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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,


VIII.
Rußland.
*)
1.

Der Garten des kaiserlichen Sommerhofs zu St. Petersburg an der großen
Newa ist der erste, den Peter, der Große, 1714 nach seinem holländi-
schen
Lieblingsgeschmack anlegen ließ. Er ist von einem weiten Umfang, von vorn
von dem Newastrom, zur Linken von der aus demselben austretenden Fontanka,
und zur Rechten von einem andern ebenfalls von dem Fluß unter dem Namen Moika
ausfließenden Kanal begränzt; er ist prächtig durch breite Alleen, hohe Spaliere,
viele Wosserbehältnisse, Wasserkünste, Cascaden und Verierwasser, offene Plätze
und eine Menge marmorner Statuen von Corradini, Tarsia und andern berühm-
ten italiänischen Bildhauern, nicht weniger ächte marmorne Werke des Alterthums;
er hat eine mit vielen fremden Thieren angefüllte Menagerie, verschiedene Lusthäuser,
durchwachsene Gitterwerke und einen Park mit vier Abtheilungen, worinn die äso-
pischen
Fabeln auf vergoldetem Bley, als Springbrunnen, angebracht sind, wo-
von die Erklärung und Moral auf Termen angebracht sind. Zur linken Seite des
Eingangs in diesen Garten steht ein mäßiger Palast von Stein, worinn Peter I.
mit seiner Gemahlinn und Familie zu wohnen pflegte.

Mit diesem alten Garten verbindet sich, durch die an seinem Ende über den
Queerkanal gehende Brücke, noch ein anderer nicht viel kleinerer Garten, den die
Kaiserinn Catharina I. durch einen schwedischen Gärtner anlegen ließ; daher er
der schwedische Garten genennet ward. Die Kaiserinn Elisabeth hat ihn sehr
verbessert. Sie ließ ein neues Palals erbauen, wo sie im Sommer wohnte, und
einen prächtigen Pavillon aufführen. Am Palais war vor dem Schlafgemach ein
niedlicher hangender Garten angebracht.

Diesem Garten fast gegenüber, jenseits der Fontanka, liegt der dritte Hof-
garten, an dem sogenannten italiänischen Palais; daher er auch der italiänische

Garten
*) Diese neuen und schätzbaren Nach-
richten von den Gärten in Rußland sind
die Gartenfreunde mit mir der unvergeß-
lichen Gefälligkeit des kaiserl. wirklichen
[Spaltenumbruch] Staatsrathes, Herrn von Stähelin, schul-
dig, der durch seinen Charakter eben so
ehrwürdig ist, als durch seine ausgebrei-
tete Gelehrsamkeit und Kunstkenntnisse.
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,


VIII.
Rußland.
*)
1.

Der Garten des kaiſerlichen Sommerhofs zu St. Petersburg an der großen
Newa iſt der erſte, den Peter, der Große, 1714 nach ſeinem hollaͤndi-
ſchen
Lieblingsgeſchmack anlegen ließ. Er iſt von einem weiten Umfang, von vorn
von dem Newaſtrom, zur Linken von der aus demſelben austretenden Fontanka,
und zur Rechten von einem andern ebenfalls von dem Fluß unter dem Namen Moika
ausfließenden Kanal begraͤnzt; er iſt praͤchtig durch breite Alleen, hohe Spaliere,
viele Woſſerbehaͤltniſſe, Waſſerkuͤnſte, Caſcaden und Verierwaſſer, offene Plaͤtze
und eine Menge marmorner Statuen von Corradini, Tarſia und andern beruͤhm-
ten italiaͤniſchen Bildhauern, nicht weniger aͤchte marmorne Werke des Alterthums;
er hat eine mit vielen fremden Thieren angefuͤllte Menagerie, verſchiedene Luſthaͤuſer,
durchwachſene Gitterwerke und einen Park mit vier Abtheilungen, worinn die aͤſo-
piſchen
Fabeln auf vergoldetem Bley, als Springbrunnen, angebracht ſind, wo-
von die Erklaͤrung und Moral auf Termen angebracht ſind. Zur linken Seite des
Eingangs in dieſen Garten ſteht ein maͤßiger Palaſt von Stein, worinn Peter I.
mit ſeiner Gemahlinn und Familie zu wohnen pflegte.

