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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Lustschlössern, Landhäusern, Gartengebäuden etc.
Garten genennet wird. Er erstreckt sich über eine Werst *) weit in die Länge, und
enthält anmuthige Laubgänge, wird aber jetzt zu weiter nichts als zur Erziehung
von Blumen, Gewächsen und Baumfrüchten aller Art für den kaiserlichen Hof
unterhalten.

Zunächst an demselben, ebenfalls an dem Fontanka-Kanal, liegt der gräfliche
Scheremetowische Garten, der zwar klein ist, aber in Ansehung seiner hohen
schattigten Bosquets, schönen marmornen Statuen, Pavillons, einer Grotte, und
eines bewohnbaren Gartenhauses viel Angenehmes hat.

In eben dieser symmetrischen Manier der vorigen Zeit, doch mit vieler Prache
verbunden, sind viele andre Gärten in St. Petersburg; dahin gehören der alte Gar-
ten bey dem ehemaligen Palais des Fürsten Menschikow, jetzt adelichen Cadetcorps,
der Garten des Grafen Rasumowsky, wovon jedoch ein Theil bereits in dem neuen
Geschmack umgebildet ist, und die Gärten an dem Wege nach dem Lustschloß Pe-
terhof,
wo man mehr als dreyßig Sommersitze vornehmer Privatpersonen erblickt,
auf der schlüsselburgischen Landstraße bey dem Kloster zum heil. Alexander
Newsky,
vorzüglich aber an der obern Newa die fürstlichen Weasomskische und
Neplujewische Gärten. Das letzte Landgut, das an dem äußersten Ende des
Newastroms liegt, hat eine überaus reizende Lage, und ist kürzlich von der jetzigen
Monarchinn gekauft, die diesen Ort nach ihrem feinen Geschmack zu einem schönen.
Sommeraufenthalt einrichten wird.

Der größte und prächtigste, wiewohl nach der alten regulairen Manier von
Peter, dem Großen, angelegte Lustgarten ist unstreitig der bey dem Lustschloß
Peterhof, 30 Werste von St. Petersburg, der gewöhnlichen Sommetresidenz
des kaiserlichen Hofes. Dieser Garten kann wohl mit Recht das russische Ver-
failles
in Ansehung seiner kostbaren und mancherley Gebäude, Wasserkünste, Cas-
caden, marmornen Bilder, des Parks, der Wildbahnen genennet werden; ja er
besitzt in Betracht verschiedener Umstände noch viele Vorzüge vor Ludwigs XIV
Prachtgarten. Schon seine herrliche Lage entscheidet zu seinem Vortheil. Das
Schloß, die Hofstaatsgebäude und der Obergarten liegen etliche 40 Fuß hoch über
die Meeresfläche; der untere Garten aber, der auf drey Werste lang ist, an der
See, die ihn von der Nordwestseite begränzt. Die Aussicht ist überaus groß und
reizend. Sie streicht über den Untergarten hin auf die See; zur Linken, einige
Werste weit, erscheint die Stadt, die Festung und der Hasen von Kronstadt,

gerade
*) 1 Werst -- 500 Faden. 1 Faden -- 7 engl. Fuß. 7 Werste -- 1 gemeine deut-
sche Meile.

Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.
Garten genennet wird. Er erſtreckt ſich uͤber eine Werſt *) weit in die Laͤnge, und
enthaͤlt anmuthige Laubgaͤnge, wird aber jetzt zu weiter nichts als zur Erziehung
von Blumen, Gewaͤchſen und Baumfruͤchten aller Art fuͤr den kaiſerlichen Hof
unterhalten.

Zunaͤchſt an demſelben, ebenfalls an dem Fontanka-Kanal, liegt der graͤfliche
Scheremetowiſche Garten, der zwar klein iſt, aber in Anſehung ſeiner hohen
ſchattigten Bosquets, ſchoͤnen marmornen Statuen, Pavillons, einer Grotte, und
eines bewohnbaren Gartenhauſes viel Angenehmes hat.

In eben dieſer ſymmetriſchen Manier der vorigen Zeit, doch mit vieler Prache
verbunden, ſind viele andre Gaͤrten in St. Petersburg; dahin gehoͤren der alte Gar-
ten bey dem ehemaligen Palais des Fuͤrſten Menſchikow, jetzt adelichen Cadetcorps,
der Garten des Grafen Raſumowsky, wovon jedoch ein Theil bereits in dem neuen
Geſchmack umgebildet iſt, und die Gaͤrten an dem Wege nach dem Luſtſchloß Pe-
terhof,
wo man mehr als dreyßig Sommerſitze vornehmer Privatperſonen erblickt,
auf der ſchluͤſſelburgiſchen Landſtraße bey dem Kloſter zum heil. Alexander
Newsky,
vorzuͤglich aber an der obern Newa die fuͤrſtlichen Weaſomskiſche und
Neplujewiſche Gaͤrten. Das letzte Landgut, das an dem aͤußerſten Ende des
Newaſtroms liegt, hat eine uͤberaus reizende Lage, und iſt kuͤrzlich von der jetzigen
Monarchinn gekauft, die dieſen Ort nach ihrem feinen Geſchmack zu einem ſchoͤnen.
Sommeraufenthalt einrichten wird.

