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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Dritter Abschnitt. Gärten
bestand hier darinn, daß man die Anlage der Natur nicht zerstörte, nicht umzuschaffen
strebte, sondern sie annahm, wie sie angeboten ward, und sie nur durch einigen Bey-
stand der Kunst, so viel sie bey diesem Charakter vermag, zu unterstützen suchte.
Man sehe die hier folgenden Beschreibungen.

Ilam.*)

Ungefähr drey Meilen von Akeover liegt Ilam, der Sitz des Ritters Port.
Einen romantischern Garten wird man nicht leicht in England finden. Ein schma-
les Thal ist von hohen oder vielmehr steilen und mit Waldung bedeckten Hügeln um-
geben, welche ein vollkommenes Amphitheater ausmachen. Ein reißender Strom
schießt auf einer Seite am Fuß derselben fort, und an der andern ist ein Gang, von
dem man den ganzen Umfang übersieht. Einen edlern Anblick von einer Waldung,
die von einem steilen Felsen gleichsam herabhängt, kann man sich nicht denken. Beym
Eingange des Thales führet der Weg einen Steinfelsen hinan, von dem man an eini-
gen Stellen in den Fluß hinabsieht, an andern aber nur sein Getöse, wie er über Fel-
sen rauschet, höret. Am Ende des Thals trifft man an der Wasserseite eine Bank
an, von der man das Ganze übersieht. Der Eingang scheint von hier verschlossen
zu seyn, weil man gegen einen entfernten Berg von regelmäßiger Form eines abge-
kürzten Kegels sieht. Die über den Fluß geschlagene Brücke schadet dem Prospect
beynahe, weil sie gegen den prächtigen Anblick des großen Waldes und gegenüber lie-
genden Berges zu klein ausfällt. Es sollte entweder gar keine Brücke da seyn, oder
sie sollte aus einem einzigen kühnen Bogen bestehen, um mit dem Uebrigen dieser
prächtigen Scene übereinzustimmen. Unter dem Felsen im Garten entspringen zwey
Flüsse; der eine davon ist der Hamps, und der andre der Manifold, welcher sieben
Meilen unter der Erde fortläuft. Wenn man zu Wetton Spreu hineinwirft, so
kömmt sie hier als aus einer starken Quelle wieder hervor, und fällt nicht weit von hier
in die Dove.

Cocken.**)

Cocken hat den Vortheil eines angenehmen Flusses, der an einigen Stellen
schnell, an andern sanft fließt, und dessen Ufer bald mit steilen Felsen, bald mit über-

hängenden
*) [Spaltenumbruch] Youngs Reise durch die östlichen
Provinzen von England, 4ter Br.
**) Aus Youngs Reisen durch die nörd-
[Spaltenumbruch] lichen Provinzen von England, 15ter Br.
Cocken liegt zwischen Durham und New-
kastle, und gehört dem Hrn. Carr, Esq.

Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
beſtand hier darinn, daß man die Anlage der Natur nicht zerſtoͤrte, nicht umzuſchaffen
ſtrebte, ſondern ſie annahm, wie ſie angeboten ward, und ſie nur durch einigen Bey-
ſtand der Kunſt, ſo viel ſie bey dieſem Charakter vermag, zu unterſtuͤtzen ſuchte.
Man ſehe die hier folgenden Beſchreibungen.

Ilam.*)

Ungefaͤhr drey Meilen von Akeover liegt Ilam, der Sitz des Ritters Port.
Einen romantiſchern Garten wird man nicht leicht in England finden. Ein ſchma-
les Thal iſt von hohen oder vielmehr ſteilen und mit Waldung bedeckten Huͤgeln um-
geben, welche ein vollkommenes Amphitheater ausmachen. Ein reißender Strom
ſchießt auf einer Seite am Fuß derſelben fort, und an der andern iſt ein Gang, von
dem man den ganzen Umfang uͤberſieht. Einen edlern Anblick von einer Waldung,
die von einem ſteilen Felſen gleichſam herabhaͤngt, kann man ſich nicht denken. Beym
Eingange des Thales fuͤhret der Weg einen Steinfelſen hinan, von dem man an eini-
gen Stellen in den Fluß hinabſieht, an andern aber nur ſein Getoͤſe, wie er uͤber Fel-
ſen rauſchet, hoͤret. Am Ende des Thals trifft man an der Waſſerſeite eine Bank
an, von der man das Ganze uͤberſieht. Der Eingang ſcheint von hier verſchloſſen
zu ſeyn, weil man gegen einen entfernten Berg von regelmaͤßiger Form eines abge-
kuͤrzten Kegels ſieht. Die uͤber den Fluß geſchlagene Bruͤcke ſchadet dem Proſpect
beynahe, weil ſie gegen den praͤchtigen Anblick des großen Waldes und gegenuͤber lie-
genden Berges zu klein ausfaͤllt. Es ſollte entweder gar keine Bruͤcke da ſeyn, oder
ſie ſollte aus einem einzigen kuͤhnen Bogen beſtehen, um mit dem Uebrigen dieſer
praͤchtigen Scene uͤbereinzuſtimmen. Unter dem Felſen im Garten entſpringen zwey
Fluͤſſe; der eine davon iſt der Hamps, und der andre der Manifold, welcher ſieben
Meilen unter der Erde fortlaͤuft. Wenn man zu Wetton Spreu hineinwirft, ſo
koͤmmt ſie hier als aus einer ſtarken Quelle wieder hervor, und faͤllt nicht weit von hier
in die Dove.

