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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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von Gärten.

III.
Gravenstein.
*)

Das Schloß Gravenstein liegt in einer sehr reizenden Gegend, nahe bey einem
Flecken, der seinen Namen führt, und an einem fischreichen See. Hier nimmt
der Augustenburger Hof seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den milden Monaten
des Frühlings und des Herbstes. Das gegenwärtige Schloß, das an der Stelle des
vormaligen abgebrannten von dem jetzigen Herzog erbauet ist, liegt der Kapelle gegen-
über, die nach dem Modell der Jesuiterkirche zu Antwerpen aufgeführt ist, und vom
Feuer verschont ward. Es ist in dem guten Architecturgeschmack errichtet, womit
dieser Fürst gerne baut. Die Zimmer sind mit vielen vortrefflichen Gemälden von
den berühmtesten Meistern ausgeziert. Man fängt hier an, den feinen Geschmack zu
bewundern, der sich in der Verschönerung dieser Gegend so wirksam bewiesen hat.
Denn einige Zimmer prangen mit schönen Stickereyen in Tapeten und andern Wer-
ken, die eigenhändig von den Prinzessinnen, **) Schwestern des Herzogs, verfertigt
sind. Man tritt voll Aufmerksamkeit näher, und verweilt noch länger bey der Fein-
heit des Geschmacks und der Kunst, als bey der Seltenheit dieser Erscheinung.

Der See, an welchem das Schloß liegt, bildet in der Nähe eine anmuthige
mit einem Wald bewachsene Halbinsel, welche die schönen Anlagen enthält. Man
rudert von dem Schlosse dahin in einigen artig gebaueten kleinen Jagdschiffen. Der
viel längere Landweg leitet, durch manche angenehme Wendungen, unter dem Schat-
ten von Eichen, zur Linken neben einer Wiese, zur Rechten am Fuß eines ansehnlichen
mit Kornfluren aufschwellenden Hügels, sodann durch einen Wald sich windend,
bald sich erhebend, bald sich senkend, dahin.

Diesen eben erwähnten Hügel nennt man den Herzenshügel, vielleicht weil er
ganz das Herz befriedigt, das sich gerne in den Freuden der Aussichten weidet. Er
erhebt sich in der westlichen Gegend des Schlosses, etwa in einer Entfernung von einer

Viertel-
*) Ein Schloß in dem adelichen Gute gleiches Namens an der westlichen Gränze
vom Lande Sundewitt im Herzogthum Schleswig. Es gehört Sr. Durchl. dem regie-
renden Herzog von Holstein-Augustenburg.
**) Ihre Durchl. die Prinzessinnen von Holstein-Augustenburg, Christiana Ulrica,
Sophia Magdalena Maria, und Charlotte Amalia.
von Gaͤrten.

III.
Gravenſtein.
*)

Das Schloß Gravenſtein liegt in einer ſehr reizenden Gegend, nahe bey einem
Flecken, der ſeinen Namen fuͤhrt, und an einem fiſchreichen See. Hier nimmt
der Auguſtenburger Hof ſeinen gewoͤhnlichen Aufenthalt in den milden Monaten
des Fruͤhlings und des Herbſtes. Das gegenwaͤrtige Schloß, das an der Stelle des
vormaligen abgebrannten von dem jetzigen Herzog erbauet iſt, liegt der Kapelle gegen-
uͤber, die nach dem Modell der Jeſuiterkirche zu Antwerpen aufgefuͤhrt iſt, und vom
Feuer verſchont ward. Es iſt in dem guten Architecturgeſchmack errichtet, womit
dieſer Fuͤrſt gerne baut. Die Zimmer ſind mit vielen vortrefflichen Gemaͤlden von
den beruͤhmteſten Meiſtern ausgeziert. Man faͤngt hier an, den feinen Geſchmack zu
bewundern, der ſich in der Verſchoͤnerung dieſer Gegend ſo wirkſam bewieſen hat.
Denn einige Zimmer prangen mit ſchoͤnen Stickereyen in Tapeten und andern Wer-
ken, die eigenhaͤndig von den Prinzeſſinnen, **) Schweſtern des Herzogs, verfertigt
ſind. Man tritt voll Aufmerkſamkeit naͤher, und verweilt noch laͤnger bey der Fein-
heit des Geſchmacks und der Kunſt, als bey der Seltenheit dieſer Erſcheinung.

