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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Siebenter Abschnitt. Gärten, deren Charakter
haltung und Bereicherung des Staats; der Fürst, der Minister, der ihnen seine
Aufmerksamkeit entzieht, verliert Vortheile von der größten Wichtigkeit.

In Gärten von dieser Bestimmung kann auch die nutzbare Gärtnerey gelehrt
werden. Die künstliche Behandlung der Pflanzen, besonders die Cultur der Frucht-
bäume, giebt eine anziehende Unterhaltung für die Jugend, und dieser Zweig von
Kenntniß ist oft für das künftige Leben nützlich. Es ist eine Erholung von ernsthaf-
ten Studien, wobey man wenigstens nichts wagt, und der Gewinn doch nicht ganz
unbeträchtlich ist.

In den abgelegenen Gegenden eines akademischen Gartens können auch Was-
serbehältnisse zum Baden, Reitbahnen, Plätze zu mancherley Spielen und Leibes-
übungen angelegt, anmuthig umpflanzt und beschattet, und mit Geschmack verziert
werden. Die besondere Bestimmung einer jeden Erziehungsanstalt veranlaßt sehr
leicht neue Ideen sowohl zur Einrichtung des Ganzen, als auch zur Auszierung ein-
zelner Theile.

III.
Gärten bey Klöstern; Klostergärten.
1.

Mag es doch seyn, daß das Klosterleben, in der allmäligen Entfernung von der
Güte seiner ersten Stiftungen, Misbrauch ward -- daß es dem Staat eine
Menge sowohl von Schätzen als von Menschen entzog, die er jetzt mit Recht zum
nützlichern Gebrauch zurückfordert -- daß es unwissende Müßiggänger sammelte und
nährte -- daß es das Brod des armen Landmanns verringerte, den Wohlstand from-
mer Familien verschlang, und die unerfahrne Jugend um die Ruhe des Lebens be-
trog -- Mag es seyn, daß Völlerey, Unzucht und Gewaltthätigkeit oft die Heilig-
keit der Klöster befleckte; daß oft die Zellen, worinn freywillige Andacht sich dem
Himmel nähern sollte, nur die geheimen Seufzer hörten, die sich nach der Welt zu-
rück sehnten; daß selbst mitten unter dem Pomp des feyerlichen Opfers die Thränen
der Unglücklichen den Zwang, die Verführung, die Härte, die sie litten, und die
Unauflöslichkeit ihrer Fesseln vor den Altären anklagten; daß von Tausenden Jugend,
Gesundheit, Reichthum, Talente, Kräfte und eine erstickte Nachkommenschaft zwi-
schen diesen finstern Mauern verschlungen wurden. Dennoch haben die Klöster
ihre unläugbaren Verdienste. *) Sie waren nicht minder Wohnungen einer wahren

Fröm-
*) S. 1sten B. S. 27. 3ten B. S. 98.

Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter
haltung und Bereicherung des Staats; der Fuͤrſt, der Miniſter, der ihnen ſeine
Aufmerkſamkeit entzieht, verliert Vortheile von der groͤßten Wichtigkeit.

In Gaͤrten von dieſer Beſtimmung kann auch die nutzbare Gaͤrtnerey gelehrt
werden. Die kuͤnſtliche Behandlung der Pflanzen, beſonders die Cultur der Frucht-
baͤume, giebt eine anziehende Unterhaltung fuͤr die Jugend, und dieſer Zweig von
Kenntniß iſt oft fuͤr das kuͤnftige Leben nuͤtzlich. Es iſt eine Erholung von ernſthaf-
ten Studien, wobey man wenigſtens nichts wagt, und der Gewinn doch nicht ganz
unbetraͤchtlich iſt.

In den abgelegenen Gegenden eines akademiſchen Gartens koͤnnen auch Waſ-
ſerbehaͤltniſſe zum Baden, Reitbahnen, Plaͤtze zu mancherley Spielen und Leibes-
uͤbungen angelegt, anmuthig umpflanzt und beſchattet, und mit Geſchmack verziert
werden. Die beſondere Beſtimmung einer jeden Erziehungsanſtalt veranlaßt ſehr
leicht neue Ideen ſowohl zur Einrichtung des Ganzen, als auch zur Auszierung ein-
zelner Theile.

