Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
von Lustschlössern.

Von einer sanftern Feyerlichkeit ist in den heitern und stillen Abenden der Som-
mermonate der Untergang der Sonne, von Marienlust betrachtet. Indem sie zur
Linken über die Waldungen des Ufers von Seeland dahin sank, und den West mit
glühendem Golde überströmte; so streute sie ihren Abglanz über die weiten Flächen
des Codanschen Meerbusens. Das Meer ruhete, um die feyerliche Pracht dieser
Scene vollenden zu helfen. Ein Strom von Purpur, der von dem Rande der Son-
nenbahn abfloß, verbreitete sich in der ganzen Strecke zwischen den Küsten beyder
Königreiche, wo das Meer in die Unendlichkeit hinwallet; die höhere Gegend des
Himmels ließ ihre bläuliche Farbe allmählig in ein sanftes Grau hinüberschmelzen;
und auf dem Wasser erschienen wechselnde Gemälde, worinn das Gelbe mit dem Ro-
senfarbigen spielte. In dem Purpur am Horizont standen unbeweglich die stolzen
Segel einiger großen Schiffe; andre, mehr entfernt, waren halb in den Duft ver-
schwunden. Das Abendgeläute in Helsingör fieng an, durch die schweigende Ge-
gend zu ertönen. Feyerlicher war nie die Natur zur Ruhe gegangen.

Unter den Eindrücken solcher Scenen sucht der liebenswürdige Prinz, der jetzt
die Hoffnung und einst das Glück dieser Reiche ist, Seine Empfindungen zu bilden,
und die beyden ersten Gefühle, welche die Seele der Könige adeln, das Gefühl der
Größe und das Gefühl der Milde, in Seiner jungen Brust zu beleben. Juliana
an Seiner Seite winkt auf diese Scenen voll Bedeutung hin; und der künftige Herr-
scher gelobt Ihrem Wink, gelobt, einst groß und milde durch sich selbst zu seyn,
wie Sie seyn wollte und ward, die zu seyn berechtigt ist, Lehrerinn der Könige
durch Geist und Beyspiel.



IV. So-
D d 3
von Luſtſchloͤſſern.

Von einer ſanftern Feyerlichkeit iſt in den heitern und ſtillen Abenden der Som-
mermonate der Untergang der Sonne, von Marienluſt betrachtet. Indem ſie zur
Linken uͤber die Waldungen des Ufers von Seeland dahin ſank, und den Weſt mit
gluͤhendem Golde uͤberſtroͤmte; ſo ſtreute ſie ihren Abglanz uͤber die weiten Flaͤchen
des Codanſchen Meerbuſens. Das Meer ruhete, um die feyerliche Pracht dieſer
Scene vollenden zu helfen. Ein Strom von Purpur, der von dem Rande der Son-
nenbahn abfloß, verbreitete ſich in der ganzen Strecke zwiſchen den Kuͤſten beyder
Koͤnigreiche, wo das Meer in die Unendlichkeit hinwallet; die hoͤhere Gegend des
Himmels ließ ihre blaͤuliche Farbe allmaͤhlig in ein ſanftes Grau hinuͤberſchmelzen;
und auf dem Waſſer erſchienen wechſelnde Gemaͤlde, worinn das Gelbe mit dem Ro-
ſenfarbigen ſpielte. In dem Purpur am Horizont ſtanden unbeweglich die ſtolzen
Segel einiger großen Schiffe; andre, mehr entfernt, waren halb in den Duft ver-
ſchwunden. Das Abendgelaͤute in Helſingoͤr fieng an, durch die ſchweigende Ge-
gend zu ertoͤnen. Feyerlicher war nie die Natur zur Ruhe gegangen.

Unter den Eindruͤcken ſolcher Scenen ſucht der liebenswuͤrdige Prinz, der jetzt
die Hoffnung und einſt das Gluͤck dieſer Reiche iſt, Seine Empfindungen zu bilden,
und die beyden erſten Gefuͤhle, welche die Seele der Koͤnige adeln, das Gefuͤhl der
Groͤße und das Gefuͤhl der Milde, in Seiner jungen Bruſt zu beleben. Juliana
an Seiner Seite winkt auf dieſe Scenen voll Bedeutung hin; und der kuͤnftige Herr-
ſcher gelobt Ihrem Wink, gelobt, einſt groß und milde durch ſich ſelbſt zu ſeyn,
wie Sie ſeyn wollte und ward, die zu ſeyn berechtigt iſt, Lehrerinn der Koͤnige
durch Geiſt und Beyſpiel.



