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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Dritter Abschnitt. Gärten
diesem Spatziergange, welcher über die Höhe der ganzen Insel der Länge nach durch-
geht, findet man auf einem ebenen beraseten Platze ein achteckigtes Sommerhaus,
welches von großen Eichen umschattet ist, und denen zum Schirm dient, die auf die-
sem Spatziergange Schatten und Ruhe suchen. Diese Insel verschafft in einem Um-
fange, der klein genug ist, um nur einem einzigen Besitzer zuzugehören, und groß ge-
nug, um eine zahlreiche Familie zu erhalten, und die darneben nicht, wie viele kleine
Inseln, das Ansehen eines Gefängnisses hat, beynahe durch sich selbst die nützlichsten
und mannigfaltigsten Producte, Korn, Wein, Obst, Futter, Holz und Fische; man
findet daselbst einsame melancholische Plätze, ruhige und angenehme Lagen, und hin-
wiederum andere, die reich und prächtig sind. Kein Ort ist fähiger, im neuern Ge-
schmacke der Gartenkunst verziert zu werden; die Kunst müßte sich aber dabey sorg-
fältig verstecken, um nicht ein Werk zu verderben, das beynahe schon vollkommen aus
den Händen der Natur gekommen ist. Diese Insel, wovon Herr von Saussüre
diese getreue Abbildung giebt, wird zur Zeit der Weinlese an einigen hinter einander
folgenden Sonntagen von einer Menge von Menschen aus der umliegenden Nachbar-
schaft besucht, die sich hier den Tag über mit Schmaus, Musik, Tanz und Liebe er-
götzen. Gegen Mittag kommen von allen Seiten Gesellschaften in Fahrzeugen voll
Freude und Musik angerudert. Nichts aber ist reizender, als die Zurückfahrt aller
dieser fröhlichen Böte am Abend, unter dem Silberschein des Mondlichts, das hier in
hellen Streifen sich mit den Fluten verlängert, dort im Spiel der leichten Wellen hü-
pfend nachfolgt, hier in sanfter Klarheit sich weit umher verbreitet, und dort von dem
düstern Schatten der Gebirge begränzt wird; ich habe fast nie mit mehr Vergnügen
eine romantische Abendscene im Mondschein gesehen.

Generalif in Spanien.*)

Generalif, ein noch übriges maurisches Gebäude, das ein Haus des Ver-
gnügens und der Liebe war, hat die angenehmste und malerischeste Lage von allen Ge-
genden um Grenada. Es liegt auf einem sehr hohen Berge, und ist von allen Sei-
ten mit rieselndem Wasser umgeben, das sich in Bächen sammelt und die schönsten
Wasserfälle in den Höfen, Sälen und Gärten dieses antiken Palastes macht. Diese
Gärten sind wie Amphitheater, und viele Bäume von ehrwürdigem Alter geben noch
Christen den Schatten, den sie ehemals den Ungläubigen gaben. Ich setzte mich,
sagt dieser Reisende, zu den Füßen zweyer Cypressen, deren Runzeln, weiße Farbe
und Höhe bezeugten, daß sie manches Jahrhundert gelebt hatten. Man nennt sie

noch
*) Essais sur l'Espagne. Voyage fait en 1777 et 1778 u. f. par M. P. Geneve 1780.

Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
dieſem Spatziergange, welcher uͤber die Hoͤhe der ganzen Inſel der Laͤnge nach durch-
geht, findet man auf einem ebenen beraſeten Platze ein achteckigtes Sommerhaus,
welches von großen Eichen umſchattet iſt, und denen zum Schirm dient, die auf die-
ſem Spatziergange Schatten und Ruhe ſuchen. Dieſe Inſel verſchafft in einem Um-
fange, der klein genug iſt, um nur einem einzigen Beſitzer zuzugehoͤren, und groß ge-
nug, um eine zahlreiche Familie zu erhalten, und die darneben nicht, wie viele kleine
Inſeln, das Anſehen eines Gefaͤngniſſes hat, beynahe durch ſich ſelbſt die nuͤtzlichſten
und mannigfaltigſten Producte, Korn, Wein, Obſt, Futter, Holz und Fiſche; man
findet daſelbſt einſame melancholiſche Plaͤtze, ruhige und angenehme Lagen, und hin-
wiederum andere, die reich und praͤchtig ſind. Kein Ort iſt faͤhiger, im neuern Ge-
ſchmacke der Gartenkunſt verziert zu werden; die Kunſt muͤßte ſich aber dabey ſorg-
faͤltig verſtecken, um nicht ein Werk zu verderben, das beynahe ſchon vollkommen aus
den Haͤnden der Natur gekommen iſt. Dieſe Inſel, wovon Herr von Sauſſuͤre
dieſe getreue Abbildung giebt, wird zur Zeit der Weinleſe an einigen hinter einander
folgenden Sonntagen von einer Menge von Menſchen aus der umliegenden Nachbar-
ſchaft beſucht, die ſich hier den Tag uͤber mit Schmaus, Muſik, Tanz und Liebe er-
goͤtzen. Gegen Mittag kommen von allen Seiten Geſellſchaften in Fahrzeugen voll
Freude und Muſik angerudert. Nichts aber iſt reizender, als die Zuruͤckfahrt aller
dieſer froͤhlichen Boͤte am Abend, unter dem Silberſchein des Mondlichts, das hier in
hellen Streifen ſich mit den Fluten verlaͤngert, dort im Spiel der leichten Wellen huͤ-
pfend nachfolgt, hier in ſanfter Klarheit ſich weit umher verbreitet, und dort von dem
duͤſtern Schatten der Gebirge begraͤnzt wird; ich habe faſt nie mit mehr Vergnuͤgen
eine romantiſche Abendſcene im Mondſchein geſehen.

