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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Dritter Abschnitt. Von Tempeln, Grotten,


Dritter Abschnitt.
Von Tempeln, Grotten, Einsiedeleyen, Capellen
und Ruinen.
I.
Tempel.
1.

Die Tempel in den heutigen Gärten sind Werke der Nachahmung. Wir müssen
daher zuerst sehen, wie sie im Alterthum eingerichtet waren, so weit es zu un-
serer Absicht nöthig ist.

Die Tempel der Alten waren entweder ins Gevierte gebauet, und zwar so, daß
ihre Länge gemeiniglich zweymal so viel, als ihre Breite, betrug; oder sie waren runde
Gebäude mit einem Gewölbe oder Kupel. Die Tempel der ersten Form waren vor-
nehmlich bey den Griechen gebräuchlich, obgleich auch von der andern bey ihnen Bey-
spiele angetroffen wurden. Die Römer liebten am meisten die runden Tempel.
Sie hatten zuweilen dazu einen allegorischen Grund, z. B. bey der Sonne, deren
Runde dadurch angedeutet ward.

Die Säulenordnungen, worauf die Tempel ruhten, gaben ihnen nicht allein
Festigkeit, sondern auch ein edles Ansehen. Weil eine, zuweilen mehrere, Außen-
seiten dieser Gebäude mit einem Vordache versehen waren, das durch Säulen getra-
gen ward; so konnten diese nicht entbehrt werden. Einige Tempel der Griechen
hatten nur an der Vorderseite eine mit einem Vordach bedeckte Halle; und diese be-
stand bald aus vier, bald aus sechs Säulen. Zuweilen hatte zugleich die hintere
Seite einen Eingang mit einer Halle. Andre Tempel waren auf allen vier Seiten
mit Säulen umgeben, die ein um das ganze Gebäude laufendes Vordach unterstütz-
ten. Man führte, zur Vergrößerung des Ansehens, zuweilen zwo Reihen Säulen
um den ganzen Tempel herum.

Diese Säulenlauben wurden von den Griechen, und nachher von den Römern
so sehr geliebt, daß sie nicht allein bey ihren öffentlichen Gebäuden, sondern auch bey
vielen Privathäusern sie anbrachten, sowohl der Schönheit, als auch des Nutzens
wegen. Sie dienten, wenn sie bedeckt waren, zur Beschirmung gegen Regen und
gegen Sonnenstrahl. Im Winter erwärmte man sich in den Hallen, die gegen
Mittag angelegt waren. Man fand unter ihnen einen bequemen Spaziergang und
einen Ort sowohl zur Berathschlagung und zu Geschäften, als auch zu freundschaftlichen

Unter-
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,


Dritter Abſchnitt.
Von Tempeln, Grotten, Einſiedeleyen, Capellen
und Ruinen.
I.
Tempel.
1.

Die Tempel in den heutigen Gaͤrten ſind Werke der Nachahmung. Wir muͤſſen
daher zuerſt ſehen, wie ſie im Alterthum eingerichtet waren, ſo weit es zu un-
ſerer Abſicht noͤthig iſt.

Die Tempel der Alten waren entweder ins Gevierte gebauet, und zwar ſo, daß
ihre Laͤnge gemeiniglich zweymal ſo viel, als ihre Breite, betrug; oder ſie waren runde
Gebaͤude mit einem Gewoͤlbe oder Kupel. Die Tempel der erſten Form waren vor-
nehmlich bey den Griechen gebraͤuchlich, obgleich auch von der andern bey ihnen Bey-
ſpiele angetroffen wurden. Die Roͤmer liebten am meiſten die runden Tempel.
Sie hatten zuweilen dazu einen allegoriſchen Grund, z. B. bey der Sonne, deren
Runde dadurch angedeutet ward.

