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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

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Sinn-Gedichte.
Eines Wucherers.
DEr mit dem Juden-spies bey tag und nacht gerannt/
Um wucher unermüdt durchstrichen see und landt/
Und auf gewinn gedacht mit viel gefahr und sorgen/
Der ist gantz nackt und blos in dieser grufft verborgen.
Eines schein-heiligen.
HJer liegt ein schlauer fuchs/ der jederman betrogen/
Der sich nach allem wind/ als wie ein rohr/ gebogen:
Jndessen munde treu/ im hertzen wohnte list/
Dem nahmen nach ein christ/ im werck ein Atheist.
Eines ungerechten Richters.
DJe gaben sah ich mehr als die gesetze an/
Sprach urtheil nach dem geld/ nicht dem Justinian.
Numehr ist über mich daß urtheil auch gesprochen:
Weh diesem/ der das recht den armen hat gebrochen.
Eines Bereuters.
NJchts hat mir auff der welt/ mehr lust als reiten bracht.
Jch habe manches pferd und reuter gut gemacht/
Jetzt ist mein fauler leib der maden renne-bahn/
Die reiten jetzt herum/ dieweil ich nicht mehr kan.
Eines feuer-fressers.
Aus kurtzweil fraß ich vor das feuer in mich ein/
Ohn daß im minsten mir es könte schädlich seyn.
Jtzt da es nöthig wär/ da kan ich keines fressen/
Es scheinet/ daß man hier diß handwerck muß vergessen.
Eines Nachtwächters.
WEnn andre schlieffen wol/ so must ich für sie wachen/
Und fleissig haben acht auf all ihr hab und gut:
Jtzt bin ich durch den todt genommen von der hut.
Nimmt er die wächter weg/ wie wird ers schläffern machen?
Eines
J 5
Sinn-Gedichte.
Eines Wucherers.
DEr mit dem Juden-ſpies bey tag und nacht gerannt/
Um wucher unermuͤdt durchſtrichen ſee und landt/
Und auf gewinn gedacht mit viel gefahr und ſorgen/
Der iſt gantz nackt und blos in dieſer grufft verborgen.
Eines ſchein-heiligen.
HJer liegt ein ſchlauer fuchs/ der jederman betrogen/
Der ſich nach allem wind/ als wie ein rohr/ gebogen:
Jndeſſen munde treu/ im hertzen wohnte liſt/
Dem nahmen nach ein chriſt/ im werck ein Atheiſt.
Eines ungerechten Richters.
DJe gaben ſah ich mehr als die geſetze an/
Sprach urtheil nach dem geld/ nicht dem Juſtinian.
Numehr iſt uͤber mich daß urtheil auch geſprochen:
Weh dieſem/ der das recht den armen hat gebrochen.
Eines Bereuters.
NJchts hat mir auff der welt/ mehr luſt als reiten bracht.
Jch habe manches pferd und reuter gut gemacht/
Jetzt iſt mein fauler leib der maden renne-bahn/
Die reiten jetzt herum/ dieweil ich nicht mehr kan.
Eines feuer-freſſers.
Aus kurtzweil fraß ich vor das feuer in mich ein/
Ohn daß im minſten mir es koͤnte ſchaͤdlich ſeyn.
Jtzt da es noͤthig waͤr/ da kan ich keines freſſen/
Es ſcheinet/ daß man hier diß handwerck muß vergeſſen.
Eines Nachtwaͤchters.
WEnn andre ſchlieffen wol/ ſo muſt ich fuͤr ſie wachen/
Und fleiſſig haben acht auf all ihr hab und gut:
Jtzt bin ich durch den todt genommen von der hut.
Nimmt er die waͤchter weg/ wie wird ers ſchlaͤffern machen?
Eines
J 5
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[135/0145] Sinn-Gedichte. Eines Wucherers. DEr mit dem Juden-ſpies bey tag und nacht gerannt/ Um wucher unermuͤdt durchſtrichen ſee und landt/ Und auf gewinn gedacht mit viel gefahr und ſorgen/ Der iſt gantz nackt und blos in dieſer grufft verborgen. Eines ſchein-heiligen. HJer liegt ein ſchlauer fuchs/ der jederman betrogen/ Der ſich nach allem wind/ als wie ein rohr/ gebogen: Jndeſſen munde treu/ im hertzen wohnte liſt/ Dem nahmen nach ein chriſt/ im werck ein Atheiſt. Eines ungerechten Richters. DJe gaben ſah ich mehr als die geſetze an/ Sprach urtheil nach dem geld/ nicht dem Juſtinian. Numehr iſt uͤber mich daß urtheil auch geſprochen: Weh dieſem/ der das recht den armen hat gebrochen. Eines Bereuters. NJchts hat mir auff der welt/ mehr luſt als reiten bracht. Jch habe manches pferd und reuter gut gemacht/ Jetzt iſt mein fauler leib der maden renne-bahn/ Die reiten jetzt herum/ dieweil ich nicht mehr kan. Eines feuer-freſſers. Aus kurtzweil fraß ich vor das feuer in mich ein/ Ohn daß im minſten mir es koͤnte ſchaͤdlich ſeyn. Jtzt da es noͤthig waͤr/ da kan ich keines freſſen/ Es ſcheinet/ daß man hier diß handwerck muß vergeſſen. Eines Nachtwaͤchters. WEnn andre ſchlieffen wol/ ſo muſt ich fuͤr ſie wachen/ Und fleiſſig haben acht auf all ihr hab und gut: Jtzt bin ich durch den todt genommen von der hut. Nimmt er die waͤchter weg/ wie wird ers ſchlaͤffern machen? Eines J 5

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/145>, abgerufen am 25.04.2024.