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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Erster Anhang.


III.
Neue Anlagen auf dem Carlsberg bey Cassel.

Der Carlsberg ist ein großer waldvoller Berg, berühmt genug durch das
darauf angelegte herrliche Werk der Architectur und der Wasserkünste. *)
Man erblickt überall vortreffliche Wälder von Buchen, und an den leeren Plätzen
eine Menge herrlicher Anpflanzungen, besonders von einheimischen und ausländi-
schen Nadelhölzern, Hayne von Lerchenbäumen und Weyhmouthsfichten, von Roth-
büchen und Silberpappeln, von Tulpenbäumen und virginischen Robinien. Die
neuen Pflanzungen sind schon so reich, daß die Zahl der Bäume und Sträucher sich
auf fünfhundert verschiedene Arten und Abarten erstreckt. Unter diesen weitläufti-
gen Bepflanzungen hat der Carlsberg manche Hügel, manche Thäler, manche
Quellen, Bäche und natürliche Wasserfälle, manche Wiesen und grasreiche Ab-
hänge, und überall entzückende Aussichten. Bey hellem Wetter übersieht man hier
fast eine kleine Welt, die schöne Stadt Cassel und ringsumher auf sieben und zwan-
zig Dörfer in den umliegenden Landschaften. Man bemerkt leicht aus den Vorthei-
len dieser Lage, daß die Kunst der Bearbeitung hier einen der schönsten Gärten in
Europa bilden kann.

Die neuen Anpflanzungen und Scenen sind größtentheils in den mittlern Ge-
genden des Berges, auf einigen Anhöhen und in den Niedrigungen. Eine große
Mannichfaltigkeit von Auftritten, die Schöpfung einer fruchtbaren Einbildungskraft,
bricht hier auf allen Seiten hervor. Man hat die Zeiten des Homer und Virgil
zurückgeführt; eine Menge von Vorstellungen der alten Welt ist in Statuen und
Gemälden erneuert; und die Fabeln der Dichter sind in täuschenden Gestalten wieder
aufgestellt. Götter der ersten Größe und Halbgötter wohnen hier unter den Sterb-
lichen; und neben den elysischen Feldern hat auch Pluto sein Reich mit allen seinen
Ungeheuern eröffnet. Den Göttern sind hier Tempel, den Philosophen Griechen-
lands
Einsiedeleyen und selbst den Zauberinnen Höhlen erbauet. Man hat nicht
bloß das Grabmal des Virgil erneuert, man ist selbst in die grauen Jahrhunderte

der
*) S. 4ten B. S. 125 -- 126. Dieses
Werk soll fünf Millionen gekostet haben; die
jährliche Erhaltung steigt auf 2000 Rthlr.;
der Kitt allein auf 800 Rthlr. Bey den
[Spaltenumbruch] neuen Anlagen hat Se. Durchl. der jetzt
regierende Herr Landgraf, überaus beträcht-
liche Summen verwendet, die noch jährlich
fortgehen.
Erſter Anhang.


III.
Neue Anlagen auf dem Carlsberg bey Caſſel.

Der Carlsberg iſt ein großer waldvoller Berg, beruͤhmt genug durch das
darauf angelegte herrliche Werk der Architectur und der Waſſerkuͤnſte. *)
Man erblickt uͤberall vortreffliche Waͤlder von Buchen, und an den leeren Plaͤtzen
eine Menge herrlicher Anpflanzungen, beſonders von einheimiſchen und auslaͤndi-
ſchen Nadelhoͤlzern, Hayne von Lerchenbaͤumen und Weyhmouthsfichten, von Roth-
buͤchen und Silberpappeln, von Tulpenbaͤumen und virginiſchen Robinien. Die
neuen Pflanzungen ſind ſchon ſo reich, daß die Zahl der Baͤume und Straͤucher ſich
auf fuͤnfhundert verſchiedene Arten und Abarten erſtreckt. Unter dieſen weitlaͤufti-
gen Bepflanzungen hat der Carlsberg manche Huͤgel, manche Thaͤler, manche
Quellen, Baͤche und natuͤrliche Waſſerfaͤlle, manche Wieſen und grasreiche Ab-
haͤnge, und uͤberall entzuͤckende Ausſichten. Bey hellem Wetter uͤberſieht man hier
faſt eine kleine Welt, die ſchoͤne Stadt Caſſel und ringsumher auf ſieben und zwan-
zig Doͤrfer in den umliegenden Landſchaften. Man bemerkt leicht aus den Vorthei-
len dieſer Lage, daß die Kunſt der Bearbeitung hier einen der ſchoͤnſten Gaͤrten in
Europa bilden kann.

