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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Lustschlössern, Landhäusern, Gartengebäuden etc.
Hoc templum inchoatum
Philosophiae nondum perfectae
Michaeli Montagne
Qui omnia dixit
Sacrum esto.

Auf den Säulen stehen die Namen Newton, Descartes, Voltaire, Penn,
Montesquiu, J. J. Rousseau,
mit der Frage:
Quis hoc perficiet?
Ueber dem Eingange steht die Aufschrift:
Rerum cognoscere causas.
Die Wildniß ahmt des St. Preux Aufenthalt zu Meillerie nach. Auf dem
Gipfel eines hohen Felsens steht eine kleine Hütte; und an seinem Fuß verbreitet sich
ein schöner See; in die Felsen sieht man hin und wieder die Namen von St. Preux
und von seiner Geliebten, und einige Stellen aus der neuen Heloise eingegraben.
In Arcadien erblickt man eine Pyramide mit vier Inschriften, die Theocrit,
Virgil, Thomson
und Geßnern gewidmet sind. Geßners Inschrift ist deutsch,
und eben so wahr, als einfach:
Er hat gemalt, was er gesagt hat.
Der Thurm der Gabriele ist ganz im alten Geschmack. Eine kleine Windeltreppe
führt zu verschiedenen Cabinetten. Von seiner Höhe, wo Fahne und Leuchte stehen,
genießt man eine vortreffliche Aussicht. Am Fuß des Thurms sind aus den Waffen
eines Ritters, der aus Gram über den Tod Heinrichs IV. starb, Trophäen errichtet.
Noch liest man an dem Thurm die Inschrift:

En cette tour droit de peage
La belle Gabriele avoit.
C'est de tout temps, qu' un Francois doit
A la beaute foi et hommage.

Die Spaziergänge in diesem Garten, der noch manche andre feine Verschöne-
rungen enthält, sind nicht bloß für das Auge, sondern auch für das Ohr reizend.
Denn der Herr von Gerardin unterhält eine Anzahl von geschickten Tonkünstlern,
die nicht bloß in dem Hause die besten Stücke aufführen, sondern auch bald in den
Wäldern, bald an den Ufern der Gewässer, bald auf dem Wasser selbst einzeln
oder vereint sich hören lassen. Nirgends findet man das Ungezwungene im Umgange,

die

Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.
Hoc templum inchoatum
Philoſophiae nondum perfectae
Michaeli Montagne
Qui omnia dixit
Sacrum eſto.

Auf den Saͤulen ſtehen die Namen Newton, Descartes, Voltaire, Penn,
Monteſquiu, J. J. Rouſſeau,
mit der Frage:
Quis hoc perficiet?
Ueber dem Eingange ſteht die Aufſchrift:
Rerum cognoſcere cauſas.
Die Wildniß ahmt des St. Preux Aufenthalt zu Meillerie nach. Auf dem
Gipfel eines hohen Felſens ſteht eine kleine Huͤtte; und an ſeinem Fuß verbreitet ſich
ein ſchoͤner See; in die Felſen ſieht man hin und wieder die Namen von St. Preux
und von ſeiner Geliebten, und einige Stellen aus der neuen Heloiſe eingegraben.
In Arcadien erblickt man eine Pyramide mit vier Inſchriften, die Theocrit,
Virgil, Thomſon
und Geßnern gewidmet ſind. Geßners Inſchrift iſt deutſch,
und eben ſo wahr, als einfach:
Er hat gemalt, was er geſagt hat.
Der Thurm der Gabriele iſt ganz im alten Geſchmack. Eine kleine Windeltreppe
fuͤhrt zu verſchiedenen Cabinetten. Von ſeiner Hoͤhe, wo Fahne und Leuchte ſtehen,
genießt man eine vortreffliche Ausſicht. Am Fuß des Thurms ſind aus den Waffen
eines Ritters, der aus Gram uͤber den Tod Heinrichs IV. ſtarb, Trophaͤen errichtet.
Noch lieſt man an dem Thurm die Inſchrift:

En cette tour droit de péage
La belle Gabriele avoit.
C’eſt de tout temps, qu’ un Francois doit
A la beauté foi et hommage.

Die Spaziergaͤnge in dieſem Garten, der noch manche andre feine Verſchoͤne-
rungen enthaͤlt, ſind nicht bloß fuͤr das Auge, ſondern auch fuͤr das Ohr reizend.
Denn der Herr von Gerardin unterhaͤlt eine Anzahl von geſchickten Tonkuͤnſtlern,
die nicht bloß in dem Hauſe die beſten Stuͤcke auffuͤhren, ſondern auch bald in den
Waͤldern, bald an den Ufern der Gewaͤſſer, bald auf dem Waſſer ſelbſt einzeln
oder vereint ſich hoͤren laſſen. Nirgends findet man das Ungezwungene im Umgange,

die
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[263/0271] Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc. Hoc templum inchoatum Philoſophiae nondum perfectae Michaeli Montagne Qui omnia dixit Sacrum eſto. Auf den Saͤulen ſtehen die Namen Newton, Descartes, Voltaire, Penn, Monteſquiu, J. J. Rouſſeau, mit der Frage: Quis hoc perficiet? Ueber dem Eingange ſteht die Aufſchrift: Rerum cognoſcere cauſas. Die Wildniß ahmt des St. Preux Aufenthalt zu Meillerie nach. Auf dem Gipfel eines hohen Felſens ſteht eine kleine Huͤtte; und an ſeinem Fuß verbreitet ſich ein ſchoͤner See; in die Felſen ſieht man hin und wieder die Namen von St. Preux und von ſeiner Geliebten, und einige Stellen aus der neuen Heloiſe eingegraben. In Arcadien erblickt man eine Pyramide mit vier Inſchriften, die Theocrit, Virgil, Thomſon und Geßnern gewidmet ſind. Geßners Inſchrift iſt deutſch, und eben ſo wahr, als einfach: Er hat gemalt, was er geſagt hat. Der Thurm der Gabriele iſt ganz im alten Geſchmack. Eine kleine Windeltreppe fuͤhrt zu verſchiedenen Cabinetten. Von ſeiner Hoͤhe, wo Fahne und Leuchte ſtehen, genießt man eine vortreffliche Ausſicht. Am Fuß des Thurms ſind aus den Waffen eines Ritters, der aus Gram uͤber den Tod Heinrichs IV. ſtarb, Trophaͤen errichtet. Noch lieſt man an dem Thurm die Inſchrift: En cette tour droit de péage La belle Gabriele avoit. C’eſt de tout temps, qu’ un Francois doit A la beauté foi et hommage. Die Spaziergaͤnge in dieſem Garten, der noch manche andre feine Verſchoͤne- rungen enthaͤlt, ſind nicht bloß fuͤr das Auge, ſondern auch fuͤr das Ohr reizend. Denn der Herr von Gerardin unterhaͤlt eine Anzahl von geſchickten Tonkuͤnſtlern, die nicht bloß in dem Hauſe die beſten Stuͤcke auffuͤhren, ſondern auch bald in den Waͤldern, bald an den Ufern der Gewaͤſſer, bald auf dem Waſſer ſelbſt einzeln oder vereint ſich hoͤren laſſen. Nirgends findet man das Ungezwungene im Umgange, die

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/271>, abgerufen am 28.03.2024.