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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Anhang. Beschreibungen


IV.
Sophienberg.
*)

Sophienberg hat eine Lage, als einem königlichen Lustschloß zukömmt. Es steht
frey auf einer Anhöhe, deren Fuß von den Wellen der Ostsee bespült wird;
die Abhänge des Hügels nach dem Wasser hinab sind in verschiedene Absätze zertheilt
und mit Rasenstücken verziert. Die weite Aussicht über das Meer und die Menge
der hin und her segelnden Schiffe, das Geräusch der Wellen, die langen Strecken der
fruchtbaren und bebaueten Küsten, die sich auf beyden Seiten des Schlosses verbreiten,
zur Linken mit einer ansehnlichen Bucht der See, mit Waldungen und Fischer-
wohnungen, füllen die Seele mit den Empfindungen der Größe und einer hohen
Wonne.

Der Meerprospect von diesem Lustschloß hat etwas Eigenthümliches. Die
Ostsee erscheint in ihrer ganzen gränzenlosen Ausdehnung. Denn die benachbarte
Meerenge des Oeresunds verbirgt sich in dieser Aussicht ganz zur Seite; und die
gegenüber liegenden Küsten von Schonen krümmen sich so sehr, daß sie in der Ferne
einem Meerbusen ähnlich scheinen. Die Schiffe, die aus der Nordsee oder dem
Codanschen Meerbusen (Cattegat) sich herum wenden, scheinen in der That wie
durch eine Zauberkunst sichtbar zu werden. Man sieht sie heraufkommen, als wenn
sie selbst aus der Tiefe des Meeres aufstiegen.

Die Menge von Schiffen aller Nationen, die aus dem Oeresund kommen
und dahin gehen, macht diese Gegend des Meeres ungemein belebt. Man sieht die
Segel auf allen Seiten den Wolken entgegenflattern; schwimmende Paläste wälzen
sich auf den blauen Wellen daher und verschwinden; jeder Augenblick stellt durch die
Verschiedenheit der Größe und der Bauart der Schiffe, durch ihre Annäherung und
Entfernung, durch die Abwechselung der Fahrt, die bald sanft dahingleitend, bald
fortfliegend ist, ein immer verändertes Schauspiel vor Augen. Das Schloß genießt
dieser erfreuenden Prospecte, deren Europa nur wenige hat, in der Nähe, indem
die meisten Schiffe, zur Sicherheit der Fahrt, diesseits der Insel Hween vorü-
bersegeln.

Das Lustschloß liegt gegen Morgen, und hat durch diese Lage zugleich alle die
großen Schauspiele vor Augen, welche die aus dem Meere aufgehende Sonne bildet.

Welche
*) Ein königliches Lustschloß am Ufer der Ostsee, zwo Meilen von Kopenhagen.
Anhang. Beſchreibungen


IV.
Sophienberg.
*)

Sophienberg hat eine Lage, als einem koͤniglichen Luſtſchloß zukoͤmmt. Es ſteht
frey auf einer Anhoͤhe, deren Fuß von den Wellen der Oſtſee beſpuͤlt wird;
die Abhaͤnge des Huͤgels nach dem Waſſer hinab ſind in verſchiedene Abſaͤtze zertheilt
und mit Raſenſtuͤcken verziert. Die weite Ausſicht uͤber das Meer und die Menge
der hin und her ſegelnden Schiffe, das Geraͤuſch der Wellen, die langen Strecken der
fruchtbaren und bebaueten Kuͤſten, die ſich auf beyden Seiten des Schloſſes verbreiten,
zur Linken mit einer anſehnlichen Bucht der See, mit Waldungen und Fiſcher-
wohnungen, fuͤllen die Seele mit den Empfindungen der Groͤße und einer hohen
Wonne.

Der Meerproſpect von dieſem Luſtſchloß hat etwas Eigenthuͤmliches. Die
Oſtſee erſcheint in ihrer ganzen graͤnzenloſen Ausdehnung. Denn die benachbarte
Meerenge des Oereſunds verbirgt ſich in dieſer Ausſicht ganz zur Seite; und die
gegenuͤber liegenden Kuͤſten von Schonen kruͤmmen ſich ſo ſehr, daß ſie in der Ferne
einem Meerbuſen aͤhnlich ſcheinen. Die Schiffe, die aus der Nordſee oder dem
Codanſchen Meerbuſen (Cattegat) ſich herum wenden, ſcheinen in der That wie
durch eine Zauberkunſt ſichtbar zu werden. Man ſieht ſie heraufkommen, als wenn
ſie ſelbſt aus der Tiefe des Meeres aufſtiegen.