Die Saͤulenordnungen, worauf die Tempel ruhten, gaben ihnen nicht allein
Feſtigkeit, ſondern auch ein edles Anſehen. Weil eine, zuweilen mehrere, Außen-
ſeiten dieſer Gebaͤude mit einem Vordache verſehen waren, das durch Saͤulen getra-
gen ward; ſo konnten dieſe nicht entbehrt werden. Einige Tempel der Griechen
hatten nur an der Vorderſeite eine mit einem Vordach bedeckte Halle; und dieſe be-
ſtand bald aus vier, bald aus ſechs Saͤulen. Zuweilen hatte zugleich die hintere
Seite einen Eingang mit einer Halle. Andre Tempel waren auf allen vier Seiten
mit Saͤulen umgeben, die ein um das ganze Gebaͤude laufendes Vordach unterſtuͤtz-
ten. Man fuͤhrte, zur Vergroͤßerung des Anſehens, zuweilen zwo Reihen Saͤulen
um den ganzen Tempel herum.

Dieſe Saͤulenlauben wurden von den Griechen, und nachher von den Roͤmern
ſo ſehr geliebt, daß ſie nicht allein bey ihren oͤffentlichen Gebaͤuden, ſondern auch bey
vielen Privathaͤuſern ſie anbrachten, ſowohl der Schoͤnheit, als auch des Nutzens
wegen. Sie dienten, wenn ſie bedeckt waren, zur Beſchirmung gegen Regen und
gegen Sonnenſtrahl. Im Winter erwaͤrmte man ſich in den Hallen, die gegen
Mittag angelegt waren. Man fand unter ihnen einen bequemen Spaziergang und
einen Ort ſowohl zur Berathſchlagung und zu Geſchaͤften, als auch zu freundſchaftlichen

Unter-
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[58/0062] Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. I. Tempel. 1. Die Tempel in den heutigen Gaͤrten ſind Werke der Nachahmung. Wir muͤſſen daher zuerſt ſehen, wie ſie im Alterthum eingerichtet waren, ſo weit es zu un- ſerer Abſicht noͤthig iſt. Die Tempel der Alten waren entweder ins Gevierte gebauet, und zwar ſo, daß ihre Laͤnge gemeiniglich zweymal ſo viel, als ihre Breite, betrug; oder ſie waren runde Gebaͤude mit einem Gewoͤlbe oder Kupel. Die Tempel der erſten Form waren vor- nehmlich bey den Griechen gebraͤuchlich, obgleich auch von der andern bey ihnen Bey- ſpiele angetroffen wurden. Die Roͤmer liebten am meiſten die runden Tempel. Sie hatten zuweilen dazu einen allegoriſchen Grund, z. B. bey der Sonne, deren Runde dadurch angedeutet ward. Die Saͤulenordnungen, worauf die Tempel ruhten, gaben ihnen nicht allein Feſtigkeit, ſondern auch ein edles Anſehen. Weil eine, zuweilen mehrere, Außen- ſeiten dieſer Gebaͤude mit einem Vordache verſehen waren, das durch Saͤulen getra- gen ward; ſo konnten dieſe nicht entbehrt werden. Einige Tempel der Griechen hatten nur an der Vorderſeite eine mit einem Vordach bedeckte Halle; und dieſe be- ſtand bald aus vier, bald aus ſechs Saͤulen. Zuweilen hatte zugleich die hintere Seite einen Eingang mit einer Halle. Andre Tempel waren auf allen vier Seiten mit Saͤulen umgeben, die ein um das ganze Gebaͤude laufendes Vordach unterſtuͤtz- ten. Man fuͤhrte, zur Vergroͤßerung des Anſehens, zuweilen zwo Reihen Saͤulen um den ganzen Tempel herum. Dieſe Saͤulenlauben wurden von den Griechen, und nachher von den Roͤmern ſo ſehr geliebt, daß ſie nicht allein bey ihren oͤffentlichen Gebaͤuden, ſondern auch bey vielen Privathaͤuſern ſie anbrachten, ſowohl der Schoͤnheit, als auch des Nutzens wegen. Sie dienten, wenn ſie bedeckt waren, zur Beſchirmung gegen Regen und gegen Sonnenſtrahl. Im Winter erwaͤrmte man ſich in den Hallen, die gegen Mittag angelegt waren. Man fand unter ihnen einen bequemen Spaziergang und einen Ort ſowohl zur Berathſchlagung und zu Geſchaͤften, als auch zu freundſchaftlichen Unter-

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/62>, abgerufen am 29.03.2024.