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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vorrede.
dabey sehr wohl studiert; sie waren die lehrmeister
der guten sitten/ und hatten von allem/ was uns
nur in den verstand und in die sinnen fällt/ eine
gründliche känntniß und wissenschafft. Zudem leb-
ten sie zu einer zeit/ da man die galanten studia sehr
wohl verstund/ da die Römische waffen auffs höch-
ste stiegen/ und unter der glückseligen regierung
des Käysers Augustus ein ieder gelegenheit genug
fand/ sich groß zu machen. Wenn sie denn etwas
dichten wolten/ so thaten sie es entweder zu ihrer
lust/ oder für grosse Herren/ oder bey seltzamen und
besondern begebenheiten. Hernach überlasen sie
dasjenige/ was sie machten/ wohl zwantzig mahl/
und strichen offt beßre verße aus/ weder ihre nach-
folger geschrieben haben. Darum konten auch ih-
re gemächte nicht anders als herrlich seyn; und ist
kein wunder/ daß sie bey allen ihren nachkommen
einen so unsterblichen preiß und ruhm erworben.
Hingegen lernen von uns die meisten ihre klugheit
in der schule/ bekümmern sich mehr um worte als
gute sachen/ und fangen schon an Poeten zu wer-
den/ ehe sie noch einmahl wissen was verße seyn.
Wir leben über dieses in einem lande/ wo die künste
wegen vieler herrschafften zertheilet sind/ wo man
mehr von einem glase wein/ als liedern hält; Die
wenigsten die galanterie noch recht verstehen/ und die
Cavaliers diejenige für schulfüchse schelten/ welche
die Frantzosen für beaux esprits erkennen. Wir

leben

Vorrede.
dabey ſehr wohl ſtudiert; ſie waren die lehrmeiſter
der guten ſitten/ und hatten von allem/ was uns
nur in den verſtand und in die ſinnen faͤllt/ eine
gruͤndliche kaͤnntniß und wiſſenſchafft. Zudem leb-
ten ſie zu einer zeit/ da man die galanten ſtudia ſehr
wohl verſtund/ da die Roͤmiſche waffen auffs hoͤch-
ſte ſtiegen/ und unter der gluͤckſeligen regierung
des Kaͤyſers Auguſtus ein ieder gelegenheit genug
fand/ ſich groß zu machen. Wenn ſie denn etwas
dichten wolten/ ſo thaten ſie es entweder zu ihrer
luſt/ oder fuͤr groſſe Herren/ oder bey ſeltzamen und
beſondern begebenheiten. Hernach uͤberlaſen ſie
dasjenige/ was ſie machten/ wohl zwantzig mahl/
und ſtrichen offt beßre verße aus/ weder ihre nach-
folger geſchrieben haben. Darum konten auch ih-
re gemaͤchte nicht anders als herrlich ſeyn; und iſt
kein wunder/ daß ſie bey allen ihren nachkommen
einen ſo unſterblichen preiß und ruhm erworben.
Hingegen lernen von uns die meiſten ihre klugheit
in der ſchule/ bekuͤmmern ſich mehr um worte als
gute ſachen/ und fangen ſchon an Poeten zu wer-
den/ ehe ſie noch einmahl wiſſen was verße ſeyn.
Wir leben uͤber dieſes in einem lande/ wo die kuͤnſte
wegen vieler herrſchafften zertheilet ſind/ wo man
mehr von einem glaſe wein/ als liedern haͤlt; Die
wenigſten die galanterie noch recht verſtehen/ und die
Cavaliers diejenige fuͤr ſchulfuͤchſe ſchelten/ welche
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leben
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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/16>, abgerufen am 28.03.2024.