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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,
Garten hat übrigens, da, wo er nicht der alten Symmetrie folgt und heckenartig ist,
verschiedene angenehme Parthien. Man hat eine Anlage im englischen Geschmack
angefangen; allein die Felshaufen, die Vertiefungen und Grotten fallen ins Klein-
liche, es ist keine Gruppirung da, die Bänke und Sitze sind noch grün bemalt.
Indessen könnte hier bald der angenehmste Waldgarten gebildet werden. Denn
überall in den Zwischenräumen der Hecken befinden sich reiche Baumschulen von den
schönsten ausländischen Bäumen und Sträuchern, die schon eine treffliche Höhe ha-
ben. Würfe man die Hecken weg, so würden auf einmal die anmuthigsten Pflanzun-
gen, die jetzt versteckt sind, zum Vorschein kommen, und könnten leicht ausgebildet
werden. Man sieht hier herrliche Tulpenbäume, die blühen und Saamen tragen,
hohe Platanen, Katalpen, Gleditsien, Sumache, Robinien u. s. w. Die Menge
der jungen Zöglinge könnte verpflanzt zu neuen Scenen dienen. Das milde Klima
begünstigt ihren glücklichern Anwuchs. -- Man erinnert sich indessen an diesem
Ort, vor allen andern Merkwürdigkeiten, am meisten daran, daß hier einer der
weisesten und menschenfreundlichsten Fürsten wohnt, der, ganz Vater seiner Umer-
thanen, die letzter Fesseln ihrer Leibeigenschaft zerbrach.

Das Schloß zu Rastadt zeigt von außen das Gepräge einer reinen und edlen
Architectur. Der Eingang des Hauptgebäudes ist mit einer Colonnade von sechs
Säulen jonischer Ordnung geziert, und darüber ein Altan. Das Hauptgebäude
hebt sich merklich zwischen den beyden hervortretenden Flügelgebäuden, an deren un-
term Stockwerk lange Arcaden laufen. Die hohe gebauete Auffahrt zum Schlosse
und die dabey angebrachten Verzierungen mit Statuen, ob sie gleich ihren Vorstel-
lungen nach mehr gewählt seyn könnten, machen mit dem Ganzen eine lebhafte Wir-
kung. Man hat vor einigen Jahren dem Schlosse einen neuen Anstrich gegeben,
und dieser ist, wider alle Erwartung, rothe Ziegelfarbe, ohne Unterbrechung. Der
innere Hofraum ist ganz mit Gras überwachsen; ein trauriger und rührender Be-
weis von der Vergänglichkeit der fürstlichen Herrlichkeit. Wie glänzend war ehe-
mals dieser Palast, als ihn Bewohnung und Feste belebten! Allemal macht es
einen starken Eindruck auf die Seele, wenn man Schlösser, die noch vor kurzem von
der Pracht der Fürsten glänzten und von ihrer Freude ertönten, verlassen, öde und
verfallend, und ihre Vorplätze in Gras und Gebüsche verwildern sieht.

14.

Das Schloß des Fürsten und Bischofs zu Würzburg gehört zu den merk-
würdigsten Gebäuden dieser Klasse in Deutschland, und würde selbst in Italien als

ein

Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
Garten hat uͤbrigens, da, wo er nicht der alten Symmetrie folgt und heckenartig iſt,
verſchiedene angenehme Parthien. Man hat eine Anlage im engliſchen Geſchmack
angefangen; allein die Felshaufen, die Vertiefungen und Grotten fallen ins Klein-
liche, es iſt keine Gruppirung da, die Baͤnke und Sitze ſind noch gruͤn bemalt.
Indeſſen koͤnnte hier bald der angenehmſte Waldgarten gebildet werden. Denn
uͤberall in den Zwiſchenraͤumen der Hecken befinden ſich reiche Baumſchulen von den
ſchoͤnſten auslaͤndiſchen Baͤumen und Straͤuchern, die ſchon eine treffliche Hoͤhe ha-
ben. Wuͤrfe man die Hecken weg, ſo wuͤrden auf einmal die anmuthigſten Pflanzun-
gen, die jetzt verſteckt ſind, zum Vorſchein kommen, und koͤnnten leicht ausgebildet
werden. Man ſieht hier herrliche Tulpenbaͤume, die bluͤhen und Saamen tragen,
hohe Platanen, Katalpen, Gleditſien, Sumache, Robinien u. ſ. w. Die Menge
der jungen Zoͤglinge koͤnnte verpflanzt zu neuen Scenen dienen. Das milde Klima
beguͤnſtigt ihren gluͤcklichern Anwuchs. — Man erinnert ſich indeſſen an dieſem
Ort, vor allen andern Merkwuͤrdigkeiten, am meiſten daran, daß hier einer der
weiſeſten und menſchenfreundlichſten Fuͤrſten wohnt, der, ganz Vater ſeiner Umer-
thanen, die letzter Feſſeln ihrer Leibeigenſchaft zerbrach.

