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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Lustschlössern, Landhäusern, Gartengebäuden etc.


IX.
Pohlen.
*)
1.

Es fehlt Warschau, so wie vielen großen Städten, an hinlänglichen Spazier-
gängen für das Publicum, und wir haben davon eigentlich nur zwey, die diesen
Namen verdienen. Der erste und vorzüglichste ist der churfürstl. sächsische Garten
auf der Cracauer Vorstadt. Dieser ist den hiesigen Einwohnern das, was den
Parisern die Tuillerien sind, und destehet aus einem langen, breiten, mit Linden,
wilden Kastanienbäumen, hohen Hecken und schlechten Bildsäulen besetzten Parterre,
an dessen Ende sich ein offener mit korinthischen Säulen und Pilastern verzierter
Salon befindet, welcher von den vorigen sächsischen Königen bestimmt war, um
auf solchem einen Wasserhalter zu den im Garten anzulegenden Springbrunnen zu
errichten, jetzt aber zum Verkauf von Erfrischungen dienet. Hinter diesem Ge-
bäude sind noch schattigte Spaziergänge, und auf beyden Seiten des Partetre Frucht-
und Küchengärten mit einigen unerheblichen Gebäuden. Der mittlere Theil dieses
Gartens ist jedermann offen, so wie der Durchgang durch ihn zur Bequemlichkeit
des Publicums erlaubt ist. Unter dem vorigen König war das Parterre mit Bln-
menstücken und Orangerie verziert, jetzt sind bloße Rasenplätze an ihrer Stelle, und
sowohl die Gänge als Hecken werden nothdürftig unterhalten, da der Hof nicht meht
darauf zu verwenden für gut findet, auch aus eben der Ursache der in ziemlich gutem
Geschmack erbauete Salon seinem Untergange nahe ist. Das an diesen Garten
stoßende Palais ist ein weitläuftiges Gebäude von weniger Erheblichkeit für den Ge-
schmack. Der davor gelegene Hof ist der schönste und geräumlichste dieser Stadt,
so wie überhaupt die ganze Lage dieser Besitzung schön ist und zu einer königlichen
Wohnung alle erforderlichen Eigenschaften hat.

Der
*) Hr. D. von Geret, Senator der freyen
und unmittelbaren Stadt Thorn und der-
selben vormaliger Resident zu Warschau,
ein feiner Gelehrter und Freund der Gelehr-
ten, hat die Gesälligkeit gehabt, mir diese
noch bisher ganz unbekannten Nachrichten
von den Gärten in Pohlen, von einem Ar-
[Spaltenumbruch] chitecten, der mit seiner Wissenschaft einen
seltenen Gartengeschmack und andre Kunst-
kenntnisse vereinigt, dem Churfürsil. Säch-
sischen Hofbaumeister, Hrn. Zugk in War-
schau, zu verschaffen, und diese Nachrich-
ten hie und da mit einigen Anmerkungen
zu vermehren.
O o 3
Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.


IX.
Pohlen.
*)
1.

Es fehlt Warſchau, ſo wie vielen großen Staͤdten, an hinlaͤnglichen Spazier-
gaͤngen fuͤr das Publicum, und wir haben davon eigentlich nur zwey, die dieſen
Namen verdienen. Der erſte und vorzuͤglichſte iſt der churfuͤrſtl. ſaͤchſiſche Garten
auf der Cracauer Vorſtadt. Dieſer iſt den hieſigen Einwohnern das, was den
Pariſern die Tuillerien ſind, und deſtehet aus einem langen, breiten, mit Linden,
wilden Kaſtanienbaͤumen, hohen Hecken und ſchlechten Bildſaͤulen beſetzten Parterre,
an deſſen Ende ſich ein offener mit korinthiſchen Saͤulen und Pilaſtern verzierter
Salon befindet, welcher von den vorigen ſaͤchſiſchen Koͤnigen beſtimmt war, um
auf ſolchem einen Waſſerhalter zu den im Garten anzulegenden Springbrunnen zu
errichten, jetzt aber zum Verkauf von Erfriſchungen dienet. Hinter dieſem Ge-
baͤude ſind noch ſchattigte Spaziergaͤnge, und auf beyden Seiten des Partetre Frucht-
und Kuͤchengaͤrten mit einigen unerheblichen Gebaͤuden. Der mittlere Theil dieſes
Gartens iſt jedermann offen, ſo wie der Durchgang durch ihn zur Bequemlichkeit
des Publicums erlaubt iſt. Unter dem vorigen Koͤnig war das Parterre mit Bln-
menſtuͤcken und Orangerie verziert, jetzt ſind bloße Raſenplaͤtze an ihrer Stelle, und
ſowohl die Gaͤnge als Hecken werden nothduͤrftig unterhalten, da der Hof nicht meht
darauf zu verwenden fuͤr gut findet, auch aus eben der Urſache der in ziemlich gutem
Geſchmack erbauete Salon ſeinem Untergange nahe iſt. Das an dieſen Garten
ſtoßende Palais iſt ein weitlaͤuftiges Gebaͤude von weniger Erheblichkeit fuͤr den Ge-
ſchmack. Der davor gelegene Hof iſt der ſchoͤnſte und geraͤumlichſte dieſer Stadt,
ſo wie uͤberhaupt die ganze Lage dieſer Beſitzung ſchoͤn iſt und zu einer koͤniglichen
Wohnung alle erforderlichen Eigenſchaften hat.

