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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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von Landhäusern.


VI.
Beschreibung einiger Landsitze in Seeland;
besonders von Bernstorf.

Man kann keine schönere Natur sehen, als in Seeland. Das Auge wird von
Gegenden und Aussichten entzückt, die jedes Landschaftgemälde vollenden, und
nach den Vergnügungen des Landlebens eine heiße Sehnsucht entzünden. Fruchtbare
Felder, Wiesen, Anhöhen, Seen und Dörfer liegen mit Wäldern, die voll maleri-
scher Schönheiten sind, mit den herrlichsten Aussichten auf das schiffvolle Meer und
mit den Fischerwohnungen am Ufer, in einer reizenden Abwechselung vor Augen.

Die Natur hat hier Anlagen zu Gärten gebildet, die keine Kunst hervorbringt.
Die Ufer des Meeres bieten auf ihren Anhöhen, und in den Waldungen, womit sie
bekleidet sind, die trefflichsten Lagen an. Man sieht leicht Wälder von einem größern
Umfang, aber selten von der Schönheit, die den seeländischen eigen ist. Die Ei-
chen und Buchen, woraus sie bestehen, sind von dem schönsten Wuchs; das Laub-
werk hat eine vorzügliche Lebhaftigkeit und Dauer des Grüns. Die Wälder haben
reiche Grasplätze und eine unglaubliche Menge von Wild und mancherley Geflügel;
sie steigen auf Anhöhen, senken sich in Tiefen hinab, und enthüllen oft mitten in ih-
rem Schoos die anmuthigsten Seen und Teiche, in deren frischem Wasser alle Arten
von Fischen spielen. Auch aus den Ebenen glänzen dem Auge schöne Landseen entge-
gen. Diese natürlichen Vorzüge werden noch durch die gesunde, von den Winden
des Meers gereinigte, Luft erhöhet.

Wo die Natur schon solche Gärten oder solche gartenmäßige Anlagen schafft, da
erwacht bald der Trieb zum Genuß der Annehmlichkeiten des Landlebens. In der
That hat Seeland viele Gegenden mit Landhäusern bebauet, und diese Lagen sind
überaus glücklich gewählt. Der größte Theil der Landhäuser liegt am Meer. Man
kann sich keine Lustreise gedenken, die mehr heiter, mehr abwechselnd an reizenden
Auftritten wäre, als die Fahrt von Kopenhagen an dem Ufer der Ostsee hin nach
Helsingör; und ich wüßte keine andere, die hier um den Vorzug streiten dürfte, als
die entzückenden Ufer des Genfersees, wiewohl diese von einem andern Charakter sind.
Außer den Aussichten, welche das segelvolle Meer darstellt, hat man zur Linken diese
Menge von anmuthigen Landhäusern, bey welchen der Weg vorüber läuft. Sie sind
fast alle in einem guten, zum Theil angenehmen Geschmack gebauet, und ruhen zer-
streut an den Anhöhen umher, zwischen kleinen Gärten mit Blumen und Fruchtbäu-

men,
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von Landhaͤuſern.


VI.
Beſchreibung einiger Landſitze in Seeland;
beſonders von Bernstorf.

Man kann keine ſchoͤnere Natur ſehen, als in Seeland. Das Auge wird von
Gegenden und Ausſichten entzuͤckt, die jedes Landſchaftgemaͤlde vollenden, und
nach den Vergnuͤgungen des Landlebens eine heiße Sehnſucht entzuͤnden. Fruchtbare
Felder, Wieſen, Anhoͤhen, Seen und Doͤrfer liegen mit Waͤldern, die voll maleri-
ſcher Schoͤnheiten ſind, mit den herrlichſten Ausſichten auf das ſchiffvolle Meer und
mit den Fiſcherwohnungen am Ufer, in einer reizenden Abwechſelung vor Augen.

Die Natur hat hier Anlagen zu Gaͤrten gebildet, die keine Kunſt hervorbringt.
Die Ufer des Meeres bieten auf ihren Anhoͤhen, und in den Waldungen, womit ſie
bekleidet ſind, die trefflichſten Lagen an. Man ſieht leicht Waͤlder von einem groͤßern
Umfang, aber ſelten von der Schoͤnheit, die den ſeelaͤndiſchen eigen iſt. Die Ei-
chen und Buchen, woraus ſie beſtehen, ſind von dem ſchoͤnſten Wuchs; das Laub-
werk hat eine vorzuͤgliche Lebhaftigkeit und Dauer des Gruͤns. Die Waͤlder haben
reiche Grasplaͤtze und eine unglaubliche Menge von Wild und mancherley Gefluͤgel;
ſie ſteigen auf Anhoͤhen, ſenken ſich in Tiefen hinab, und enthuͤllen oft mitten in ih-
rem Schoos die anmuthigſten Seen und Teiche, in deren friſchem Waſſer alle Arten
von Fiſchen ſpielen. Auch aus den Ebenen glaͤnzen dem Auge ſchoͤne Landſeen entge-
gen. Dieſe natuͤrlichen Vorzuͤge werden noch durch die geſunde, von den Winden
des Meers gereinigte, Luft erhoͤhet.