Mit dieſem alten Garten verbindet ſich, durch die an ſeinem Ende uͤber den
Queerkanal gehende Bruͤcke, noch ein anderer nicht viel kleinerer Garten, den die
Kaiſerinn Catharina I. durch einen ſchwediſchen Gaͤrtner anlegen ließ; daher er
der ſchwediſche Garten genennet ward. Die Kaiſerinn Eliſabeth hat ihn ſehr
verbeſſert. Sie ließ ein neues Palals erbauen, wo ſie im Sommer wohnte, und
einen praͤchtigen Pavillon auffuͤhren. Am Palais war vor dem Schlafgemach ein
niedlicher hangender Garten angebracht.

Dieſem Garten faſt gegenuͤber, jenſeits der Fontanka, liegt der dritte Hof-
garten, an dem ſogenannten italiaͤniſchen Palais; daher er auch der italiaͤniſche

Garten
*) Dieſe neuen und ſchaͤtzbaren Nach-
richten von den Gaͤrten in Rußland ſind
die Gartenfreunde mit mir der unvergeß-
lichen Gefaͤlligkeit des kaiſerl. wirklichen
[Spaltenumbruch] Staatsrathes, Herrn von Staͤhelin, ſchul-
dig, der durch ſeinen Charakter eben ſo
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tete Gelehrſamkeit und Kunſtkenntniſſe.
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[286/0294] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, VIII. Rußland. *) 1. Der Garten des kaiſerlichen Sommerhofs zu St. Petersburg an der großen Newa iſt der erſte, den Peter, der Große, 1714 nach ſeinem hollaͤndi- ſchen Lieblingsgeſchmack anlegen ließ. Er iſt von einem weiten Umfang, von vorn von dem Newaſtrom, zur Linken von der aus demſelben austretenden Fontanka, und zur Rechten von einem andern ebenfalls von dem Fluß unter dem Namen Moika ausfließenden Kanal begraͤnzt; er iſt praͤchtig durch breite Alleen, hohe Spaliere, viele Woſſerbehaͤltniſſe, Waſſerkuͤnſte, Caſcaden und Verierwaſſer, offene Plaͤtze und eine Menge marmorner Statuen von Corradini, Tarſia und andern beruͤhm- ten italiaͤniſchen Bildhauern, nicht weniger aͤchte marmorne Werke des Alterthums; er hat eine mit vielen fremden Thieren angefuͤllte Menagerie, verſchiedene Luſthaͤuſer, durchwachſene Gitterwerke und einen Park mit vier Abtheilungen, worinn die aͤſo- piſchen Fabeln auf vergoldetem Bley, als Springbrunnen, angebracht ſind, wo- von die Erklaͤrung und Moral auf Termen angebracht ſind. Zur linken Seite des Eingangs in dieſen Garten ſteht ein maͤßiger Palaſt von Stein, worinn Peter I. mit ſeiner Gemahlinn und Familie zu wohnen pflegte. Mit dieſem alten Garten verbindet ſich, durch die an ſeinem Ende uͤber den Queerkanal gehende Bruͤcke, noch ein anderer nicht viel kleinerer Garten, den die Kaiſerinn Catharina I. durch einen ſchwediſchen Gaͤrtner anlegen ließ; daher er der ſchwediſche Garten genennet ward. Die Kaiſerinn Eliſabeth hat ihn ſehr verbeſſert. Sie ließ ein neues Palals erbauen, wo ſie im Sommer wohnte, und einen praͤchtigen Pavillon auffuͤhren. Am Palais war vor dem Schlafgemach ein niedlicher hangender Garten angebracht. Dieſem Garten faſt gegenuͤber, jenſeits der Fontanka, liegt der dritte Hof- garten, an dem ſogenannten italiaͤniſchen Palais; daher er auch der italiaͤniſche Garten *) Dieſe neuen und ſchaͤtzbaren Nach- richten von den Gaͤrten in Rußland ſind die Gartenfreunde mit mir der unvergeß- lichen Gefaͤlligkeit des kaiſerl. wirklichen Staatsrathes, Herrn von Staͤhelin, ſchul- dig, der durch ſeinen Charakter eben ſo ehrwuͤrdig iſt, als durch ſeine ausgebrei- tete Gelehrſamkeit und Kunſtkenntniſſe.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/294>, abgerufen am 28.03.2024.