Der groͤßte und praͤchtigſte, wiewohl nach der alten regulairen Manier von
Peter, dem Großen, angelegte Luſtgarten iſt unſtreitig der bey dem Luſtſchloß
Peterhof, 30 Werſte von St. Petersburg, der gewoͤhnlichen Sommetreſidenz
des kaiſerlichen Hofes. Dieſer Garten kann wohl mit Recht das ruſſiſche Ver-
failles
in Anſehung ſeiner koſtbaren und mancherley Gebaͤude, Waſſerkuͤnſte, Caſ-
caden, marmornen Bilder, des Parks, der Wildbahnen genennet werden; ja er
beſitzt in Betracht verſchiedener Umſtaͤnde noch viele Vorzuͤge vor Ludwigs XIV
Prachtgarten. Schon ſeine herrliche Lage entſcheidet zu ſeinem Vortheil. Das
Schloß, die Hofſtaatsgebaͤude und der Obergarten liegen etliche 40 Fuß hoch uͤber
die Meeresflaͤche; der untere Garten aber, der auf drey Werſte lang iſt, an der
See, die ihn von der Nordweſtſeite begraͤnzt. Die Ausſicht iſt uͤberaus groß und
reizend. Sie ſtreicht uͤber den Untergarten hin auf die See; zur Linken, einige
Werſte weit, erſcheint die Stadt, die Feſtung und der Haſen von Kronſtadt,

gerade
*) 1 Werſt — 500 Faden. 1 Faden — 7 engl. Fuß. 7 Werſte — 1 gemeine deut-
ſche Meile.
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[287/0295] Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc. Garten genennet wird. Er erſtreckt ſich uͤber eine Werſt *) weit in die Laͤnge, und enthaͤlt anmuthige Laubgaͤnge, wird aber jetzt zu weiter nichts als zur Erziehung von Blumen, Gewaͤchſen und Baumfruͤchten aller Art fuͤr den kaiſerlichen Hof unterhalten. Zunaͤchſt an demſelben, ebenfalls an dem Fontanka-Kanal, liegt der graͤfliche Scheremetowiſche Garten, der zwar klein iſt, aber in Anſehung ſeiner hohen ſchattigten Bosquets, ſchoͤnen marmornen Statuen, Pavillons, einer Grotte, und eines bewohnbaren Gartenhauſes viel Angenehmes hat. In eben dieſer ſymmetriſchen Manier der vorigen Zeit, doch mit vieler Prache verbunden, ſind viele andre Gaͤrten in St. Petersburg; dahin gehoͤren der alte Gar- ten bey dem ehemaligen Palais des Fuͤrſten Menſchikow, jetzt adelichen Cadetcorps, der Garten des Grafen Raſumowsky, wovon jedoch ein Theil bereits in dem neuen Geſchmack umgebildet iſt, und die Gaͤrten an dem Wege nach dem Luſtſchloß Pe- terhof, wo man mehr als dreyßig Sommerſitze vornehmer Privatperſonen erblickt, auf der ſchluͤſſelburgiſchen Landſtraße bey dem Kloſter zum heil. Alexander Newsky, vorzuͤglich aber an der obern Newa die fuͤrſtlichen Weaſomskiſche und Neplujewiſche Gaͤrten. Das letzte Landgut, das an dem aͤußerſten Ende des Newaſtroms liegt, hat eine uͤberaus reizende Lage, und iſt kuͤrzlich von der jetzigen Monarchinn gekauft, die dieſen Ort nach ihrem feinen Geſchmack zu einem ſchoͤnen. Sommeraufenthalt einrichten wird. Der groͤßte und praͤchtigſte, wiewohl nach der alten regulairen Manier von Peter, dem Großen, angelegte Luſtgarten iſt unſtreitig der bey dem Luſtſchloß Peterhof, 30 Werſte von St. Petersburg, der gewoͤhnlichen Sommetreſidenz des kaiſerlichen Hofes. Dieſer Garten kann wohl mit Recht das ruſſiſche Ver- failles in Anſehung ſeiner koſtbaren und mancherley Gebaͤude, Waſſerkuͤnſte, Caſ- caden, marmornen Bilder, des Parks, der Wildbahnen genennet werden; ja er beſitzt in Betracht verſchiedener Umſtaͤnde noch viele Vorzuͤge vor Ludwigs XIV Prachtgarten. Schon ſeine herrliche Lage entſcheidet zu ſeinem Vortheil. Das Schloß, die Hofſtaatsgebaͤude und der Obergarten liegen etliche 40 Fuß hoch uͤber die Meeresflaͤche; der untere Garten aber, der auf drey Werſte lang iſt, an der See, die ihn von der Nordweſtſeite begraͤnzt. Die Ausſicht iſt uͤberaus groß und reizend. Sie ſtreicht uͤber den Untergarten hin auf die See; zur Linken, einige Werſte weit, erſcheint die Stadt, die Feſtung und der Haſen von Kronſtadt, gerade *) 1 Werſt — 500 Faden. 1 Faden — 7 engl. Fuß. 7 Werſte — 1 gemeine deut- ſche Meile.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/295>, abgerufen am 29.03.2024.