IV. So-
D d 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0224" n="213"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von Lu&#x017F;t&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern.</hi> </fw><lb/>
          <p>Von einer &#x017F;anftern Feyerlichkeit i&#x017F;t in den heitern und &#x017F;tillen Abenden der Som-<lb/>
mermonate der Untergang der Sonne, von <hi rendition="#fr">Marienlu&#x017F;t</hi> betrachtet. Indem &#x017F;ie zur<lb/>
Linken u&#x0364;ber die Waldungen des Ufers von <hi rendition="#fr">Seeland</hi> dahin &#x017F;ank, und den We&#x017F;t mit<lb/>
glu&#x0364;hendem Golde u&#x0364;ber&#x017F;tro&#x0364;mte; &#x017F;o &#x017F;treute &#x017F;ie ihren Abglanz u&#x0364;ber die weiten Fla&#x0364;chen<lb/>
des <hi rendition="#fr">Codan&#x017F;chen</hi> Meerbu&#x017F;ens. Das Meer ruhete, um die feyerliche Pracht die&#x017F;er<lb/>
Scene vollenden zu helfen. Ein Strom von Purpur, der von dem Rande der Son-<lb/>
nenbahn abfloß, verbreitete &#x017F;ich in der ganzen Strecke zwi&#x017F;chen den Ku&#x0364;&#x017F;ten beyder<lb/>
Ko&#x0364;nigreiche, wo das Meer in die Unendlichkeit hinwallet; die ho&#x0364;here Gegend des<lb/>
Himmels ließ ihre bla&#x0364;uliche Farbe allma&#x0364;hlig in ein &#x017F;anftes Grau hinu&#x0364;ber&#x017F;chmelzen;<lb/>
und auf dem Wa&#x017F;&#x017F;er er&#x017F;chienen wech&#x017F;elnde Gema&#x0364;lde, worinn das Gelbe mit dem Ro-<lb/>
&#x017F;enfarbigen &#x017F;pielte. In dem Purpur am Horizont &#x017F;tanden unbeweglich die &#x017F;tolzen<lb/>
Segel einiger großen Schiffe; andre, mehr entfernt, waren halb in den Duft ver-<lb/>
&#x017F;chwunden. Das Abendgela&#x0364;ute in <hi rendition="#fr">Hel&#x017F;ingo&#x0364;r</hi> fieng an, durch die &#x017F;chweigende Ge-<lb/>
gend zu erto&#x0364;nen. Feyerlicher war nie die Natur zur Ruhe gegangen.</p><lb/>
          <p>Unter den Eindru&#x0364;cken &#x017F;olcher Scenen &#x017F;ucht der liebenswu&#x0364;rdige <hi rendition="#fr">Prinz,</hi> der jetzt<lb/>
die Hoffnung und ein&#x017F;t das Glu&#x0364;ck die&#x017F;er Reiche i&#x017F;t, Seine Empfindungen zu bilden,<lb/>
und die beyden er&#x017F;ten Gefu&#x0364;hle, welche die Seele der Ko&#x0364;nige adeln, das Gefu&#x0364;hl der<lb/>
Gro&#x0364;ße und das Gefu&#x0364;hl der Milde, in Seiner jungen Bru&#x017F;t zu beleben. <hi rendition="#fr">Juliana</hi><lb/>
an Seiner Seite winkt auf die&#x017F;e Scenen voll Bedeutung hin; und der ku&#x0364;nftige Herr-<lb/>
&#x017F;cher gelobt Ihrem Wink, gelobt, ein&#x017F;t groß und milde durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;eyn,<lb/>
wie Sie &#x017F;eyn wollte und ward, die zu &#x017F;eyn berechtigt i&#x017F;t, Lehrerinn der Ko&#x0364;nige<lb/>
durch Gei&#x017F;t und Bey&#x017F;piel.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">D d 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">IV.</hi> So-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0224] von Luſtſchloͤſſern. Von einer ſanftern Feyerlichkeit iſt in den heitern und ſtillen Abenden der Som- mermonate der Untergang der Sonne, von Marienluſt betrachtet. Indem ſie zur Linken uͤber die Waldungen des Ufers von Seeland dahin ſank, und den Weſt mit gluͤhendem Golde uͤberſtroͤmte; ſo ſtreute ſie ihren Abglanz uͤber die weiten Flaͤchen des Codanſchen Meerbuſens. Das Meer ruhete, um die feyerliche Pracht dieſer Scene vollenden zu helfen. Ein Strom von Purpur, der von dem Rande der Son- nenbahn abfloß, verbreitete ſich in der ganzen Strecke zwiſchen den Kuͤſten beyder Koͤnigreiche, wo das Meer in die Unendlichkeit hinwallet; die hoͤhere Gegend des Himmels ließ ihre blaͤuliche Farbe allmaͤhlig in ein ſanftes Grau hinuͤberſchmelzen; und auf dem Waſſer erſchienen wechſelnde Gemaͤlde, worinn das Gelbe mit dem Ro- ſenfarbigen ſpielte. In dem Purpur am Horizont ſtanden unbeweglich die ſtolzen Segel einiger großen Schiffe; andre, mehr entfernt, waren halb in den Duft ver- ſchwunden. Das Abendgelaͤute in Helſingoͤr fieng an, durch die ſchweigende Ge- gend zu ertoͤnen. Feyerlicher war nie die Natur zur Ruhe gegangen. Unter den Eindruͤcken ſolcher Scenen ſucht der liebenswuͤrdige Prinz, der jetzt die Hoffnung und einſt das Gluͤck dieſer Reiche iſt, Seine Empfindungen zu bilden, und die beyden erſten Gefuͤhle, welche die Seele der Koͤnige adeln, das Gefuͤhl der Groͤße und das Gefuͤhl der Milde, in Seiner jungen Bruſt zu beleben. Juliana an Seiner Seite winkt auf dieſe Scenen voll Bedeutung hin; und der kuͤnftige Herr- ſcher gelobt Ihrem Wink, gelobt, einſt groß und milde durch ſich ſelbſt zu ſeyn, wie Sie ſeyn wollte und ward, die zu ſeyn berechtigt iſt, Lehrerinn der Koͤnige durch Geiſt und Beyſpiel. IV. So- D d 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/224
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/224>, abgerufen am 25.04.2024.