Die neuen Anpflanzungen und Scenen ſind groͤßtentheils in den mittlern Ge-
genden des Berges, auf einigen Anhoͤhen und in den Niedrigungen. Eine große
Mannichfaltigkeit von Auftritten, die Schoͤpfung einer fruchtbaren Einbildungskraft,
bricht hier auf allen Seiten hervor. Man hat die Zeiten des Homer und Virgil
zuruͤckgefuͤhrt; eine Menge von Vorſtellungen der alten Welt iſt in Statuen und
Gemaͤlden erneuert; und die Fabeln der Dichter ſind in taͤuſchenden Geſtalten wieder
aufgeſtellt. Goͤtter der erſten Groͤße und Halbgoͤtter wohnen hier unter den Sterb-
lichen; und neben den elyſiſchen Feldern hat auch Pluto ſein Reich mit allen ſeinen
Ungeheuern eroͤffnet. Den Goͤttern ſind hier Tempel, den Philoſophen Griechen-
lands
Einſiedeleyen und ſelbſt den Zauberinnen Hoͤhlen erbauet. Man hat nicht
bloß das Grabmal des Virgil erneuert, man iſt ſelbſt in die grauen Jahrhunderte

der
*) S. 4ten B. S. 125 — 126. Dieſes
Werk ſoll fuͤnf Millionen gekoſtet haben; die
jaͤhrliche Erhaltung ſteigt auf 2000 Rthlr.;
der Kitt allein auf 800 Rthlr. Bey den
[Spaltenumbruch] neuen Anlagen hat Se. Durchl. der jetzt
regierende Herr Landgraf, uͤberaus betraͤcht-
liche Summen verwendet, die noch jaͤhrlich
fortgehen.
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[232/0240] Erſter Anhang. III. Neue Anlagen auf dem Carlsberg bey Caſſel. Der Carlsberg iſt ein großer waldvoller Berg, beruͤhmt genug durch das darauf angelegte herrliche Werk der Architectur und der Waſſerkuͤnſte. *) Man erblickt uͤberall vortreffliche Waͤlder von Buchen, und an den leeren Plaͤtzen eine Menge herrlicher Anpflanzungen, beſonders von einheimiſchen und auslaͤndi- ſchen Nadelhoͤlzern, Hayne von Lerchenbaͤumen und Weyhmouthsfichten, von Roth- buͤchen und Silberpappeln, von Tulpenbaͤumen und virginiſchen Robinien. Die neuen Pflanzungen ſind ſchon ſo reich, daß die Zahl der Baͤume und Straͤucher ſich auf fuͤnfhundert verſchiedene Arten und Abarten erſtreckt. Unter dieſen weitlaͤufti- gen Bepflanzungen hat der Carlsberg manche Huͤgel, manche Thaͤler, manche Quellen, Baͤche und natuͤrliche Waſſerfaͤlle, manche Wieſen und grasreiche Ab- haͤnge, und uͤberall entzuͤckende Ausſichten. Bey hellem Wetter uͤberſieht man hier faſt eine kleine Welt, die ſchoͤne Stadt Caſſel und ringsumher auf ſieben und zwan- zig Doͤrfer in den umliegenden Landſchaften. Man bemerkt leicht aus den Vorthei- len dieſer Lage, daß die Kunſt der Bearbeitung hier einen der ſchoͤnſten Gaͤrten in Europa bilden kann. Die neuen Anpflanzungen und Scenen ſind groͤßtentheils in den mittlern Ge- genden des Berges, auf einigen Anhoͤhen und in den Niedrigungen. Eine große Mannichfaltigkeit von Auftritten, die Schoͤpfung einer fruchtbaren Einbildungskraft, bricht hier auf allen Seiten hervor. Man hat die Zeiten des Homer und Virgil zuruͤckgefuͤhrt; eine Menge von Vorſtellungen der alten Welt iſt in Statuen und Gemaͤlden erneuert; und die Fabeln der Dichter ſind in taͤuſchenden Geſtalten wieder aufgeſtellt. Goͤtter der erſten Groͤße und Halbgoͤtter wohnen hier unter den Sterb- lichen; und neben den elyſiſchen Feldern hat auch Pluto ſein Reich mit allen ſeinen Ungeheuern eroͤffnet. Den Goͤttern ſind hier Tempel, den Philoſophen Griechen- lands Einſiedeleyen und ſelbſt den Zauberinnen Hoͤhlen erbauet. Man hat nicht bloß das Grabmal des Virgil erneuert, man iſt ſelbſt in die grauen Jahrhunderte der *) S. 4ten B. S. 125 — 126. Dieſes Werk ſoll fuͤnf Millionen gekoſtet haben; die jaͤhrliche Erhaltung ſteigt auf 2000 Rthlr.; der Kitt allein auf 800 Rthlr. Bey den neuen Anlagen hat Se. Durchl. der jetzt regierende Herr Landgraf, uͤberaus betraͤcht- liche Summen verwendet, die noch jaͤhrlich fortgehen.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/240>, abgerufen am 19.04.2024.