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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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einzelner Theile eines Landsitzes.
seinem eigenen Vermögen eine kleine Stiftung angelegt, wer eine neue gemeinnützige
Erfindung in irgend einem Theil der Landwirthschaft gemacht, der sollte hier sein
Ehrendenkmal haben, bey welchem vielleicht noch spät

Die Jugend steht erstaunt und zeigt in den Geberden
Die edle Ungeduld, noch löblicher zu werden*).

Der Tag der Errichtung eines solchen Denkmals müßte ein öffentliches Fest für
das ganze Dorf seyn. Alte und Junge hielten in ihrem besten Schmuck einen feyer-
lichen Aufzug zu dem Platze hin. Der älteste und würdigste Greis träte hervor mit
einer kurzen und kunstlosen Lobrede auf den Mann, dessen Ehre dieser Tag gehörte,
und mit einer Aufmunterung zu ähnlichen Tugenden. Die nächsten Verwandten
des Ehreumannes hätten bey diesem Fest den Vorgang in der ganzen Versammlung.
Man erfreute sich zuletzt bey einer öffentlichen ländlichen Mahlzeit, und die Jugend
dürfte sich am Abend mit Tänzen unter der Aufsicht der Aeltesten des Dorfs ergötzen.
Sollte eine solche Veranstaltung nicht zur Nachahmung edler Handlungen wirksam seyn?

Uebrigens lassen sich leicht in den Dörfern kleine Verschönerungen anbringen,
die ihr Ansehen haben. Die Zwischenräume der Wohnungen dürfen nur mit Baum-
gruppen, oder mit Gebüschen von fruchttragenden Sträuchern gefüllt werden, so
wird sogleich das Ganze sich besser verbinden und sich schöner ausnehmen, als eine
lange unbedeutende Reihe von Häusern. Auch die Kirche kann, wenn sie auf einer
kleinen Höhe liegt und von einigen Bäumen umgeben ist, in der Ferne mit ihrem
Thurm einen angenehmen Prospect bilden. Ekelhafte Gegenstände lassen sich durch
geringe Pflanzungen verstecken. Ein schöner schattender Baum, eine einzige wohl-
gebauete Bank vor dem Eingange der Wohnung giebt schon eine angenehme Verän-
derung. Ein weißer Anwurf der Wände, ein geräumiges helles Fenster, oder eine
nette Thüre hebt schon die Vorderseite, und läßt eine gute Verfassung des Innern
erwarten. Alle diese kleinen Verzierungen, die in der Wirkung des Ganzen zusam-
men doch wichtig werden, kann der Besitzer leicht und ohne Aufwand machen; sie han-
gen blos von einer geringen Aufmerksamkeit ab, die er auf sein Eigenthum wendet.

4.

Aber in so manchen Ländern, wo noch Sclaverey und, ihre Mittyranninn, die
Armuth den Landmann drückt, ist, anstatt aller Verschönerung, nur Befreyung
von Elend zu empfehlen. Und was ist die Leibeigenschaft, worunter der gute und
nützliche Landbewohner hie und da noch seufzet, anders als Sclaverey, oder Berau-
bung seiner natürlichen Freyheit? Wenn er seinen Aufenthalt nicht nach Willkühr
verändern; sich nicht nach seiner Neigung verheirathen darf; wenn seine Kinder mit

allen
*) v. Haller.
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einzelner Theile eines Landſitzes.
ſeinem eigenen Vermoͤgen eine kleine Stiftung angelegt, wer eine neue gemeinnuͤtzige
Erfindung in irgend einem Theil der Landwirthſchaft gemacht, der ſollte hier ſein
Ehrendenkmal haben, bey welchem vielleicht noch ſpaͤt

Die Jugend ſteht erſtaunt und zeigt in den Geberden
Die edle Ungeduld, noch loͤblicher zu werden*).

Der Tag der Errichtung eines ſolchen Denkmals muͤßte ein oͤffentliches Feſt fuͤr
das ganze Dorf ſeyn. Alte und Junge hielten in ihrem beſten Schmuck einen feyer-
lichen Aufzug zu dem Platze hin. Der aͤlteſte und wuͤrdigſte Greis traͤte hervor mit
einer kurzen und kunſtloſen Lobrede auf den Mann, deſſen Ehre dieſer Tag gehoͤrte,
und mit einer Aufmunterung zu aͤhnlichen Tugenden. Die naͤchſten Verwandten
des Ehreumannes haͤtten bey dieſem Feſt den Vorgang in der ganzen Verſammlung.
Man erfreute ſich zuletzt bey einer oͤffentlichen laͤndlichen Mahlzeit, und die Jugend
duͤrfte ſich am Abend mit Taͤnzen unter der Aufſicht der Aelteſten des Dorfs ergoͤtzen.
Sollte eine ſolche Veranſtaltung nicht zur Nachahmung edler Handlungen wirkſam ſeyn?

