Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

stalten der Engel -- der Heiligen -- von den
Wänden, von der Decke der Kirche an! --
Die Erzählungen meiner Mutter von dem
wundervollen Kloster, wo ihrem tiefsten
Schmerz gnadenreicher Trost zu Theil wur¬
de, sind so in mein Innres gedrungen, daß
ich Alles selbst gesehen, selbst erfahren zu
haben glaube, unerachtet es unmöglich ist,
daß meine Erinnerung so weit hinausreicht,
da meine Mutter nach anderthalb Jahren
die heilige Stätte verließ. -- So ist es mir,
als hätte ich selbst einmahl in der öden Kir¬
che die wunderbare Gestalt eines ernsten
Mannes gesehen, und es sey eben der fremde
Mahler gewesen, der in uralter Zeit, als
eben die Kirche gebaut, erschien, dessen
Sprache niemand verstehen konnte und der
mit kunstgeübter Hand in gar kurzer Zeit,
die Kirche auf das herrlichste ausmahlte, dann
aber, als er fertig worden, wieder ver¬
schwand. -- So gedenke ich ferner noch eines
alten fremdartig gekleideten Pilgers mit lan¬

ſtalten der Engel — der Heiligen — von den
Waͤnden, von der Decke der Kirche an! —
Die Erzaͤhlungen meiner Mutter von dem
wundervollen Kloſter, wo ihrem tiefſten
Schmerz gnadenreicher Troſt zu Theil wur¬
de, ſind ſo in mein Innres gedrungen, daß
ich Alles ſelbſt geſehen, ſelbſt erfahren zu
haben glaube, unerachtet es unmoͤglich iſt,
daß meine Erinnerung ſo weit hinausreicht,
da meine Mutter nach anderthalb Jahren
die heilige Staͤtte verließ. — So iſt es mir,
als haͤtte ich ſelbſt einmahl in der oͤden Kir¬
che die wunderbare Geſtalt eines ernſten
Mannes geſehen, und es ſey eben der fremde
Mahler geweſen, der in uralter Zeit, als
eben die Kirche gebaut, erſchien, deſſen
Sprache niemand verſtehen konnte und der
mit kunſtgeuͤbter Hand in gar kurzer Zeit,
die Kirche auf das herrlichſte ausmahlte, dann
aber, als er fertig worden, wieder ver¬
ſchwand. — So gedenke ich ferner noch eines
alten fremdartig gekleideten Pilgers mit lan¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0022" n="6"/>
&#x017F;talten der Engel &#x2014; der Heiligen &#x2014; von den<lb/>
Wa&#x0364;nden, von der Decke der Kirche an! &#x2014;<lb/>
Die Erza&#x0364;hlungen meiner Mutter von dem<lb/>
wundervollen Klo&#x017F;ter, wo ihrem tief&#x017F;ten<lb/>
Schmerz gnadenreicher Tro&#x017F;t zu Theil wur¬<lb/>
de, &#x017F;ind &#x017F;o in mein Innres gedrungen, daß<lb/>
ich Alles &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ehen, &#x017F;elb&#x017F;t erfahren zu<lb/>
haben glaube, unerachtet es unmo&#x0364;glich i&#x017F;t,<lb/>
daß meine Erinnerung &#x017F;o weit hinausreicht,<lb/>
da meine Mutter nach anderthalb Jahren<lb/>
die heilige Sta&#x0364;tte verließ. &#x2014; So i&#x017F;t es mir,<lb/>
als ha&#x0364;tte ich &#x017F;elb&#x017F;t einmahl in der o&#x0364;den Kir¬<lb/>
che die wunderbare Ge&#x017F;talt eines ern&#x017F;ten<lb/>
Mannes ge&#x017F;ehen, und es &#x017F;ey eben der fremde<lb/>
Mahler gewe&#x017F;en, der in uralter Zeit, als<lb/>
eben die Kirche gebaut, er&#x017F;chien, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sprache niemand ver&#x017F;tehen konnte und der<lb/>
mit kun&#x017F;tgeu&#x0364;bter Hand in gar kurzer Zeit,<lb/>
die Kirche auf das herrlich&#x017F;te ausmahlte, dann<lb/>
aber, als er fertig worden, wieder ver¬<lb/>
&#x017F;chwand. &#x2014; So gedenke ich ferner noch eines<lb/>
alten fremdartig gekleideten Pilgers mit lan¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0022] ſtalten der Engel — der Heiligen — von den Waͤnden, von der Decke der Kirche an! — Die Erzaͤhlungen meiner Mutter von dem wundervollen Kloſter, wo ihrem tiefſten Schmerz gnadenreicher Troſt zu Theil wur¬ de, ſind ſo in mein Innres gedrungen, daß ich Alles ſelbſt geſehen, ſelbſt erfahren zu haben glaube, unerachtet es unmoͤglich iſt, daß meine Erinnerung ſo weit hinausreicht, da meine Mutter nach anderthalb Jahren die heilige Staͤtte verließ. — So iſt es mir, als haͤtte ich ſelbſt einmahl in der oͤden Kir¬ che die wunderbare Geſtalt eines ernſten Mannes geſehen, und es ſey eben der fremde Mahler geweſen, der in uralter Zeit, als eben die Kirche gebaut, erſchien, deſſen Sprache niemand verſtehen konnte und der mit kunſtgeuͤbter Hand in gar kurzer Zeit, die Kirche auf das herrlichſte ausmahlte, dann aber, als er fertig worden, wieder ver¬ ſchwand. — So gedenke ich ferner noch eines alten fremdartig gekleideten Pilgers mit lan¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/22
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/22>, abgerufen am 20.04.2024.