Wo die Natur ſchon ſolche Gaͤrten oder ſolche gartenmaͤßige Anlagen ſchafft, da
erwacht bald der Trieb zum Genuß der Annehmlichkeiten des Landlebens. In der
That hat Seeland viele Gegenden mit Landhaͤuſern bebauet, und dieſe Lagen ſind
uͤberaus gluͤcklich gewaͤhlt. Der groͤßte Theil der Landhaͤuſer liegt am Meer. Man
kann ſich keine Luſtreiſe gedenken, die mehr heiter, mehr abwechſelnd an reizenden
Auftritten waͤre, als die Fahrt von Kopenhagen an dem Ufer der Oſtſee hin nach
Helſingoͤr; und ich wuͤßte keine andere, die hier um den Vorzug ſtreiten duͤrfte, als
die entzuͤckenden Ufer des Genferſees, wiewohl dieſe von einem andern Charakter ſind.
Außer den Ausſichten, welche das ſegelvolle Meer darſtellt, hat man zur Linken dieſe
Menge von anmuthigen Landhaͤuſern, bey welchen der Weg voruͤber laͤuft. Sie ſind
faſt alle in einem guten, zum Theil angenehmen Geſchmack gebauet, und ruhen zer-
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[219/0230] von Landhaͤuſern. VI. Beſchreibung einiger Landſitze in Seeland; beſonders von Bernstorf. Man kann keine ſchoͤnere Natur ſehen, als in Seeland. Das Auge wird von Gegenden und Ausſichten entzuͤckt, die jedes Landſchaftgemaͤlde vollenden, und nach den Vergnuͤgungen des Landlebens eine heiße Sehnſucht entzuͤnden. Fruchtbare Felder, Wieſen, Anhoͤhen, Seen und Doͤrfer liegen mit Waͤldern, die voll maleri- ſcher Schoͤnheiten ſind, mit den herrlichſten Ausſichten auf das ſchiffvolle Meer und mit den Fiſcherwohnungen am Ufer, in einer reizenden Abwechſelung vor Augen. Die Natur hat hier Anlagen zu Gaͤrten gebildet, die keine Kunſt hervorbringt. Die Ufer des Meeres bieten auf ihren Anhoͤhen, und in den Waldungen, womit ſie bekleidet ſind, die trefflichſten Lagen an. Man ſieht leicht Waͤlder von einem groͤßern Umfang, aber ſelten von der Schoͤnheit, die den ſeelaͤndiſchen eigen iſt. Die Ei- chen und Buchen, woraus ſie beſtehen, ſind von dem ſchoͤnſten Wuchs; das Laub- werk hat eine vorzuͤgliche Lebhaftigkeit und Dauer des Gruͤns. Die Waͤlder haben reiche Grasplaͤtze und eine unglaubliche Menge von Wild und mancherley Gefluͤgel; ſie ſteigen auf Anhoͤhen, ſenken ſich in Tiefen hinab, und enthuͤllen oft mitten in ih- rem Schoos die anmuthigſten Seen und Teiche, in deren friſchem Waſſer alle Arten von Fiſchen ſpielen. Auch aus den Ebenen glaͤnzen dem Auge ſchoͤne Landſeen entge- gen. Dieſe natuͤrlichen Vorzuͤge werden noch durch die geſunde, von den Winden des Meers gereinigte, Luft erhoͤhet. Wo die Natur ſchon ſolche Gaͤrten oder ſolche gartenmaͤßige Anlagen ſchafft, da erwacht bald der Trieb zum Genuß der Annehmlichkeiten des Landlebens. In der That hat Seeland viele Gegenden mit Landhaͤuſern bebauet, und dieſe Lagen ſind uͤberaus gluͤcklich gewaͤhlt. Der groͤßte Theil der Landhaͤuſer liegt am Meer. Man kann ſich keine Luſtreiſe gedenken, die mehr heiter, mehr abwechſelnd an reizenden Auftritten waͤre, als die Fahrt von Kopenhagen an dem Ufer der Oſtſee hin nach Helſingoͤr; und ich wuͤßte keine andere, die hier um den Vorzug ſtreiten duͤrfte, als die entzuͤckenden Ufer des Genferſees, wiewohl dieſe von einem andern Charakter ſind. Außer den Ausſichten, welche das ſegelvolle Meer darſtellt, hat man zur Linken dieſe Menge von anmuthigen Landhaͤuſern, bey welchen der Weg voruͤber laͤuft. Sie ſind faſt alle in einem guten, zum Theil angenehmen Geſchmack gebauet, und ruhen zer- ſtreut an den Anhoͤhen umher, zwiſchen kleinen Gaͤrten mit Blumen und Fruchtbaͤu- men, E e 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/230>, abgerufen am 23.04.2024.