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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Einsiedeleyen, Capellen und Ruinen.
2.

Schon die Römer führten Tempel in ihre Gärten ein. In den sallustischen
Gärten war der Venus, und in den Gärten des aventinischen Berges dem Silvan
ein Tempel gewidmet. Dieser Gebrauch ist ohne Zweifel in den spätern Zeiten ge-
meiner geworden, als die Liebe zur Pracht bis zur Ausschweifung stieg, und die Gar-
tenplätze mit allen Arten von Gebäuden überfüllte.

Unter den neuern Nationen sind es die Britten, die Gebäude in Form der
Tempel des Alterthums zuerst in die Gärten wieder eingeführt haben. Als der neue
Geschmack sich zu verbreiten anfieng, dachte man auf Erfindungen, wodurch den Na-
turplätzen ein mehr edles Ansehen, als durch die gewöhnlichen Lusthäuser, mitgetheilt
werden könnte. Und man mußte bey dieser Absicht bald auf die Nachahmung der
Tempel fallen, da um eben diese Zeit, durch die Reisen der Kunstkenner nach Grie-
chenland
und dem übrigen Orient, aus den Ruinen des Alterthums ein hellerer Tag
hervorzubrechen anfieng, der die Geister nicht aufklären konnte, ohne sie zugleich mit
Bewunderung zu erfüllen.

Man hat in verschiedenen engländischen Parks Tempel nach der Bauart der
Alten aufgestellt. Keine aber sind bis jetzt von dieser Seite berühmter, als die Gär-
ten zu Stowe und zu Kew. Wir wollen die wichtigsten von ihnen etwas näher
betrachten, ohne zugleich auf die Menge der übrigen Gebäude, womit sie angefüllt
sind, Rücksicht zu nehmen. Beyde haben etwas Eigenthümliches. Die Tempel zu
Kew zeichnen sich, nach der Architektur betrachtet, durch eine höhere Schönheit aus;
zu Stowe sind sie mit reichen und wohl bearbeiteten Scenen mehr verbunden.

a.
Tempel zu Stowe.
[Spaltenumbruch] *)

Der ganze weite Raum, der den Garten zu Stowe umfaßt, ist in eine große
Menge von Auftritten vertheilt, wovon jeder von Geschmack und Erfindungskraft
zeugt.

Unter den Tempeln erscheint zuerst eine offene ionische Rotunde **) auf einem
kleinen von allen Nebenumständen gänzlich abgesonderten Hügel. Ihre Lage ver-

spricht
*) Stowe liegt in Bukinghamshire,
60 engl. Meilen von London, und andert-
halb Meilen von Bukingham. Man kann
hier die Manier des berühmten Kent sehen,
welcher der wahre Schöpfer dieses Gartens
ist. -- Uebrigens habe ich mich bey der
[Spaltenumbruch] folgenden Beschreibung mehrerer Quellen
bedient, und eigene Bemerkungen unter-
gestreut; doch bey den Scenen besonders
die schöne Schilderung des Hrn. Whately
zum Grunde gelegt.
**) S. 1ster B. S. 189.
H 3
Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
2.

Schon die Roͤmer fuͤhrten Tempel in ihre Gaͤrten ein. In den ſalluſtiſchen
Gaͤrten war der Venus, und in den Gaͤrten des aventiniſchen Berges dem Silvan
ein Tempel gewidmet. Dieſer Gebrauch iſt ohne Zweifel in den ſpaͤtern Zeiten ge-
meiner geworden, als die Liebe zur Pracht bis zur Ausſchweifung ſtieg, und die Gar-
tenplaͤtze mit allen Arten von Gebaͤuden uͤberfuͤllte.

Unter den neuern Nationen ſind es die Britten, die Gebaͤude in Form der
Tempel des Alterthums zuerſt in die Gaͤrten wieder eingefuͤhrt haben. Als der neue
Geſchmack ſich zu verbreiten anfieng, dachte man auf Erfindungen, wodurch den Na-
turplaͤtzen ein mehr edles Anſehen, als durch die gewoͤhnlichen Luſthaͤuſer, mitgetheilt
werden koͤnnte. Und man mußte bey dieſer Abſicht bald auf die Nachahmung der
Tempel fallen, da um eben dieſe Zeit, durch die Reiſen der Kunſtkenner nach Grie-
chenland
und dem uͤbrigen Orient, aus den Ruinen des Alterthums ein hellerer Tag
hervorzubrechen anfieng, der die Geiſter nicht aufklaͤren konnte, ohne ſie zugleich mit
Bewunderung zu erfuͤllen.

