Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Gefunden, sag' ich ihm, es sey ein Andrer,
Und den er lieben müsse. O er wirds!


Emilie an Klara.
Da schrieb er mir. Ja theures Herz! er ists,
Den ich gesucht. Wie dieser Jüngling mich
Demüthiget und hebt! Nun! lies es nur!
"So bist du's wieder und ich habe dich
"Gegrüßt, gefunden, habe dich noch Einmal
"In deiner frommen Ruh' gestört, du Kind
"Des Himmels! -- Nein, Emilie! du kanntest
"Mich ja. Ich kann nicht fragen. Wir sind's,
"Die Längstverwandten, die der Gott getraut,
"Und bleiben wird es, wie die Sonne droben.
"Ich bin voll Freude, schöne Seele! bin
"Der neuen Melodien ungewohnt.
"Es ist ein anders Lied, als jenes, so
"Dem Jünglinge die Parze lehrend singt,
"Bis ihm, wie Wohllaut, ihre Weise tönt;
"Dann gönnt sie ihm, du Friedliche! von dir
"Den süßern Ton, den liebsten, einzigen,
"Zu hören. Mein? o sieh! du wirst in Lust
"Die Mühe mir, und, was mein Herz gebeut,
"Du wirst es all in heilge Liebe wandeln.
"Und hab' ich mit Unmöglichem gerungen,

Gefunden, ſag' ich ihm, es ſey ein Andrer,
Und den er lieben muͤſſe. O er wirds!


Emilie an Klara.
Da ſchrieb er mir. Ja theures Herz! er iſts,
Den ich geſucht. Wie dieſer Juͤngling mich
Demuͤthiget und hebt! Nun! lies es nur!
„So biſt du's wieder und ich habe dich
„Gegruͤßt, gefunden, habe dich noch Einmal
„In deiner frommen Ruh' geſtoͤrt, du Kind
„Des Himmels! — Nein, Emilie! du kannteſt
„Mich ja. Ich kann nicht fragen. Wir ſind's,
„Die Laͤngſtverwandten, die der Gott getraut,
„Und bleiben wird es, wie die Sonne droben.
„Ich bin voll Freude, ſchoͤne Seele! bin
„Der neuen Melodien ungewohnt.
„Es iſt ein anders Lied, als jenes, ſo
„Dem Juͤnglinge die Parze lehrend ſingt,
„Bis ihm, wie Wohllaut, ihre Weiſe toͤnt;
„Dann goͤnnt ſie ihm, du Friedliche! von dir
„Den ſuͤßern Ton, den liebſten, einzigen,
„Zu hoͤren. Mein? o ſieh! du wirſt in Luſt
„Die Muͤhe mir, und, was mein Herz gebeut,
„Du wirſt es all in heilge Liebe wandeln.
„Und hab' ich mit Unmoͤglichem gerungen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="8">
              <pb facs="#f0113" n="105"/>
              <l>Gefunden, &#x017F;ag' ich ihm, es &#x017F;ey ein Andrer,</l><lb/>
              <l>Und den er lieben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. O er wirds!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Emilie an Klara</hi>.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Da &#x017F;chrieb er mir. Ja theures Herz! er i&#x017F;ts,</l><lb/>
              <l>Den ich ge&#x017F;ucht. Wie die&#x017F;er Ju&#x0364;ngling mich</l><lb/>
              <l>Demu&#x0364;thiget und hebt! Nun! lies es nur!</l><lb/>
              <l>&#x201E;So bi&#x017F;t du's wieder und ich habe dich</l><lb/>
              <l>&#x201E;Gegru&#x0364;ßt, gefunden, habe dich noch Einmal</l><lb/>
              <l>&#x201E;In deiner frommen Ruh' ge&#x017F;to&#x0364;rt, du Kind</l><lb/>
              <l>&#x201E;Des Himmels! &#x2014; Nein, Emilie! du kannte&#x017F;t</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mich ja. Ich kann nicht fragen. Wir &#x017F;ind's,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die La&#x0364;ng&#x017F;tverwandten, die der Gott getraut,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und bleiben wird es, wie die Sonne droben.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich bin voll Freude, &#x017F;cho&#x0364;ne Seele! bin</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der neuen Melodien ungewohnt.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Es i&#x017F;t ein anders Lied, als jenes, &#x017F;o</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dem Ju&#x0364;nglinge die Parze lehrend &#x017F;ingt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Bis ihm, wie Wohllaut, ihre Wei&#x017F;e to&#x0364;nt;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dann go&#x0364;nnt &#x017F;ie ihm, du Friedliche! von dir</l><lb/>
              <l>&#x201E;Den &#x017F;u&#x0364;ßern Ton, den lieb&#x017F;ten, einzigen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Zu ho&#x0364;ren. Mein? o &#x017F;ieh! du wir&#x017F;t in Lu&#x017F;t</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die Mu&#x0364;he mir, und, was mein Herz gebeut,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Du wir&#x017F;t es all in heilge Liebe wandeln.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und hab' ich mit Unmo&#x0364;glichem gerungen,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0113] Gefunden, ſag' ich ihm, es ſey ein Andrer, Und den er lieben muͤſſe. O er wirds! Emilie an Klara. Da ſchrieb er mir. Ja theures Herz! er iſts, Den ich geſucht. Wie dieſer Juͤngling mich Demuͤthiget und hebt! Nun! lies es nur! „So biſt du's wieder und ich habe dich „Gegruͤßt, gefunden, habe dich noch Einmal „In deiner frommen Ruh' geſtoͤrt, du Kind „Des Himmels! — Nein, Emilie! du kannteſt „Mich ja. Ich kann nicht fragen. Wir ſind's, „Die Laͤngſtverwandten, die der Gott getraut, „Und bleiben wird es, wie die Sonne droben. „Ich bin voll Freude, ſchoͤne Seele! bin „Der neuen Melodien ungewohnt. „Es iſt ein anders Lied, als jenes, ſo „Dem Juͤnglinge die Parze lehrend ſingt, „Bis ihm, wie Wohllaut, ihre Weiſe toͤnt; „Dann goͤnnt ſie ihm, du Friedliche! von dir „Den ſuͤßern Ton, den liebſten, einzigen, „Zu hoͤren. Mein? o ſieh! du wirſt in Luſt „Die Muͤhe mir, und, was mein Herz gebeut, „Du wirſt es all in heilge Liebe wandeln. „Und hab' ich mit Unmoͤglichem gerungen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/113
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/113>, abgerufen am 29.03.2024.