Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Anhang. Beschreibungen
busen, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die diesseitigen fruchtbaren und
mit schöner Waldung bekleideten Ufer von Seeland. -- Doch diese Aussichten, die
einzigen von dieser Art in Europa, übersteigen alle Beschreibung; man muß sie
schauen, um ihre Größe zu fühlen. Man vergißt in ihrem Genuß Schönheiten,
die sonst bezaubern und hier verschwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund,
wo umhergrasende Heerden zwischen den grünen Abhängen ein sanftes Landschaftgemäl-
de vollenden, die Wiesen und die zerstreueten Gärten und Häuser in der Tiefe, die
frohen Lieder der Vögel in den Bäumen, welche die Spitze des Hügels krönen. Das
Auge schweift über Meere und Landschaften hinaus, und die Einbildungskraft schwelgt
in der unermeßlichen Größe dieser Scenen.

Bey aller ihrer Ausdehnung sind sie doch dem Auge nahe, das sie gleich sieht,
ohne sie mühsam in der Ferne suchen zu dürfen; und auf der Höhe, wovon man sie
genießt, erkauft man sie weder durch Ermüdung, noch durch Schwindel. Sie sind
groß, ohne schrecklich zu seyn; prächtig, und doch immer unterhaltend. Die wech-
selnden Lichter des Himmels, sein heiteres Blau oder die abändernden Gemälde der
Wolken, der Schlaf des Meeres oder sein brausendes Erwachen, seine aufschäumen-
den, sich aufthürmenden, sich gewaltsam fortschlagenden Wellen, das Getöse der
Winde, das Geschrey der sich umherwälzenden Seevögel, die unaufhörlichen Bewe-
gungen von Schiffen, deren in jedem Jahre sieben bis achttausend, und zuweilen an
einem Tage drey bis vierhundert diese Straße durchsegeln -- alle diese Zufälligkeiten
geben diesen Scenen Leben und Abwechselung, und begleiten ihre Größe mit neuen
Wirkungen.

Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet sich solcher prächti-
gen Durchzüge von Schiffen, als diese nicht selten auf einmal hat. Oft versammeln
sich an vierhundert Segel, die auf einen günstigen Wind zum Durchgang warten,
und deren ruhende Masten einen meilenlangen Wald zu bilden scheinen. Der Wind
erhebt sich, die Segel schwellen in die Luft, die Flaggen aller Nationen flattern, eine
schwimmende Stadt nähert sich mit majestätischer Pracht, die Begrüßungen ihrer
Kanonen, die dem Schlosse Kronenburg huldigen, erschallen von allen Seiten,
der Donner hallt von beyden Ufern wieder, die mächtigsten Elemente, das Wasser
und das Feuer, scheinen in einen Kampf zu gerathen, der dicke Dampf steigt aus den
weißschäumenden Wellen empor, und zerfliegt von den Spitzen der Masten den Wol-
ken zu; das stolze Gefühl der dänischen Herrschaft über den Sund erhebt die Brust
des Patrioten.

Von

Anhang. Beſchreibungen
buſen, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die dieſſeitigen fruchtbaren und
mit ſchoͤner Waldung bekleideten Ufer von Seeland. — Doch dieſe Ausſichten, die
einzigen von dieſer Art in Europa, uͤberſteigen alle Beſchreibung; man muß ſie
ſchauen, um ihre Groͤße zu fuͤhlen. Man vergißt in ihrem Genuß Schoͤnheiten,
die ſonſt bezaubern und hier verſchwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund,
wo umhergraſende Heerden zwiſchen den gruͤnen Abhaͤngen ein ſanftes Landſchaftgemaͤl-
de vollenden, die Wieſen und die zerſtreueten Gaͤrten und Haͤuſer in der Tiefe, die
frohen Lieder der Voͤgel in den Baͤumen, welche die Spitze des Huͤgels kroͤnen. Das
Auge ſchweift uͤber Meere und Landſchaften hinaus, und die Einbildungskraft ſchwelgt
in der unermeßlichen Groͤße dieſer Scenen.