Die Menge von Schiffen aller Nationen, die aus dem Oereſund kommen
und dahin gehen, macht dieſe Gegend des Meeres ungemein belebt. Man ſieht die
Segel auf allen Seiten den Wolken entgegenflattern; ſchwimmende Palaͤſte waͤlzen
ſich auf den blauen Wellen daher und verſchwinden; jeder Augenblick ſtellt durch die
Verſchiedenheit der Groͤße und der Bauart der Schiffe, durch ihre Annaͤherung und
Entfernung, durch die Abwechſelung der Fahrt, die bald ſanft dahingleitend, bald
fortfliegend iſt, ein immer veraͤndertes Schauſpiel vor Augen. Das Schloß genießt
dieſer erfreuenden Proſpecte, deren Europa nur wenige hat, in der Naͤhe, indem
die meiſten Schiffe, zur Sicherheit der Fahrt, dieſſeits der Inſel Hween voruͤ-
berſegeln.

Das Luſtſchloß liegt gegen Morgen, und hat durch dieſe Lage zugleich alle die
großen Schauſpiele vor Augen, welche die aus dem Meere aufgehende Sonne bildet.

Welche
*) Ein koͤnigliches Luſtſchloß am Ufer der Oſtſee, zwo Meilen von Kopenhagen.
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[214/0225] Anhang. Beſchreibungen IV. Sophienberg. *) Sophienberg hat eine Lage, als einem koͤniglichen Luſtſchloß zukoͤmmt. Es ſteht frey auf einer Anhoͤhe, deren Fuß von den Wellen der Oſtſee beſpuͤlt wird; die Abhaͤnge des Huͤgels nach dem Waſſer hinab ſind in verſchiedene Abſaͤtze zertheilt und mit Raſenſtuͤcken verziert. Die weite Ausſicht uͤber das Meer und die Menge der hin und her ſegelnden Schiffe, das Geraͤuſch der Wellen, die langen Strecken der fruchtbaren und bebaueten Kuͤſten, die ſich auf beyden Seiten des Schloſſes verbreiten, zur Linken mit einer anſehnlichen Bucht der See, mit Waldungen und Fiſcher- wohnungen, fuͤllen die Seele mit den Empfindungen der Groͤße und einer hohen Wonne. Der Meerproſpect von dieſem Luſtſchloß hat etwas Eigenthuͤmliches. Die Oſtſee erſcheint in ihrer ganzen graͤnzenloſen Ausdehnung. Denn die benachbarte Meerenge des Oereſunds verbirgt ſich in dieſer Ausſicht ganz zur Seite; und die gegenuͤber liegenden Kuͤſten von Schonen kruͤmmen ſich ſo ſehr, daß ſie in der Ferne einem Meerbuſen aͤhnlich ſcheinen. Die Schiffe, die aus der Nordſee oder dem Codanſchen Meerbuſen (Cattegat) ſich herum wenden, ſcheinen in der That wie durch eine Zauberkunſt ſichtbar zu werden. Man ſieht ſie heraufkommen, als wenn ſie ſelbſt aus der Tiefe des Meeres aufſtiegen. Die Menge von Schiffen aller Nationen, die aus dem Oereſund kommen und dahin gehen, macht dieſe Gegend des Meeres ungemein belebt. Man ſieht die Segel auf allen Seiten den Wolken entgegenflattern; ſchwimmende Palaͤſte waͤlzen ſich auf den blauen Wellen daher und verſchwinden; jeder Augenblick ſtellt durch die Verſchiedenheit der Groͤße und der Bauart der Schiffe, durch ihre Annaͤherung und Entfernung, durch die Abwechſelung der Fahrt, die bald ſanft dahingleitend, bald fortfliegend iſt, ein immer veraͤndertes Schauſpiel vor Augen. Das Schloß genießt dieſer erfreuenden Proſpecte, deren Europa nur wenige hat, in der Naͤhe, indem die meiſten Schiffe, zur Sicherheit der Fahrt, dieſſeits der Inſel Hween voruͤ- berſegeln. Das Luſtſchloß liegt gegen Morgen, und hat durch dieſe Lage zugleich alle die großen Schauſpiele vor Augen, welche die aus dem Meere aufgehende Sonne bildet. Welche *) Ein koͤnigliches Luſtſchloß am Ufer der Oſtſee, zwo Meilen von Kopenhagen.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/225>, abgerufen am 28.03.2024.