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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Sechster Abschnitt. Gärten
3.

Zu dieser Gattung können am bequemsten die Blumengärten *) gerechnet
werden. Obgleich Gruppen und andere Anordnungen von Blumen in großen Gär-
ten zuweilen als fast unentbehrliche Theile anzusehen, und besonders ein Eigenthum
des angenehmen und heitern Charakters sind; **) so werden sie doch da mehr wie
Mittel zur Belebung und Verschönerung betrachtet, als Anlagen, die für sich ein
Ganzes machen. Auf einen rauhen verwilderten Bezirk kann auf einmal eine ge-
schmückte Blumenflur erscheinen, als ein lebhafter Contrast. Allein die feinern und
edlern Töchter der Flora gehören mehr in den geschmückten Theil des Gartens, als
in die Wildniß; denn sie fordern mehr das Auge ihres Freundes zum Genuß ihrer
Schönheit und seine Hand zu ihrer Pflege. Der Privatmann, der Bürger, der
nicht Land genug zu einem ausgedehnten Garten besitzt, belustigt sich daher gern an
einem Blumengarten. Diese Gattung begnügt sich nicht allein mit einem geringern
Raum; sie schickt sich auch vortrefflich zur Bepflanzung der Plätze in der Nähe um
die Wohngebäude her und hinter ihnen. Hier sind Blumengärten nicht mehr beson-
dere Theile, nicht mehr bloße Mittel zur Verschönerung; sie machen vielmehr ein
Ganzes, eine eigene für sich bestehende Gattung aus.

Die Bestimmung der Blumengärten ist Belustigung des Auges durch Man-
nichfaltigkeit und Schönheit der Farben, vereinigt mit der Ergötzung des Geruchs.
Daher wird der Besitzer zuvörderst sowohl für die Beständigkeit der Flor, als auch
für eine solche Anordnung und Verbindung der Blumengewächse nach Größe und
Farbe sorgen, daß dadurch eine anziehende Malerey hervorgebracht werde. Eine
abgezirkelte Flur, wo die Blumen nur nach Geschlechtern, nach Arten und Varietä-
ten geordnet sind, ist dieser Wirkung wenig vortheilhaft. Weit mehr günstig ist
dazu eine mit kleinen Hügeln und sanften Vertiefungen unterbrochene, sich wellenför-
mig dahin schmiegende Gegend, und dabey eine Lage gegen das liebliche Licht des
Morgens, das den von Thau glänzenden Pflanzen einen neuen Reiz entgegen streckt.
Neigt sich außerdem der Boden sonst zu einem klaren Wafserstück oder zu einem
Bach herab, der zwischen den kleinen Vertiefungen umherirrt, bald ruhig mit dem
Bilde der nachbarlichen Blumen dahin gleitet, bald muthwillig zwischen Kieseln
umherhüpft, bald in murmelnden Fällen sich jagt, und an seinen Spielen selbst sich
zu ergötzen scheint; so wird die Situation frischer, und das Gemälde lebendiger.
Noch mehr gewinnt die Scene an Reiz, wenn hin und wieder blühende Sträucher

die
*) S. 1sten B. S. 76. u. s. w.
**) S. 77.
Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
3.

Zu dieſer Gattung koͤnnen am bequemſten die Blumengaͤrten *) gerechnet
werden. Obgleich Gruppen und andere Anordnungen von Blumen in großen Gaͤr-
ten zuweilen als faſt unentbehrliche Theile anzuſehen, und beſonders ein Eigenthum
des angenehmen und heitern Charakters ſind; **) ſo werden ſie doch da mehr wie
Mittel zur Belebung und Verſchoͤnerung betrachtet, als Anlagen, die fuͤr ſich ein
Ganzes machen. Auf einen rauhen verwilderten Bezirk kann auf einmal eine ge-
ſchmuͤckte Blumenflur erſcheinen, als ein lebhafter Contraſt. Allein die feinern und
edlern Toͤchter der Flora gehoͤren mehr in den geſchmuͤckten Theil des Gartens, als
in die Wildniß; denn ſie fordern mehr das Auge ihres Freundes zum Genuß ihrer
Schoͤnheit und ſeine Hand zu ihrer Pflege. Der Privatmann, der Buͤrger, der
nicht Land genug zu einem ausgedehnten Garten beſitzt, beluſtigt ſich daher gern an
einem Blumengarten. Dieſe Gattung begnuͤgt ſich nicht allein mit einem geringern
Raum; ſie ſchickt ſich auch vortrefflich zur Bepflanzung der Plaͤtze in der Naͤhe um
die Wohngebaͤude her und hinter ihnen. Hier ſind Blumengaͤrten nicht mehr beſon-
dere Theile, nicht mehr bloße Mittel zur Verſchoͤnerung; ſie machen vielmehr ein
Ganzes, eine eigene fuͤr ſich beſtehende Gattung aus.

