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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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von Gärten.

IV.
Loitmark.
*)

Unstreitig hat dieser Landsitz eine der schönsten Lagen, welche die Natur zu bilden
vermag; und, nach dem Charakter unsrer Landschaften betrachtet, hat sie zugleich
etwas Eigenthümliches. Der Hintertheil des Wohngebäudes, das mit vortrefflichen
Gemälden und Kupferstichen und einer angenehmen Bibliothek geschmückt ist, liegt
auf der Mitte einer erhabenen und langen Terrasse. Diese streckt sich auf der Anhöhe
längst dem Ufer des Schleystroms, der sich in der Tiefe vorüber wälzt, dahin, und
ist mit einer schattenreichen Allee von Linden besetzt. Aus dem Saal führt eine Thür
zu dieser Terrasse, die einen reizenden Spatziergang unter dem Genuß der herrlichsten
Aussichten anbietet.

Man mag hier lustwandeln, oder ruhend aus den Zimmern des Wohnhauses
das Auge in die Landschaft hinausirren lassen; so stellt der ansehnliche Strom der
Schley mit den kommenden und zurückkehrenden Schiffen und kleinen Fahrzeugen
immer eine Scene voll Leben und Unterhaltung dar. Man kann sie in der Nähe ge-
nießen. Gerade von dem Wohngebäude aus führt eine Treppe hinab, über eine mit
Blumentöpfen verzierte Brücke, zu einer Wasserlaube, die tief unten über der Flut
erbauet, oben bedeckt, inwendig mit Sitzen und vorne mit einem Austritt versehen ist,
um die anliegenden Lustböte zu besteigen. Nichts übertrifft die Anmuth dieses Ruhe-
sitzes. Bald wird das Ohr von dem stärkern Geräusch der Wellen und des Schiffes
ergötzt, und die Fahrzeuge tanzen auf der belebten Flut dahin; bald gleiten sie auf der
ruhigen Silberfläche allmälig verzögernd hin, und scheinen mit Bedacht unter den
Reizen dieser Gegend zu verweilen. Das Auge wird auf allen Seiten von der frischen
Schönheit der umliegenden Landschaft und von der Anmuth ihrer lieblichen Wieder-
scheine im Wasser, woneben sich zugleich die leichten Gewölke des Himmels mit ihren
wechselnden Farben malen, unterhalten. Indessen winken zwo Inschriften, die von
der Hand der Wahrheit oben in die Decke dieser Wasserlaube hingeschrieben sind, auf
Erinnerungen hin, die ganz dieser Scene beystimmen.

Nach dem Wasser hin:

Ici l'onde, avec liberte,
Serpente et reflechit l'objet, qui l'environne.

De
*) [Spaltenumbruch] Ein adeliches Gut und Landsitz in
Schwanfen, im Herzogthum Schleswig,
[Spaltenumbruch] vormals dem sel. Herrn von Dewitz, jetzt
seiner hinterlassenen Frau Witwe zugehörig.
von Gaͤrten.

IV.
Loitmark.
*)

Unſtreitig hat dieſer Landſitz eine der ſchoͤnſten Lagen, welche die Natur zu bilden
vermag; und, nach dem Charakter unſrer Landſchaften betrachtet, hat ſie zugleich
etwas Eigenthuͤmliches. Der Hintertheil des Wohngebaͤudes, das mit vortrefflichen
Gemaͤlden und Kupferſtichen und einer angenehmen Bibliothek geſchmuͤckt iſt, liegt
auf der Mitte einer erhabenen und langen Terraſſe. Dieſe ſtreckt ſich auf der Anhoͤhe
laͤngſt dem Ufer des Schleyſtroms, der ſich in der Tiefe voruͤber waͤlzt, dahin, und
iſt mit einer ſchattenreichen Allee von Linden beſetzt. Aus dem Saal fuͤhrt eine Thuͤr
zu dieſer Terraſſe, die einen reizenden Spatziergang unter dem Genuß der herrlichſten
Ausſichten anbietet.

