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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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von besondern Bestimmungen abhängig ist.
sanften Krümmung vorbey. Gegen über steigt ein Hügel kühn empor, und zeiget auf
seinem Rücken viele Einzäunungen. An der einen Seite ist eine steile Felsenspitze, und
an der andern ein jäher Abgrund von Felsen und Bäumen. Man sieht auf das alte
Bad hinab, und auf den entfernten Hügeln liegen große Strecken von Einzäunungen.

Ueberhaupt betrachtet, muß Matlock die Neugierde eines jeden, der es sieht,
befriedigen. Es unterscheidet sich von allen merkwürdigen Plätzen dieser Art in ganz
England. Die Felsen zu Keswick sind majestätischer, und das Wasser sowohl da-
selbst, als bey dem sogenannten Winandermeer, übertrifft das hiesige weit. Dort
suchet die Kunst die Localschönheiten in einem immer schönern Lichte zu zeigen: aber
hier ist alles blos Natur. Die natürliche Terrasse am Rande der Abgründe, und die
große Abwechselung der Prospecte, die man von derselben übersieht, übertrifft in sei-
ner Art alles, was man in England sehen kann.

V.
Gärten bey Hospitälern.

Da Hospitäler in Rücksicht sowohl auf die Gesunden, als auch auf die Kranken,
außer den Städten anzulegen sind, so verstatten sie noch leichter besondere Gär-
ten, die ihnen zugehören. Sie müssen demnach in einiger Entfernung von der Stadt
und andern stark bewohnten Plätzen, in einer gesunden und anmuthigen Gegend, nicht
in Thälern und Niedrigungen, sondern an heitern, von der Sonne erwärmten und
vor rauhen Winden beschützten Höhen, an südlichen Abhängen von Hügeln oder mäs-
sigen Bergen, auf einem sehr trockenen Grunde, liegen. Bey einer verhältnißmäßi-
gen Größe müssen diese Gebäude geräumige, heitere und zum Auslüften bequem an-
gelegte Zimmer, sonnigte Gallerien zum Spazieren oder Sitzen für die Schwachen,
eine Kapelle, oder einen Saal zum Gottesdienst, und eine Apotheke enthalten. Ihr
äußeres Ansehen muß nichts Finsteres haben, sondern eine gewisse mäßige Munter-
keit, wie ruhige zunehmende Hoffnung der Wiedergenesung mitzutheilen pflegt. Ihre
Vorderseite kann mit Inschriften und Sinnbildern, die auf ihre Bestimmung hin-
winken, verziert werden.

Ein Hospital muß frey liegen, nicht von hohen dumpfigten Mauern, nicht von
großen überschattenden Bäumen eingesperrt seyn. Der Garten muß unmittelbar mit
dem Gebäude Verbindung haben, oder es vielmehr, wenn es die Lage verstattet, um-
kränzen. Denn ein Blick aus den Fenstern in diese blühenden und fröhlichen Scenen
hin belebt schon den Kranken; auch kann er seinen Spaziergang nicht weit suchen.
Die Anlagen, die sich gleich von den Thüren zu verbreiten anfangen, dürfen nicht

weit-
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von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.
ſanften Kruͤmmung vorbey. Gegen uͤber ſteigt ein Huͤgel kuͤhn empor, und zeiget auf
ſeinem Ruͤcken viele Einzaͤunungen. An der einen Seite iſt eine ſteile Felſenſpitze, und
an der andern ein jaͤher Abgrund von Felſen und Baͤumen. Man ſieht auf das alte
Bad hinab, und auf den entfernten Huͤgeln liegen große Strecken von Einzaͤunungen.

Ueberhaupt betrachtet, muß Matlock die Neugierde eines jeden, der es ſieht,
befriedigen. Es unterſcheidet ſich von allen merkwuͤrdigen Plaͤtzen dieſer Art in ganz
England. Die Felſen zu Keswick ſind majeſtaͤtiſcher, und das Waſſer ſowohl da-
ſelbſt, als bey dem ſogenannten Winandermeer, uͤbertrifft das hieſige weit. Dort
ſuchet die Kunſt die Localſchoͤnheiten in einem immer ſchoͤnern Lichte zu zeigen: aber
hier iſt alles blos Natur. Die natuͤrliche Terraſſe am Rande der Abgruͤnde, und die
große Abwechſelung der Proſpecte, die man von derſelben uͤberſieht, uͤbertrifft in ſei-
ner Art alles, was man in England ſehen kann.