Bey aller ihrer Ausdehnung ſind ſie doch dem Auge nahe, das ſie gleich ſieht,
ohne ſie muͤhſam in der Ferne ſuchen zu duͤrfen; und auf der Hoͤhe, wovon man ſie
genießt, erkauft man ſie weder durch Ermuͤdung, noch durch Schwindel. Sie ſind
groß, ohne ſchrecklich zu ſeyn; praͤchtig, und doch immer unterhaltend. Die wech-
ſelnden Lichter des Himmels, ſein heiteres Blau oder die abaͤndernden Gemaͤlde der
Wolken, der Schlaf des Meeres oder ſein brauſendes Erwachen, ſeine aufſchaͤumen-
den, ſich aufthuͤrmenden, ſich gewaltſam fortſchlagenden Wellen, das Getoͤſe der
Winde, das Geſchrey der ſich umherwaͤlzenden Seevoͤgel, die unaufhoͤrlichen Bewe-
gungen von Schiffen, deren in jedem Jahre ſieben bis achttauſend, und zuweilen an
einem Tage drey bis vierhundert dieſe Straße durchſegeln — alle dieſe Zufaͤlligkeiten
geben dieſen Scenen Leben und Abwechſelung, und begleiten ihre Groͤße mit neuen
Wirkungen.

Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet ſich ſolcher praͤchti-
gen Durchzuͤge von Schiffen, als dieſe nicht ſelten auf einmal hat. Oft verſammeln
ſich an vierhundert Segel, die auf einen guͤnſtigen Wind zum Durchgang warten,
und deren ruhende Maſten einen meilenlangen Wald zu bilden ſcheinen. Der Wind
erhebt ſich, die Segel ſchwellen in die Luft, die Flaggen aller Nationen flattern, eine
ſchwimmende Stadt naͤhert ſich mit majeſtaͤtiſcher Pracht, die Begruͤßungen ihrer
Kanonen, die dem Schloſſe Kronenburg huldigen, erſchallen von allen Seiten,
der Donner hallt von beyden Ufern wieder, die maͤchtigſten Elemente, das Waſſer
und das Feuer, ſcheinen in einen Kampf zu gerathen, der dicke Dampf ſteigt aus den
weißſchaͤumenden Wellen empor, und zerfliegt von den Spitzen der Maſten den Wol-
ken zu; das ſtolze Gefuͤhl der daͤniſchen Herrſchaft uͤber den Sund erhebt die Bruſt
des Patrioten.