Man hat in verſchiedenen englaͤndiſchen Parks Tempel nach der Bauart der
Alten aufgeſtellt. Keine aber ſind bis jetzt von dieſer Seite beruͤhmter, als die Gaͤr-
ten zu Stowe und zu Kew. Wir wollen die wichtigſten von ihnen etwas naͤher
betrachten, ohne zugleich auf die Menge der uͤbrigen Gebaͤude, womit ſie angefuͤllt
ſind, Ruͤckſicht zu nehmen. Beyde haben etwas Eigenthuͤmliches. Die Tempel zu
Kew zeichnen ſich, nach der Architektur betrachtet, durch eine hoͤhere Schoͤnheit aus;
zu Stowe ſind ſie mit reichen und wohl bearbeiteten Scenen mehr verbunden.

a.
Tempel zu Stowe.
[Spaltenumbruch] *)

Der ganze weite Raum, der den Garten zu Stowe umfaßt, iſt in eine große
Menge von Auftritten vertheilt, wovon jeder von Geſchmack und Erfindungskraft
zeugt.

Unter den Tempeln erſcheint zuerſt eine offene ioniſche Rotunde **) auf einem
kleinen von allen Nebenumſtaͤnden gaͤnzlich abgeſonderten Huͤgel. Ihre Lage ver-

ſpricht
*) Stowe liegt in Bukinghamſhire,
60 engl. Meilen von London, und andert-
halb Meilen von Bukingham. Man kann
hier die Manier des beruͤhmten Kent ſehen,
welcher der wahre Schoͤpfer dieſes Gartens
iſt. — Uebrigens habe ich mich bey der
[Spaltenumbruch] folgenden Beſchreibung mehrerer Quellen
bedient, und eigene Bemerkungen unter-
geſtreut; doch bey den Scenen beſonders
die ſchoͤne Schilderung des Hrn. Whately
zum Grunde gelegt.
**) S. 1ſter B. S. 189.
H 3
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[61/0065] Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. 2. Schon die Roͤmer fuͤhrten Tempel in ihre Gaͤrten ein. In den ſalluſtiſchen Gaͤrten war der Venus, und in den Gaͤrten des aventiniſchen Berges dem Silvan ein Tempel gewidmet. Dieſer Gebrauch iſt ohne Zweifel in den ſpaͤtern Zeiten ge- meiner geworden, als die Liebe zur Pracht bis zur Ausſchweifung ſtieg, und die Gar- tenplaͤtze mit allen Arten von Gebaͤuden uͤberfuͤllte. Unter den neuern Nationen ſind es die Britten, die Gebaͤude in Form der Tempel des Alterthums zuerſt in die Gaͤrten wieder eingefuͤhrt haben. Als der neue Geſchmack ſich zu verbreiten anfieng, dachte man auf Erfindungen, wodurch den Na- turplaͤtzen ein mehr edles Anſehen, als durch die gewoͤhnlichen Luſthaͤuſer, mitgetheilt werden koͤnnte. Und man mußte bey dieſer Abſicht bald auf die Nachahmung der Tempel fallen, da um eben dieſe Zeit, durch die Reiſen der Kunſtkenner nach Grie- chenland und dem uͤbrigen Orient, aus den Ruinen des Alterthums ein hellerer Tag hervorzubrechen anfieng, der die Geiſter nicht aufklaͤren konnte, ohne ſie zugleich mit Bewunderung zu erfuͤllen. Man hat in verſchiedenen englaͤndiſchen Parks Tempel nach der Bauart der Alten aufgeſtellt. Keine aber ſind bis jetzt von dieſer Seite beruͤhmter, als die Gaͤr- ten zu Stowe und zu Kew. Wir wollen die wichtigſten von ihnen etwas naͤher betrachten, ohne zugleich auf die Menge der uͤbrigen Gebaͤude, womit ſie angefuͤllt ſind, Ruͤckſicht zu nehmen. Beyde haben etwas Eigenthuͤmliches. Die Tempel zu Kew zeichnen ſich, nach der Architektur betrachtet, durch eine hoͤhere Schoͤnheit aus; zu Stowe ſind ſie mit reichen und wohl bearbeiteten Scenen mehr verbunden. a. Tempel zu Stowe. *) Der ganze weite Raum, der den Garten zu Stowe umfaßt, iſt in eine große Menge von Auftritten vertheilt, wovon jeder von Geſchmack und Erfindungskraft zeugt. Unter den Tempeln erſcheint zuerſt eine offene ioniſche Rotunde **) auf einem kleinen von allen Nebenumſtaͤnden gaͤnzlich abgeſonderten Huͤgel. Ihre Lage ver- ſpricht *) Stowe liegt in Bukinghamſhire, 60 engl. Meilen von London, und andert- halb Meilen von Bukingham. Man kann hier die Manier des beruͤhmten Kent ſehen, welcher der wahre Schoͤpfer dieſes Gartens iſt. — Uebrigens habe ich mich bey der folgenden Beſchreibung mehrerer Quellen bedient, und eigene Bemerkungen unter- geſtreut; doch bey den Scenen beſonders die ſchoͤne Schilderung des Hrn. Whately zum Grunde gelegt. **) S. 1ſter B. S. 189. H 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/65>, abgerufen am 24.04.2024.