Cocken.**)

Cocken hat den Vortheil eines angenehmen Fluſſes, der an einigen Stellen
ſchnell, an andern ſanft fließt, und deſſen Ufer bald mit ſteilen Felſen, bald mit uͤber-

haͤngenden
*) [Spaltenumbruch] Youngs Reiſe durch die oͤſtlichen
Provinzen von England, 4ter Br.
**) Aus Youngs Reiſen durch die noͤrd-
[Spaltenumbruch] lichen Provinzen von England, 15ter Br.
Cocken liegt zwiſchen Durham und New-
kaſtle, und gehoͤrt dem Hrn. Carr, Eſq.
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[108/0112] Dritter Abſchnitt. Gaͤrten beſtand hier darinn, daß man die Anlage der Natur nicht zerſtoͤrte, nicht umzuſchaffen ſtrebte, ſondern ſie annahm, wie ſie angeboten ward, und ſie nur durch einigen Bey- ſtand der Kunſt, ſo viel ſie bey dieſem Charakter vermag, zu unterſtuͤtzen ſuchte. Man ſehe die hier folgenden Beſchreibungen. Ilam. *) Ungefaͤhr drey Meilen von Akeover liegt Ilam, der Sitz des Ritters Port. Einen romantiſchern Garten wird man nicht leicht in England finden. Ein ſchma- les Thal iſt von hohen oder vielmehr ſteilen und mit Waldung bedeckten Huͤgeln um- geben, welche ein vollkommenes Amphitheater ausmachen. Ein reißender Strom ſchießt auf einer Seite am Fuß derſelben fort, und an der andern iſt ein Gang, von dem man den ganzen Umfang uͤberſieht. Einen edlern Anblick von einer Waldung, die von einem ſteilen Felſen gleichſam herabhaͤngt, kann man ſich nicht denken. Beym Eingange des Thales fuͤhret der Weg einen Steinfelſen hinan, von dem man an eini- gen Stellen in den Fluß hinabſieht, an andern aber nur ſein Getoͤſe, wie er uͤber Fel- ſen rauſchet, hoͤret. Am Ende des Thals trifft man an der Waſſerſeite eine Bank an, von der man das Ganze uͤberſieht. Der Eingang ſcheint von hier verſchloſſen zu ſeyn, weil man gegen einen entfernten Berg von regelmaͤßiger Form eines abge- kuͤrzten Kegels ſieht. Die uͤber den Fluß geſchlagene Bruͤcke ſchadet dem Proſpect beynahe, weil ſie gegen den praͤchtigen Anblick des großen Waldes und gegenuͤber lie- genden Berges zu klein ausfaͤllt. Es ſollte entweder gar keine Bruͤcke da ſeyn, oder ſie ſollte aus einem einzigen kuͤhnen Bogen beſtehen, um mit dem Uebrigen dieſer praͤchtigen Scene uͤbereinzuſtimmen. Unter dem Felſen im Garten entſpringen zwey Fluͤſſe; der eine davon iſt der Hamps, und der andre der Manifold, welcher ſieben Meilen unter der Erde fortlaͤuft. Wenn man zu Wetton Spreu hineinwirft, ſo koͤmmt ſie hier als aus einer ſtarken Quelle wieder hervor, und faͤllt nicht weit von hier in die Dove. Cocken. **) Cocken hat den Vortheil eines angenehmen Fluſſes, der an einigen Stellen ſchnell, an andern ſanft fließt, und deſſen Ufer bald mit ſteilen Felſen, bald mit uͤber- haͤngenden *) Youngs Reiſe durch die oͤſtlichen Provinzen von England, 4ter Br. **) Aus Youngs Reiſen durch die noͤrd- lichen Provinzen von England, 15ter Br. Cocken liegt zwiſchen Durham und New- kaſtle, und gehoͤrt dem Hrn. Carr, Eſq.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/112>, abgerufen am 24.04.2024.