Die Beſtimmung der Blumengaͤrten iſt Beluſtigung des Auges durch Man-
nichfaltigkeit und Schoͤnheit der Farben, vereinigt mit der Ergoͤtzung des Geruchs.
Daher wird der Beſitzer zuvoͤrderſt ſowohl fuͤr die Beſtaͤndigkeit der Flor, als auch
fuͤr eine ſolche Anordnung und Verbindung der Blumengewaͤchſe nach Groͤße und
Farbe ſorgen, daß dadurch eine anziehende Malerey hervorgebracht werde. Eine
abgezirkelte Flur, wo die Blumen nur nach Geſchlechtern, nach Arten und Varietaͤ-
ten geordnet ſind, iſt dieſer Wirkung wenig vortheilhaft. Weit mehr guͤnſtig iſt
dazu eine mit kleinen Huͤgeln und ſanften Vertiefungen unterbrochene, ſich wellenfoͤr-
mig dahin ſchmiegende Gegend, und dabey eine Lage gegen das liebliche Licht des
Morgens, das den von Thau glaͤnzenden Pflanzen einen neuen Reiz entgegen ſtreckt.
Neigt ſich außerdem der Boden ſonſt zu einem klaren Wafſerſtuͤck oder zu einem
Bach herab, der zwiſchen den kleinen Vertiefungen umherirrt, bald ruhig mit dem
Bilde der nachbarlichen Blumen dahin gleitet, bald muthwillig zwiſchen Kieſeln
umherhuͤpft, bald in murmelnden Faͤllen ſich jagt, und an ſeinen Spielen ſelbſt ſich
zu ergoͤtzen ſcheint; ſo wird die Situation friſcher, und das Gemaͤlde lebendiger.
Noch mehr gewinnt die Scene an Reiz, wenn hin und wieder bluͤhende Straͤucher

die
*) S. 1ſten B. S. 76. u. ſ. w.
**) S. 77.
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[60/0068] Sechster Abſchnitt. Gaͤrten 3. Zu dieſer Gattung koͤnnen am bequemſten die Blumengaͤrten *) gerechnet werden. Obgleich Gruppen und andere Anordnungen von Blumen in großen Gaͤr- ten zuweilen als faſt unentbehrliche Theile anzuſehen, und beſonders ein Eigenthum des angenehmen und heitern Charakters ſind; **) ſo werden ſie doch da mehr wie Mittel zur Belebung und Verſchoͤnerung betrachtet, als Anlagen, die fuͤr ſich ein Ganzes machen. Auf einen rauhen verwilderten Bezirk kann auf einmal eine ge- ſchmuͤckte Blumenflur erſcheinen, als ein lebhafter Contraſt. Allein die feinern und edlern Toͤchter der Flora gehoͤren mehr in den geſchmuͤckten Theil des Gartens, als in die Wildniß; denn ſie fordern mehr das Auge ihres Freundes zum Genuß ihrer Schoͤnheit und ſeine Hand zu ihrer Pflege. Der Privatmann, der Buͤrger, der nicht Land genug zu einem ausgedehnten Garten beſitzt, beluſtigt ſich daher gern an einem Blumengarten. Dieſe Gattung begnuͤgt ſich nicht allein mit einem geringern Raum; ſie ſchickt ſich auch vortrefflich zur Bepflanzung der Plaͤtze in der Naͤhe um die Wohngebaͤude her und hinter ihnen. Hier ſind Blumengaͤrten nicht mehr beſon- dere Theile, nicht mehr bloße Mittel zur Verſchoͤnerung; ſie machen vielmehr ein Ganzes, eine eigene fuͤr ſich beſtehende Gattung aus. Die Beſtimmung der Blumengaͤrten iſt Beluſtigung des Auges durch Man- nichfaltigkeit und Schoͤnheit der Farben, vereinigt mit der Ergoͤtzung des Geruchs. Daher wird der Beſitzer zuvoͤrderſt ſowohl fuͤr die Beſtaͤndigkeit der Flor, als auch fuͤr eine ſolche Anordnung und Verbindung der Blumengewaͤchſe nach Groͤße und Farbe ſorgen, daß dadurch eine anziehende Malerey hervorgebracht werde. Eine abgezirkelte Flur, wo die Blumen nur nach Geſchlechtern, nach Arten und Varietaͤ- ten geordnet ſind, iſt dieſer Wirkung wenig vortheilhaft. Weit mehr guͤnſtig iſt dazu eine mit kleinen Huͤgeln und ſanften Vertiefungen unterbrochene, ſich wellenfoͤr- mig dahin ſchmiegende Gegend, und dabey eine Lage gegen das liebliche Licht des Morgens, das den von Thau glaͤnzenden Pflanzen einen neuen Reiz entgegen ſtreckt. Neigt ſich außerdem der Boden ſonſt zu einem klaren Wafſerſtuͤck oder zu einem Bach herab, der zwiſchen den kleinen Vertiefungen umherirrt, bald ruhig mit dem Bilde der nachbarlichen Blumen dahin gleitet, bald muthwillig zwiſchen Kieſeln umherhuͤpft, bald in murmelnden Faͤllen ſich jagt, und an ſeinen Spielen ſelbſt ſich zu ergoͤtzen ſcheint; ſo wird die Situation friſcher, und das Gemaͤlde lebendiger. Noch mehr gewinnt die Scene an Reiz, wenn hin und wieder bluͤhende Straͤucher die *) S. 1ſten B. S. 76. u. ſ. w. **) S. 77.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/68>, abgerufen am 19.04.2024.