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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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der nach dem Ideal strebt? -- In Ordnung
bringen! -- ein kaltes Wort mein Herr!" --

Ich bat den wunderlichen kleinen Mann,
sich nicht so zu ereifern, indem ich seiner
Geschicklichkeit alles zutraue. "Geschicklich¬
keit? fuhr er in seinem Eifer fort, was ist
Geschicklichkeit? -- Wer war geschickt? -- Je¬
ner der das Maaß nahm, nach fünf Augen¬
längen und dann springend dreißig Ellen weit
in den Graben stürzte? -- Jener der ein Lin¬
senkorn auf zwanzig Schritte weit durch ein
Nähnadelöhr schleuderte? -- Jener der fünf
Centner an den Degen hing, und so ihn an
der Nasenspitze balanzirte sechs Stunden,
sechs Minuten, sechs Sekunden und einen Au¬
genblick? -- Ha was ist Geschicklichkeit! Sie
ist fremd dem Pietro Belcampo, den die Kunst
die heilige durchdringt. -- Die Kunst, mein
Herr, die Kunst! -- Meine Fantasie irrt in
dem wunderbaren Lockenbau, in dem künstli¬
chen Gefüge, das der Zephirhauch in Wellen¬
zirkeln baut und zerstört. -- Da schafft sie

der nach dem Ideal ſtrebt? — In Ordnung
bringen! — ein kaltes Wort mein Herr!“ —

Ich bat den wunderlichen kleinen Mann,
ſich nicht ſo zu ereifern, indem ich ſeiner
Geſchicklichkeit alles zutraue. „Geſchicklich¬
keit? fuhr er in ſeinem Eifer fort, was iſt
Geſchicklichkeit? — Wer war geſchickt? — Je¬
ner der das Maaß nahm, nach fuͤnf Augen¬
laͤngen und dann ſpringend dreißig Ellen weit
in den Graben ſtuͤrzte? — Jener der ein Lin¬
ſenkorn auf zwanzig Schritte weit durch ein
Naͤhnadeloͤhr ſchleuderte? — Jener der fuͤnf
Centner an den Degen hing, und ſo ihn an
der Naſenſpitze balanzirte ſechs Stunden,
ſechs Minuten, ſechs Sekunden und einen Au¬
genblick? — Ha was iſt Geſchicklichkeit! Sie
iſt fremd dem Pietro Belcampo, den die Kunſt
die heilige durchdringt. — Die Kunſt, mein
Herr, die Kunſt! — Meine Fantaſie irrt in
dem wunderbaren Lockenbau, in dem kuͤnſtli¬
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[203/0219] der nach dem Ideal ſtrebt? — In Ordnung bringen! — ein kaltes Wort mein Herr!“ — Ich bat den wunderlichen kleinen Mann, ſich nicht ſo zu ereifern, indem ich ſeiner Geſchicklichkeit alles zutraue. „Geſchicklich¬ keit? fuhr er in ſeinem Eifer fort, was iſt Geſchicklichkeit? — Wer war geſchickt? — Je¬ ner der das Maaß nahm, nach fuͤnf Augen¬ laͤngen und dann ſpringend dreißig Ellen weit in den Graben ſtuͤrzte? — Jener der ein Lin¬ ſenkorn auf zwanzig Schritte weit durch ein Naͤhnadeloͤhr ſchleuderte? — Jener der fuͤnf Centner an den Degen hing, und ſo ihn an der Naſenſpitze balanzirte ſechs Stunden, ſechs Minuten, ſechs Sekunden und einen Au¬ genblick? — Ha was iſt Geſchicklichkeit! Sie iſt fremd dem Pietro Belcampo, den die Kunſt die heilige durchdringt. — Die Kunſt, mein Herr, die Kunſt! — Meine Fantaſie irrt in dem wunderbaren Lockenbau, in dem kuͤnſtli¬ chen Gefuͤge, das der Zephirhauch in Wellen¬ zirkeln baut und zerſtoͤrt. — Da ſchafft ſie

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/219>, abgerufen am 28.03.2024.