Das Schloß zu Raſtadt zeigt von außen das Gepraͤge einer reinen und edlen
Architectur. Der Eingang des Hauptgebaͤudes iſt mit einer Colonnade von ſechs
Saͤulen joniſcher Ordnung geziert, und daruͤber ein Altan. Das Hauptgebaͤude
hebt ſich merklich zwiſchen den beyden hervortretenden Fluͤgelgebaͤuden, an deren un-
term Stockwerk lange Arcaden laufen. Die hohe gebauete Auffahrt zum Schloſſe
und die dabey angebrachten Verzierungen mit Statuen, ob ſie gleich ihren Vorſtel-
lungen nach mehr gewaͤhlt ſeyn koͤnnten, machen mit dem Ganzen eine lebhafte Wir-
kung. Man hat vor einigen Jahren dem Schloſſe einen neuen Anſtrich gegeben,
und dieſer iſt, wider alle Erwartung, rothe Ziegelfarbe, ohne Unterbrechung. Der
innere Hofraum iſt ganz mit Gras uͤberwachſen; ein trauriger und ruͤhrender Be-
weis von der Vergaͤnglichkeit der fuͤrſtlichen Herrlichkeit. Wie glaͤnzend war ehe-
mals dieſer Palaſt, als ihn Bewohnung und Feſte belebten! Allemal macht es
einen ſtarken Eindruck auf die Seele, wenn man Schloͤſſer, die noch vor kurzem von
der Pracht der Fuͤrſten glaͤnzten und von ihrer Freude ertoͤnten, verlaſſen, oͤde und
verfallend, und ihre Vorplaͤtze in Gras und Gebuͤſche verwildern ſieht.

14.

Das Schloß des Fuͤrſten und Biſchofs zu Wuͤrzburg gehoͤrt zu den merk-
wuͤrdigſten Gebaͤuden dieſer Klaſſe in Deutſchland, und wuͤrde ſelbſt in Italien als

ein
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[356/0364] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, Garten hat uͤbrigens, da, wo er nicht der alten Symmetrie folgt und heckenartig iſt, verſchiedene angenehme Parthien. Man hat eine Anlage im engliſchen Geſchmack angefangen; allein die Felshaufen, die Vertiefungen und Grotten fallen ins Klein- liche, es iſt keine Gruppirung da, die Baͤnke und Sitze ſind noch gruͤn bemalt. Indeſſen koͤnnte hier bald der angenehmſte Waldgarten gebildet werden. Denn uͤberall in den Zwiſchenraͤumen der Hecken befinden ſich reiche Baumſchulen von den ſchoͤnſten auslaͤndiſchen Baͤumen und Straͤuchern, die ſchon eine treffliche Hoͤhe ha- ben. Wuͤrfe man die Hecken weg, ſo wuͤrden auf einmal die anmuthigſten Pflanzun- gen, die jetzt verſteckt ſind, zum Vorſchein kommen, und koͤnnten leicht ausgebildet werden. Man ſieht hier herrliche Tulpenbaͤume, die bluͤhen und Saamen tragen, hohe Platanen, Katalpen, Gleditſien, Sumache, Robinien u. ſ. w. Die Menge der jungen Zoͤglinge koͤnnte verpflanzt zu neuen Scenen dienen. Das milde Klima beguͤnſtigt ihren gluͤcklichern Anwuchs. — Man erinnert ſich indeſſen an dieſem Ort, vor allen andern Merkwuͤrdigkeiten, am meiſten daran, daß hier einer der weiſeſten und menſchenfreundlichſten Fuͤrſten wohnt, der, ganz Vater ſeiner Umer- thanen, die letzter Feſſeln ihrer Leibeigenſchaft zerbrach. Das Schloß zu Raſtadt zeigt von außen das Gepraͤge einer reinen und edlen Architectur. Der Eingang des Hauptgebaͤudes iſt mit einer Colonnade von ſechs Saͤulen joniſcher Ordnung geziert, und daruͤber ein Altan. Das Hauptgebaͤude hebt ſich merklich zwiſchen den beyden hervortretenden Fluͤgelgebaͤuden, an deren un- term Stockwerk lange Arcaden laufen. Die hohe gebauete Auffahrt zum Schloſſe und die dabey angebrachten Verzierungen mit Statuen, ob ſie gleich ihren Vorſtel- lungen nach mehr gewaͤhlt ſeyn koͤnnten, machen mit dem Ganzen eine lebhafte Wir- kung. Man hat vor einigen Jahren dem Schloſſe einen neuen Anſtrich gegeben, und dieſer iſt, wider alle Erwartung, rothe Ziegelfarbe, ohne Unterbrechung. Der innere Hofraum iſt ganz mit Gras uͤberwachſen; ein trauriger und ruͤhrender Be- weis von der Vergaͤnglichkeit der fuͤrſtlichen Herrlichkeit. Wie glaͤnzend war ehe- mals dieſer Palaſt, als ihn Bewohnung und Feſte belebten! Allemal macht es einen ſtarken Eindruck auf die Seele, wenn man Schloͤſſer, die noch vor kurzem von der Pracht der Fuͤrſten glaͤnzten und von ihrer Freude ertoͤnten, verlaſſen, oͤde und verfallend, und ihre Vorplaͤtze in Gras und Gebuͤſche verwildern ſieht. 14. Das Schloß des Fuͤrſten und Biſchofs zu Wuͤrzburg gehoͤrt zu den merk- wuͤrdigſten Gebaͤuden dieſer Klaſſe in Deutſchland, und wuͤrde ſelbſt in Italien als ein

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/364>, abgerufen am 25.04.2024.