III.
Gaͤrten bey Kloͤſtern; Kloſtergaͤrten.
1.

Mag es doch ſeyn, daß das Kloſterleben, in der allmaͤligen Entfernung von der
Guͤte ſeiner erſten Stiftungen, Misbrauch ward — daß es dem Staat eine
Menge ſowohl von Schaͤtzen als von Menſchen entzog, die er jetzt mit Recht zum
nuͤtzlichern Gebrauch zuruͤckfordert — daß es unwiſſende Muͤßiggaͤnger ſammelte und
naͤhrte — daß es das Brod des armen Landmanns verringerte, den Wohlſtand from-
mer Familien verſchlang, und die unerfahrne Jugend um die Ruhe des Lebens be-
trog — Mag es ſeyn, daß Voͤllerey, Unzucht und Gewaltthaͤtigkeit oft die Heilig-
keit der Kloͤſter befleckte; daß oft die Zellen, worinn freywillige Andacht ſich dem
Himmel naͤhern ſollte, nur die geheimen Seufzer hoͤrten, die ſich nach der Welt zu-
ruͤck ſehnten; daß ſelbſt mitten unter dem Pomp des feyerlichen Opfers die Thraͤnen
der Ungluͤcklichen den Zwang, die Verfuͤhrung, die Haͤrte, die ſie litten, und die
Unaufloͤslichkeit ihrer Feſſeln vor den Altaͤren anklagten; daß von Tauſenden Jugend,
Geſundheit, Reichthum, Talente, Kraͤfte und eine erſtickte Nachkommenſchaft zwi-
ſchen dieſen finſtern Mauern verſchlungen wurden. Dennoch haben die Kloͤſter
ihre unlaͤugbaren Verdienſte. *) Sie waren nicht minder Wohnungen einer wahren

Froͤm-
*) S. 1ſten B. S. 27. 3ten B. S. 98.
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[78/0086] Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter haltung und Bereicherung des Staats; der Fuͤrſt, der Miniſter, der ihnen ſeine Aufmerkſamkeit entzieht, verliert Vortheile von der groͤßten Wichtigkeit. In Gaͤrten von dieſer Beſtimmung kann auch die nutzbare Gaͤrtnerey gelehrt werden. Die kuͤnſtliche Behandlung der Pflanzen, beſonders die Cultur der Frucht- baͤume, giebt eine anziehende Unterhaltung fuͤr die Jugend, und dieſer Zweig von Kenntniß iſt oft fuͤr das kuͤnftige Leben nuͤtzlich. Es iſt eine Erholung von ernſthaf- ten Studien, wobey man wenigſtens nichts wagt, und der Gewinn doch nicht ganz unbetraͤchtlich iſt. In den abgelegenen Gegenden eines akademiſchen Gartens koͤnnen auch Waſ- ſerbehaͤltniſſe zum Baden, Reitbahnen, Plaͤtze zu mancherley Spielen und Leibes- uͤbungen angelegt, anmuthig umpflanzt und beſchattet, und mit Geſchmack verziert werden. Die beſondere Beſtimmung einer jeden Erziehungsanſtalt veranlaßt ſehr leicht neue Ideen ſowohl zur Einrichtung des Ganzen, als auch zur Auszierung ein- zelner Theile. III. Gaͤrten bey Kloͤſtern; Kloſtergaͤrten. 1. Mag es doch ſeyn, daß das Kloſterleben, in der allmaͤligen Entfernung von der Guͤte ſeiner erſten Stiftungen, Misbrauch ward — daß es dem Staat eine Menge ſowohl von Schaͤtzen als von Menſchen entzog, die er jetzt mit Recht zum nuͤtzlichern Gebrauch zuruͤckfordert — daß es unwiſſende Muͤßiggaͤnger ſammelte und naͤhrte — daß es das Brod des armen Landmanns verringerte, den Wohlſtand from- mer Familien verſchlang, und die unerfahrne Jugend um die Ruhe des Lebens be- trog — Mag es ſeyn, daß Voͤllerey, Unzucht und Gewaltthaͤtigkeit oft die Heilig- keit der Kloͤſter befleckte; daß oft die Zellen, worinn freywillige Andacht ſich dem Himmel naͤhern ſollte, nur die geheimen Seufzer hoͤrten, die ſich nach der Welt zu- ruͤck ſehnten; daß ſelbſt mitten unter dem Pomp des feyerlichen Opfers die Thraͤnen der Ungluͤcklichen den Zwang, die Verfuͤhrung, die Haͤrte, die ſie litten, und die Unaufloͤslichkeit ihrer Feſſeln vor den Altaͤren anklagten; daß von Tauſenden Jugend, Geſundheit, Reichthum, Talente, Kraͤfte und eine erſtickte Nachkommenſchaft zwi- ſchen dieſen finſtern Mauern verſchlungen wurden. Dennoch haben die Kloͤſter ihre unlaͤugbaren Verdienſte. *) Sie waren nicht minder Wohnungen einer wahren Froͤm- *) S. 1ſten B. S. 27. 3ten B. S. 98.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/86>, abgerufen am 23.04.2024.