V.
Gaͤrten bey Hoſpitaͤlern.

Da Hoſpitaͤler in Ruͤckſicht ſowohl auf die Geſunden, als auch auf die Kranken,
außer den Staͤdten anzulegen ſind, ſo verſtatten ſie noch leichter beſondere Gaͤr-
ten, die ihnen zugehoͤren. Sie muͤſſen demnach in einiger Entfernung von der Stadt
und andern ſtark bewohnten Plaͤtzen, in einer geſunden und anmuthigen Gegend, nicht
in Thaͤlern und Niedrigungen, ſondern an heitern, von der Sonne erwaͤrmten und
vor rauhen Winden beſchuͤtzten Hoͤhen, an ſuͤdlichen Abhaͤngen von Huͤgeln oder maͤſ-
ſigen Bergen, auf einem ſehr trockenen Grunde, liegen. Bey einer verhaͤltnißmaͤßi-
gen Groͤße muͤſſen dieſe Gebaͤude geraͤumige, heitere und zum Ausluͤften bequem an-
gelegte Zimmer, ſonnigte Gallerien zum Spazieren oder Sitzen fuͤr die Schwachen,
eine Kapelle, oder einen Saal zum Gottesdienſt, und eine Apotheke enthalten. Ihr
aͤußeres Anſehen muß nichts Finſteres haben, ſondern eine gewiſſe maͤßige Munter-
keit, wie ruhige zunehmende Hoffnung der Wiedergeneſung mitzutheilen pflegt. Ihre
Vorderſeite kann mit Inſchriften und Sinnbildern, die auf ihre Beſtimmung hin-
winken, verziert werden.

Ein Hoſpital muß frey liegen, nicht von hohen dumpfigten Mauern, nicht von
großen uͤberſchattenden Baͤumen eingeſperrt ſeyn. Der Garten muß unmittelbar mit
dem Gebaͤude Verbindung haben, oder es vielmehr, wenn es die Lage verſtattet, um-
kraͤnzen. Denn ein Blick aus den Fenſtern in dieſe bluͤhenden und froͤhlichen Scenen
hin belebt ſchon den Kranken; auch kann er ſeinen Spaziergang nicht weit ſuchen.
Die Anlagen, die ſich gleich von den Thuͤren zu verbreiten anfangen, duͤrfen nicht

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[115/0123] von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ſanften Kruͤmmung vorbey. Gegen uͤber ſteigt ein Huͤgel kuͤhn empor, und zeiget auf ſeinem Ruͤcken viele Einzaͤunungen. An der einen Seite iſt eine ſteile Felſenſpitze, und an der andern ein jaͤher Abgrund von Felſen und Baͤumen. Man ſieht auf das alte Bad hinab, und auf den entfernten Huͤgeln liegen große Strecken von Einzaͤunungen. Ueberhaupt betrachtet, muß Matlock die Neugierde eines jeden, der es ſieht, befriedigen. Es unterſcheidet ſich von allen merkwuͤrdigen Plaͤtzen dieſer Art in ganz England. Die Felſen zu Keswick ſind majeſtaͤtiſcher, und das Waſſer ſowohl da- ſelbſt, als bey dem ſogenannten Winandermeer, uͤbertrifft das hieſige weit. Dort ſuchet die Kunſt die Localſchoͤnheiten in einem immer ſchoͤnern Lichte zu zeigen: aber hier iſt alles blos Natur. Die natuͤrliche Terraſſe am Rande der Abgruͤnde, und die große Abwechſelung der Proſpecte, die man von derſelben uͤberſieht, uͤbertrifft in ſei- ner Art alles, was man in England ſehen kann. V. Gaͤrten bey Hoſpitaͤlern. Da Hoſpitaͤler in Ruͤckſicht ſowohl auf die Geſunden, als auch auf die Kranken, außer den Staͤdten anzulegen ſind, ſo verſtatten ſie noch leichter beſondere Gaͤr- ten, die ihnen zugehoͤren. Sie muͤſſen demnach in einiger Entfernung von der Stadt und andern ſtark bewohnten Plaͤtzen, in einer geſunden und anmuthigen Gegend, nicht in Thaͤlern und Niedrigungen, ſondern an heitern, von der Sonne erwaͤrmten und vor rauhen Winden beſchuͤtzten Hoͤhen, an ſuͤdlichen Abhaͤngen von Huͤgeln oder maͤſ- ſigen Bergen, auf einem ſehr trockenen Grunde, liegen. Bey einer verhaͤltnißmaͤßi- gen Groͤße muͤſſen dieſe Gebaͤude geraͤumige, heitere und zum Ausluͤften bequem an- gelegte Zimmer, ſonnigte Gallerien zum Spazieren oder Sitzen fuͤr die Schwachen, eine Kapelle, oder einen Saal zum Gottesdienſt, und eine Apotheke enthalten. Ihr aͤußeres Anſehen muß nichts Finſteres haben, ſondern eine gewiſſe maͤßige Munter- keit, wie ruhige zunehmende Hoffnung der Wiedergeneſung mitzutheilen pflegt. Ihre Vorderſeite kann mit Inſchriften und Sinnbildern, die auf ihre Beſtimmung hin- winken, verziert werden. Ein Hoſpital muß frey liegen, nicht von hohen dumpfigten Mauern, nicht von großen uͤberſchattenden Baͤumen eingeſperrt ſeyn. Der Garten muß unmittelbar mit dem Gebaͤude Verbindung haben, oder es vielmehr, wenn es die Lage verſtattet, um- kraͤnzen. Denn ein Blick aus den Fenſtern in dieſe bluͤhenden und froͤhlichen Scenen hin belebt ſchon den Kranken; auch kann er ſeinen Spaziergang nicht weit ſuchen. Die Anlagen, die ſich gleich von den Thuͤren zu verbreiten anfangen, duͤrfen nicht weit- P 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/123>, abgerufen am 23.04.2024.