Man mag hier luſtwandeln, oder ruhend aus den Zimmern des Wohnhauſes
das Auge in die Landſchaft hinausirren laſſen; ſo ſtellt der anſehnliche Strom der
Schley mit den kommenden und zuruͤckkehrenden Schiffen und kleinen Fahrzeugen
immer eine Scene voll Leben und Unterhaltung dar. Man kann ſie in der Naͤhe ge-
nießen. Gerade von dem Wohngebaͤude aus fuͤhrt eine Treppe hinab, uͤber eine mit
Blumentoͤpfen verzierte Bruͤcke, zu einer Waſſerlaube, die tief unten uͤber der Flut
erbauet, oben bedeckt, inwendig mit Sitzen und vorne mit einem Austritt verſehen iſt,
um die anliegenden Luſtboͤte zu beſteigen. Nichts uͤbertrifft die Anmuth dieſes Ruhe-
ſitzes. Bald wird das Ohr von dem ſtaͤrkern Geraͤuſch der Wellen und des Schiffes
ergoͤtzt, und die Fahrzeuge tanzen auf der belebten Flut dahin; bald gleiten ſie auf der
ruhigen Silberflaͤche allmaͤlig verzoͤgernd hin, und ſcheinen mit Bedacht unter den
Reizen dieſer Gegend zu verweilen. Das Auge wird auf allen Seiten von der friſchen
Schoͤnheit der umliegenden Landſchaft und von der Anmuth ihrer lieblichen Wieder-
ſcheine im Waſſer, woneben ſich zugleich die leichten Gewoͤlke des Himmels mit ihren
wechſelnden Farben malen, unterhalten. Indeſſen winken zwo Inſchriften, die von
der Hand der Wahrheit oben in die Decke dieſer Waſſerlaube hingeſchrieben ſind, auf
Erinnerungen hin, die ganz dieſer Scene beyſtimmen.

Nach dem Waſſer hin:

Ici l’onde, avec liberté,
Serpente et réfléchit l’objet, qui l’environne.

De
*) [Spaltenumbruch] Ein adeliches Gut und Landſitz in
Schwanfen, im Herzogthum Schleswig,
[Spaltenumbruch] vormals dem ſel. Herrn von Dewitz, jetzt
ſeiner hinterlaſſenen Frau Witwe zugehoͤrig.
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[199/0203] von Gaͤrten. IV. Loitmark. *) Unſtreitig hat dieſer Landſitz eine der ſchoͤnſten Lagen, welche die Natur zu bilden vermag; und, nach dem Charakter unſrer Landſchaften betrachtet, hat ſie zugleich etwas Eigenthuͤmliches. Der Hintertheil des Wohngebaͤudes, das mit vortrefflichen Gemaͤlden und Kupferſtichen und einer angenehmen Bibliothek geſchmuͤckt iſt, liegt auf der Mitte einer erhabenen und langen Terraſſe. Dieſe ſtreckt ſich auf der Anhoͤhe laͤngſt dem Ufer des Schleyſtroms, der ſich in der Tiefe voruͤber waͤlzt, dahin, und iſt mit einer ſchattenreichen Allee von Linden beſetzt. Aus dem Saal fuͤhrt eine Thuͤr zu dieſer Terraſſe, die einen reizenden Spatziergang unter dem Genuß der herrlichſten Ausſichten anbietet. Man mag hier luſtwandeln, oder ruhend aus den Zimmern des Wohnhauſes das Auge in die Landſchaft hinausirren laſſen; ſo ſtellt der anſehnliche Strom der Schley mit den kommenden und zuruͤckkehrenden Schiffen und kleinen Fahrzeugen immer eine Scene voll Leben und Unterhaltung dar. Man kann ſie in der Naͤhe ge- nießen. Gerade von dem Wohngebaͤude aus fuͤhrt eine Treppe hinab, uͤber eine mit Blumentoͤpfen verzierte Bruͤcke, zu einer Waſſerlaube, die tief unten uͤber der Flut erbauet, oben bedeckt, inwendig mit Sitzen und vorne mit einem Austritt verſehen iſt, um die anliegenden Luſtboͤte zu beſteigen. Nichts uͤbertrifft die Anmuth dieſes Ruhe- ſitzes. Bald wird das Ohr von dem ſtaͤrkern Geraͤuſch der Wellen und des Schiffes ergoͤtzt, und die Fahrzeuge tanzen auf der belebten Flut dahin; bald gleiten ſie auf der ruhigen Silberflaͤche allmaͤlig verzoͤgernd hin, und ſcheinen mit Bedacht unter den Reizen dieſer Gegend zu verweilen. Das Auge wird auf allen Seiten von der friſchen Schoͤnheit der umliegenden Landſchaft und von der Anmuth ihrer lieblichen Wieder- ſcheine im Waſſer, woneben ſich zugleich die leichten Gewoͤlke des Himmels mit ihren wechſelnden Farben malen, unterhalten. Indeſſen winken zwo Inſchriften, die von der Hand der Wahrheit oben in die Decke dieſer Waſſerlaube hingeſchrieben ſind, auf Erinnerungen hin, die ganz dieſer Scene beyſtimmen. Nach dem Waſſer hin: Ici l’onde, avec liberté, Serpente et réfléchit l’objet, qui l’environne. De *) Ein adeliches Gut und Landſitz in Schwanfen, im Herzogthum Schleswig, vormals dem ſel. Herrn von Dewitz, jetzt ſeiner hinterlaſſenen Frau Witwe zugehoͤrig.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/203>, abgerufen am 25.04.2024.