Uebrigens laſſen ſich leicht in den Doͤrfern kleine Verſchoͤnerungen anbringen,
die ihr Anſehen haben. Die Zwiſchenraͤume der Wohnungen duͤrfen nur mit Baum-
gruppen, oder mit Gebuͤſchen von fruchttragenden Straͤuchern gefuͤllt werden, ſo
wird ſogleich das Ganze ſich beſſer verbinden und ſich ſchoͤner ausnehmen, als eine
lange unbedeutende Reihe von Haͤuſern. Auch die Kirche kann, wenn ſie auf einer
kleinen Hoͤhe liegt und von einigen Baͤumen umgeben iſt, in der Ferne mit ihrem
Thurm einen angenehmen Proſpect bilden. Ekelhafte Gegenſtaͤnde laſſen ſich durch
geringe Pflanzungen verſtecken. Ein ſchoͤner ſchattender Baum, eine einzige wohl-
gebauete Bank vor dem Eingange der Wohnung giebt ſchon eine angenehme Veraͤn-
derung. Ein weißer Anwurf der Waͤnde, ein geraͤumiges helles Fenſter, oder eine
nette Thuͤre hebt ſchon die Vorderſeite, und laͤßt eine gute Verfaſſung des Innern
erwarten. Alle dieſe kleinen Verzierungen, die in der Wirkung des Ganzen zuſam-
men doch wichtig werden, kann der Beſitzer leicht und ohne Aufwand machen; ſie han-
gen blos von einer geringen Aufmerkſamkeit ab, die er auf ſein Eigenthum wendet.

4.

Aber in ſo manchen Laͤndern, wo noch Sclaverey und, ihre Mittyranninn, die
Armuth den Landmann druͤckt, iſt, anſtatt aller Verſchoͤnerung, nur Befreyung
von Elend zu empfehlen. Und was iſt die Leibeigenſchaft, worunter der gute und
nuͤtzliche Landbewohner hie und da noch ſeufzet, anders als Sclaverey, oder Berau-
bung ſeiner natuͤrlichen Freyheit? Wenn er ſeinen Aufenthalt nicht nach Willkuͤhr
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allen
*) v. Haller.
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[171/0179] einzelner Theile eines Landſitzes. ſeinem eigenen Vermoͤgen eine kleine Stiftung angelegt, wer eine neue gemeinnuͤtzige Erfindung in irgend einem Theil der Landwirthſchaft gemacht, der ſollte hier ſein Ehrendenkmal haben, bey welchem vielleicht noch ſpaͤt Die Jugend ſteht erſtaunt und zeigt in den Geberden Die edle Ungeduld, noch loͤblicher zu werden *). Der Tag der Errichtung eines ſolchen Denkmals muͤßte ein oͤffentliches Feſt fuͤr das ganze Dorf ſeyn. Alte und Junge hielten in ihrem beſten Schmuck einen feyer- lichen Aufzug zu dem Platze hin. Der aͤlteſte und wuͤrdigſte Greis traͤte hervor mit einer kurzen und kunſtloſen Lobrede auf den Mann, deſſen Ehre dieſer Tag gehoͤrte, und mit einer Aufmunterung zu aͤhnlichen Tugenden. Die naͤchſten Verwandten des Ehreumannes haͤtten bey dieſem Feſt den Vorgang in der ganzen Verſammlung. Man erfreute ſich zuletzt bey einer oͤffentlichen laͤndlichen Mahlzeit, und die Jugend duͤrfte ſich am Abend mit Taͤnzen unter der Aufſicht der Aelteſten des Dorfs ergoͤtzen. Sollte eine ſolche Veranſtaltung nicht zur Nachahmung edler Handlungen wirkſam ſeyn? Uebrigens laſſen ſich leicht in den Doͤrfern kleine Verſchoͤnerungen anbringen, die ihr Anſehen haben. Die Zwiſchenraͤume der Wohnungen duͤrfen nur mit Baum- gruppen, oder mit Gebuͤſchen von fruchttragenden Straͤuchern gefuͤllt werden, ſo wird ſogleich das Ganze ſich beſſer verbinden und ſich ſchoͤner ausnehmen, als eine lange unbedeutende Reihe von Haͤuſern. Auch die Kirche kann, wenn ſie auf einer kleinen Hoͤhe liegt und von einigen Baͤumen umgeben iſt, in der Ferne mit ihrem Thurm einen angenehmen Proſpect bilden. Ekelhafte Gegenſtaͤnde laſſen ſich durch geringe Pflanzungen verſtecken. Ein ſchoͤner ſchattender Baum, eine einzige wohl- gebauete Bank vor dem Eingange der Wohnung giebt ſchon eine angenehme Veraͤn- derung. Ein weißer Anwurf der Waͤnde, ein geraͤumiges helles Fenſter, oder eine nette Thuͤre hebt ſchon die Vorderſeite, und laͤßt eine gute Verfaſſung des Innern erwarten. Alle dieſe kleinen Verzierungen, die in der Wirkung des Ganzen zuſam- men doch wichtig werden, kann der Beſitzer leicht und ohne Aufwand machen; ſie han- gen blos von einer geringen Aufmerkſamkeit ab, die er auf ſein Eigenthum wendet. 4. Aber in ſo manchen Laͤndern, wo noch Sclaverey und, ihre Mittyranninn, die Armuth den Landmann druͤckt, iſt, anſtatt aller Verſchoͤnerung, nur Befreyung von Elend zu empfehlen. Und was iſt die Leibeigenſchaft, worunter der gute und nuͤtzliche Landbewohner hie und da noch ſeufzet, anders als Sclaverey, oder Berau- bung ſeiner natuͤrlichen Freyheit? Wenn er ſeinen Aufenthalt nicht nach Willkuͤhr veraͤndern; ſich nicht nach ſeiner Neigung verheirathen darf; wenn ſeine Kinder mit allen *) v. Haller. Y 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/179>, abgerufen am 24.04.2024.