Der
*) Hr. D. von Geret, Senator der freyen
und unmittelbaren Stadt Thorn und der-
ſelben vormaliger Reſident zu Warſchau,
ein feiner Gelehrter und Freund der Gelehr-
ten, hat die Geſaͤlligkeit gehabt, mir dieſe
noch bisher ganz unbekannten Nachrichten
von den Gaͤrten in Pohlen, von einem Ar-
[Spaltenumbruch] chitecten, der mit ſeiner Wiſſenſchaft einen
ſeltenen Gartengeſchmack und andre Kunſt-
kenntniſſe vereinigt, dem Churfuͤrſil. Saͤch-
ſiſchen Hofbaumeiſter, Hrn. Zugk in War-
ſchau, zu verſchaffen, und dieſe Nachrich-
ten hie und da mit einigen Anmerkungen
zu vermehren.
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[293/0301] Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc. IX. Pohlen. *) 1. Es fehlt Warſchau, ſo wie vielen großen Staͤdten, an hinlaͤnglichen Spazier- gaͤngen fuͤr das Publicum, und wir haben davon eigentlich nur zwey, die dieſen Namen verdienen. Der erſte und vorzuͤglichſte iſt der churfuͤrſtl. ſaͤchſiſche Garten auf der Cracauer Vorſtadt. Dieſer iſt den hieſigen Einwohnern das, was den Pariſern die Tuillerien ſind, und deſtehet aus einem langen, breiten, mit Linden, wilden Kaſtanienbaͤumen, hohen Hecken und ſchlechten Bildſaͤulen beſetzten Parterre, an deſſen Ende ſich ein offener mit korinthiſchen Saͤulen und Pilaſtern verzierter Salon befindet, welcher von den vorigen ſaͤchſiſchen Koͤnigen beſtimmt war, um auf ſolchem einen Waſſerhalter zu den im Garten anzulegenden Springbrunnen zu errichten, jetzt aber zum Verkauf von Erfriſchungen dienet. Hinter dieſem Ge- baͤude ſind noch ſchattigte Spaziergaͤnge, und auf beyden Seiten des Partetre Frucht- und Kuͤchengaͤrten mit einigen unerheblichen Gebaͤuden. Der mittlere Theil dieſes Gartens iſt jedermann offen, ſo wie der Durchgang durch ihn zur Bequemlichkeit des Publicums erlaubt iſt. Unter dem vorigen Koͤnig war das Parterre mit Bln- menſtuͤcken und Orangerie verziert, jetzt ſind bloße Raſenplaͤtze an ihrer Stelle, und ſowohl die Gaͤnge als Hecken werden nothduͤrftig unterhalten, da der Hof nicht meht darauf zu verwenden fuͤr gut findet, auch aus eben der Urſache der in ziemlich gutem Geſchmack erbauete Salon ſeinem Untergange nahe iſt. Das an dieſen Garten ſtoßende Palais iſt ein weitlaͤuftiges Gebaͤude von weniger Erheblichkeit fuͤr den Ge- ſchmack. Der davor gelegene Hof iſt der ſchoͤnſte und geraͤumlichſte dieſer Stadt, ſo wie uͤberhaupt die ganze Lage dieſer Beſitzung ſchoͤn iſt und zu einer koͤniglichen Wohnung alle erforderlichen Eigenſchaften hat. Der *) Hr. D. von Geret, Senator der freyen und unmittelbaren Stadt Thorn und der- ſelben vormaliger Reſident zu Warſchau, ein feiner Gelehrter und Freund der Gelehr- ten, hat die Geſaͤlligkeit gehabt, mir dieſe noch bisher ganz unbekannten Nachrichten von den Gaͤrten in Pohlen, von einem Ar- chitecten, der mit ſeiner Wiſſenſchaft einen ſeltenen Gartengeſchmack und andre Kunſt- kenntniſſe vereinigt, dem Churfuͤrſil. Saͤch- ſiſchen Hofbaumeiſter, Hrn. Zugk in War- ſchau, zu verſchaffen, und dieſe Nachrich- ten hie und da mit einigen Anmerkungen zu vermehren. O o 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/301>, abgerufen am 28.03.2024.