oerter, die Pflanzen und die Fruͤchte ſtanden. Mit einer gleichen Schicklichkeit ſtellten die Alten, nach einer Bemerkung des Vitruv, ***) in die Zimmer, wo ſie ſich im Fruͤhling, im Sommer und im Herbſte aufhielten, ſolche Bilder, die auf jede dieſer Jahreszeiten immer eine gewiſſe Beziehung hatten. 2. Als in den neuern Zeiten die Gartenkunſt von den Haͤnden des Le Notre ihre Bildung empfieng, ſo konnten, nach dem Geiſt, worinn dieſer Mann arbeitete, die Statuͤen nicht in ſeinen Entwuͤrfen fehlen. Vielmehr fieng man an, ſie als ein Be- duͤrfniß der Gaͤrten anzuſehen. Die Plaͤtze, die er verkuͤnſtelte, wurden damit bis zum Ekel uͤberladen. Denn es war nicht etwa eine Flora am Blumenbette, oder ein Bacchus am Traubengelaͤnder, die man hie und da aufgeſtellt ſah; ſondern alles, was Athen und Rom an großen und kleinen Gottheiten gekannt hatte, ward in neuen Bildern wieder erweckt, nicht zur Auszierung, ſondern zur Anfuͤllung der Garten- plaͤtze. Die eifrigſten Vertheidiger der ſymmetriſchen Manier konnten ſich doch zu- weilen nicht enthalten, die Unſchicklichkeit eines ſolchen Ueberfluſſes zu bemerken. Selbſt Blondel, ****) der den alten Geſchmack ſeines Vaterlandes erhob, und doch den Dufreny lange vor Kent zum erſten Gartenkuͤnſtler in der neuen Manier ma- chen wollte, geſteht, daß die Menge der Statuͤen zu Verſailles das Auge belaͤſtigen. Dieſe *) de cultu hort. **) Hiſt. nat. lib. XIX. c. 4. ***) lib. VII. c. 5. ****) Jaques François Blondel, im Cours d’ Architecture &c. 8. Paris, im 4ten B. 1773.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/131>, abgerufen am 28.03.2024.