Von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anhang. Be&#x017F;chreibungen</hi></fw><lb/>
bu&#x017F;en, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die die&#x017F;&#x017F;eitigen fruchtbaren und<lb/>
mit &#x017F;cho&#x0364;ner Waldung bekleideten Ufer von <hi rendition="#fr">Seeland.</hi> &#x2014; Doch die&#x017F;e Aus&#x017F;ichten, die<lb/>
einzigen von die&#x017F;er Art in <hi rendition="#fr">Europa,</hi> u&#x0364;ber&#x017F;teigen alle Be&#x017F;chreibung; man muß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chauen, um ihre Gro&#x0364;ße zu fu&#x0364;hlen. Man vergißt in ihrem Genuß Scho&#x0364;nheiten,<lb/>
die &#x017F;on&#x017F;t bezaubern und hier ver&#x017F;chwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund,<lb/>
wo umhergra&#x017F;ende Heerden zwi&#x017F;chen den gru&#x0364;nen Abha&#x0364;ngen ein &#x017F;anftes Land&#x017F;chaftgema&#x0364;l-<lb/>
de vollenden, die Wie&#x017F;en und die zer&#x017F;treueten Ga&#x0364;rten und Ha&#x0364;u&#x017F;er in der Tiefe, die<lb/>
frohen Lieder der Vo&#x0364;gel in den Ba&#x0364;umen, welche die Spitze des Hu&#x0364;gels kro&#x0364;nen. Das<lb/>
Auge &#x017F;chweift u&#x0364;ber Meere und Land&#x017F;chaften hinaus, und die Einbildungskraft &#x017F;chwelgt<lb/>
in der unermeßlichen Gro&#x0364;ße die&#x017F;er Scenen.</p><lb/>
          <p>Bey aller ihrer Ausdehnung &#x017F;ind &#x017F;ie doch dem Auge nahe, das &#x017F;ie gleich &#x017F;ieht,<lb/>
ohne &#x017F;ie mu&#x0364;h&#x017F;am in der Ferne &#x017F;uchen zu du&#x0364;rfen; und auf der Ho&#x0364;he, wovon man &#x017F;ie<lb/>
genießt, erkauft man &#x017F;ie weder durch Ermu&#x0364;dung, noch durch Schwindel. Sie &#x017F;ind<lb/>
groß, ohne &#x017F;chrecklich zu &#x017F;eyn; pra&#x0364;chtig, und doch immer unterhaltend. Die wech-<lb/>
&#x017F;elnden Lichter des Himmels, &#x017F;ein heiteres Blau oder die aba&#x0364;ndernden Gema&#x0364;lde der<lb/>
Wolken, der Schlaf des Meeres oder &#x017F;ein brau&#x017F;endes Erwachen, &#x017F;eine auf&#x017F;cha&#x0364;umen-<lb/>
den, &#x017F;ich aufthu&#x0364;rmenden, &#x017F;ich gewalt&#x017F;am fort&#x017F;chlagenden Wellen, das Geto&#x0364;&#x017F;e der<lb/>
Winde, das Ge&#x017F;chrey der &#x017F;ich umherwa&#x0364;lzenden Seevo&#x0364;gel, die unaufho&#x0364;rlichen Bewe-<lb/>
gungen von Schiffen, deren in jedem Jahre &#x017F;ieben bis achttau&#x017F;end, und zuweilen an<lb/>
einem Tage drey bis vierhundert die&#x017F;e Straße durch&#x017F;egeln &#x2014; alle die&#x017F;e Zufa&#x0364;lligkeiten<lb/>
geben die&#x017F;en Scenen Leben und Abwech&#x017F;elung, und begleiten ihre Gro&#x0364;ße mit neuen<lb/>
Wirkungen.</p><lb/>
          <p>Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet &#x017F;ich &#x017F;olcher pra&#x0364;chti-<lb/>
gen Durchzu&#x0364;ge von Schiffen, als die&#x017F;e nicht &#x017F;elten auf einmal hat. Oft ver&#x017F;ammeln<lb/>
&#x017F;ich an vierhundert Segel, die auf einen gu&#x0364;n&#x017F;tigen Wind zum Durchgang warten,<lb/>
und deren ruhende Ma&#x017F;ten einen meilenlangen Wald zu bilden &#x017F;cheinen. Der Wind<lb/>
erhebt &#x017F;ich, die Segel &#x017F;chwellen in die Luft, die Flaggen aller Nationen flattern, eine<lb/>
&#x017F;chwimmende Stadt na&#x0364;hert &#x017F;ich mit maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;cher Pracht, die Begru&#x0364;ßungen ihrer<lb/>
Kanonen, die dem Schlo&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">Kronenburg</hi> huldigen, er&#x017F;challen von allen Seiten,<lb/>