Generalif in Spanien.*)

Generalif, ein noch uͤbriges mauriſches Gebaͤude, das ein Haus des Ver-
gnuͤgens und der Liebe war, hat die angenehmſte und maleriſcheſte Lage von allen Ge-
genden um Grenada. Es liegt auf einem ſehr hohen Berge, und iſt von allen Sei-
ten mit rieſelndem Waſſer umgeben, das ſich in Baͤchen ſammelt und die ſchoͤnſten
Waſſerfaͤlle in den Hoͤfen, Saͤlen und Gaͤrten dieſes antiken Palaſtes macht. Dieſe
Gaͤrten ſind wie Amphitheater, und viele Baͤume von ehrwuͤrdigem Alter geben noch
Chriſten den Schatten, den ſie ehemals den Unglaͤubigen gaben. Ich ſetzte mich,
ſagt dieſer Reiſende, zu den Fuͤßen zweyer Cypreſſen, deren Runzeln, weiße Farbe
und Hoͤhe bezeugten, daß ſie manches Jahrhundert gelebt hatten. Man nennt ſie

noch
*) Eſſais ſur l’Eſpagne. Voyage fait en 1777 et 1778 u. f. par M. P. Geneve 1780.
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[104/0108] Dritter Abſchnitt. Gaͤrten dieſem Spatziergange, welcher uͤber die Hoͤhe der ganzen Inſel der Laͤnge nach durch- geht, findet man auf einem ebenen beraſeten Platze ein achteckigtes Sommerhaus, welches von großen Eichen umſchattet iſt, und denen zum Schirm dient, die auf die- ſem Spatziergange Schatten und Ruhe ſuchen. Dieſe Inſel verſchafft in einem Um- fange, der klein genug iſt, um nur einem einzigen Beſitzer zuzugehoͤren, und groß ge- nug, um eine zahlreiche Familie zu erhalten, und die darneben nicht, wie viele kleine Inſeln, das Anſehen eines Gefaͤngniſſes hat, beynahe durch ſich ſelbſt die nuͤtzlichſten und mannigfaltigſten Producte, Korn, Wein, Obſt, Futter, Holz und Fiſche; man findet daſelbſt einſame melancholiſche Plaͤtze, ruhige und angenehme Lagen, und hin- wiederum andere, die reich und praͤchtig ſind. Kein Ort iſt faͤhiger, im neuern Ge- ſchmacke der Gartenkunſt verziert zu werden; die Kunſt muͤßte ſich aber dabey ſorg- faͤltig verſtecken, um nicht ein Werk zu verderben, das beynahe ſchon vollkommen aus den Haͤnden der Natur gekommen iſt. Dieſe Inſel, wovon Herr von Sauſſuͤre dieſe getreue Abbildung giebt, wird zur Zeit der Weinleſe an einigen hinter einander folgenden Sonntagen von einer Menge von Menſchen aus der umliegenden Nachbar- ſchaft beſucht, die ſich hier den Tag uͤber mit Schmaus, Muſik, Tanz und Liebe er- goͤtzen. Gegen Mittag kommen von allen Seiten Geſellſchaften in Fahrzeugen voll Freude und Muſik angerudert. Nichts aber iſt reizender, als die Zuruͤckfahrt aller dieſer froͤhlichen Boͤte am Abend, unter dem Silberſchein des Mondlichts, das hier in hellen Streifen ſich mit den Fluten verlaͤngert, dort im Spiel der leichten Wellen huͤ- pfend nachfolgt, hier in ſanfter Klarheit ſich weit umher verbreitet, und dort von dem duͤſtern Schatten der Gebirge begraͤnzt wird; ich habe faſt nie mit mehr Vergnuͤgen eine romantiſche Abendſcene im Mondſchein geſehen. Generalif in Spanien. *) Generalif, ein noch uͤbriges mauriſches Gebaͤude, das ein Haus des Ver- gnuͤgens und der Liebe war, hat die angenehmſte und maleriſcheſte Lage von allen Ge- genden um Grenada. Es liegt auf einem ſehr hohen Berge, und iſt von allen Sei- ten mit rieſelndem Waſſer umgeben, das ſich in Baͤchen ſammelt und die ſchoͤnſten Waſſerfaͤlle in den Hoͤfen, Saͤlen und Gaͤrten dieſes antiken Palaſtes macht. Dieſe Gaͤrten ſind wie Amphitheater, und viele Baͤume von ehrwuͤrdigem Alter geben noch Chriſten den Schatten, den ſie ehemals den Unglaͤubigen gaben. Ich ſetzte mich, ſagt dieſer Reiſende, zu den Fuͤßen zweyer Cypreſſen, deren Runzeln, weiße Farbe und Hoͤhe bezeugten, daß ſie manches Jahrhundert gelebt hatten. Man nennt ſie noch *) Eſſais ſur l’Eſpagne. Voyage fait en 1777 et 1778 u. f. par M. P. Geneve 1780.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/108>, abgerufen am 19.04.2024.