Der See, an welchem das Schloß liegt, bildet in der Naͤhe eine anmuthige
mit einem Wald bewachſene Halbinſel, welche die ſchoͤnen Anlagen enthaͤlt. Man
rudert von dem Schloſſe dahin in einigen artig gebaueten kleinen Jagdſchiffen. Der
viel laͤngere Landweg leitet, durch manche angenehme Wendungen, unter dem Schat-
ten von Eichen, zur Linken neben einer Wieſe, zur Rechten am Fuß eines anſehnlichen
mit Kornfluren aufſchwellenden Huͤgels, ſodann durch einen Wald ſich windend,
bald ſich erhebend, bald ſich ſenkend, dahin.

Dieſen eben erwaͤhnten Huͤgel nennt man den Herzenshuͤgel, vielleicht weil er
ganz das Herz befriedigt, das ſich gerne in den Freuden der Ausſichten weidet. Er
erhebt ſich in der weſtlichen Gegend des Schloſſes, etwa in einer Entfernung von einer

Viertel-
*) Ein Schloß in dem adelichen Gute gleiches Namens an der weſtlichen Graͤnze
vom Lande Sundewitt im Herzogthum Schleswig. Es gehoͤrt Sr. Durchl. dem regie-
renden Herzog von Holſtein-Auguſtenburg.
**) Ihre Durchl. die Prinzeſſinnen von Holſtein-Auguſtenburg, Chriſtiana Ulrica,
Sophia Magdalena Maria, und Charlotte Amalia.
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[191/0195] von Gaͤrten. III. Gravenſtein. *) Das Schloß Gravenſtein liegt in einer ſehr reizenden Gegend, nahe bey einem Flecken, der ſeinen Namen fuͤhrt, und an einem fiſchreichen See. Hier nimmt der Auguſtenburger Hof ſeinen gewoͤhnlichen Aufenthalt in den milden Monaten des Fruͤhlings und des Herbſtes. Das gegenwaͤrtige Schloß, das an der Stelle des vormaligen abgebrannten von dem jetzigen Herzog erbauet iſt, liegt der Kapelle gegen- uͤber, die nach dem Modell der Jeſuiterkirche zu Antwerpen aufgefuͤhrt iſt, und vom Feuer verſchont ward. Es iſt in dem guten Architecturgeſchmack errichtet, womit dieſer Fuͤrſt gerne baut. Die Zimmer ſind mit vielen vortrefflichen Gemaͤlden von den beruͤhmteſten Meiſtern ausgeziert. Man faͤngt hier an, den feinen Geſchmack zu bewundern, der ſich in der Verſchoͤnerung dieſer Gegend ſo wirkſam bewieſen hat. Denn einige Zimmer prangen mit ſchoͤnen Stickereyen in Tapeten und andern Wer- ken, die eigenhaͤndig von den Prinzeſſinnen, **) Schweſtern des Herzogs, verfertigt ſind. Man tritt voll Aufmerkſamkeit naͤher, und verweilt noch laͤnger bey der Fein- heit des Geſchmacks und der Kunſt, als bey der Seltenheit dieſer Erſcheinung. Der See, an welchem das Schloß liegt, bildet in der Naͤhe eine anmuthige mit einem Wald bewachſene Halbinſel, welche die ſchoͤnen Anlagen enthaͤlt. Man rudert von dem Schloſſe dahin in einigen artig gebaueten kleinen Jagdſchiffen. Der viel laͤngere Landweg leitet, durch manche angenehme Wendungen, unter dem Schat- ten von Eichen, zur Linken neben einer Wieſe, zur Rechten am Fuß eines anſehnlichen mit Kornfluren aufſchwellenden Huͤgels, ſodann durch einen Wald ſich windend, bald ſich erhebend, bald ſich ſenkend, dahin. Dieſen eben erwaͤhnten Huͤgel nennt man den Herzenshuͤgel, vielleicht weil er ganz das Herz befriedigt, das ſich gerne in den Freuden der Ausſichten weidet. Er erhebt ſich in der weſtlichen Gegend des Schloſſes, etwa in einer Entfernung von einer Viertel- *) Ein Schloß in dem adelichen Gute gleiches Namens an der weſtlichen Graͤnze vom Lande Sundewitt im Herzogthum Schleswig. Es gehoͤrt Sr. Durchl. dem regie- renden Herzog von Holſtein-Auguſtenburg. **) Ihre Durchl. die Prinzeſſinnen von Holſtein-Auguſtenburg, Chriſtiana Ulrica, Sophia Magdalena Maria, und Charlotte Amalia.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/195>, abgerufen am 28.03.2024.