der Donner hallt von beyden Ufern wieder, die ma&#x0364;chtig&#x017F;ten Elemente, das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
und das Feuer, &#x017F;cheinen in einen Kampf zu gerathen, der dicke Dampf &#x017F;teigt aus den<lb/>
weiß&#x017F;cha&#x0364;umenden Wellen empor, und zerfliegt von den Spitzen der Ma&#x017F;ten den Wol-<lb/>
ken zu; das &#x017F;tolze Gefu&#x0364;hl der <hi rendition="#fr">da&#x0364;ni&#x017F;chen</hi> Herr&#x017F;chaft u&#x0364;ber den <hi rendition="#fr">Sund</hi> erhebt die Bru&#x017F;t<lb/>
des Patrioten.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0223] Anhang. Beſchreibungen buſen, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die dieſſeitigen fruchtbaren und mit ſchoͤner Waldung bekleideten Ufer von Seeland. — Doch dieſe Ausſichten, die einzigen von dieſer Art in Europa, uͤberſteigen alle Beſchreibung; man muß ſie ſchauen, um ihre Groͤße zu fuͤhlen. Man vergißt in ihrem Genuß Schoͤnheiten, die ſonſt bezaubern und hier verſchwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund, wo umhergraſende Heerden zwiſchen den gruͤnen Abhaͤngen ein ſanftes Landſchaftgemaͤl- de vollenden, die Wieſen und die zerſtreueten Gaͤrten und Haͤuſer in der Tiefe, die frohen Lieder der Voͤgel in den Baͤumen, welche die Spitze des Huͤgels kroͤnen. Das Auge ſchweift uͤber Meere und Landſchaften hinaus, und die Einbildungskraft ſchwelgt in der unermeßlichen Groͤße dieſer Scenen. Bey aller ihrer Ausdehnung ſind ſie doch dem Auge nahe, das ſie gleich ſieht, ohne ſie muͤhſam in der Ferne ſuchen zu duͤrfen; und auf der Hoͤhe, wovon man ſie genießt, erkauft man ſie weder durch Ermuͤdung, noch durch Schwindel. Sie ſind groß, ohne ſchrecklich zu ſeyn; praͤchtig, und doch immer unterhaltend. Die wech- ſelnden Lichter des Himmels, ſein heiteres Blau oder die abaͤndernden Gemaͤlde der Wolken, der Schlaf des Meeres oder ſein brauſendes Erwachen, ſeine aufſchaͤumen- den, ſich aufthuͤrmenden, ſich gewaltſam fortſchlagenden Wellen, das Getoͤſe der Winde, das Geſchrey der ſich umherwaͤlzenden Seevoͤgel, die unaufhoͤrlichen Bewe- gungen von Schiffen, deren in jedem Jahre ſieben bis achttauſend, und zuweilen an einem Tage drey bis vierhundert dieſe Straße durchſegeln — alle dieſe Zufaͤlligkeiten geben dieſen Scenen Leben und Abwechſelung, und begleiten ihre Groͤße mit neuen Wirkungen. Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet ſich ſolcher praͤchti- gen Durchzuͤge von Schiffen, als dieſe nicht ſelten auf einmal hat. Oft verſammeln ſich an vierhundert Segel, die auf einen guͤnſtigen Wind zum Durchgang warten, und deren ruhende Maſten einen meilenlangen Wald zu bilden ſcheinen. Der Wind erhebt ſich, die Segel ſchwellen in die Luft, die Flaggen aller Nationen flattern, eine ſchwimmende Stadt naͤhert ſich mit majeſtaͤtiſcher Pracht, die Begruͤßungen ihrer Kanonen, die dem Schloſſe Kronenburg huldigen, erſchallen von allen Seiten, der Donner hallt von beyden Ufern wieder, die maͤchtigſten Elemente, das Waſſer und das Feuer, ſcheinen in einen Kampf zu gerathen, der dicke Dampf ſteigt aus den weißſchaͤumenden Wellen empor, und zerfliegt von den Spitzen der Maſten den Wol- ken zu; das ſtolze Gefuͤhl der daͤniſchen Herrſchaft uͤber den Sund erhebt die Bruſt des Patrioten. Von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/223
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/223>, abgerufen am 24.04.2024.