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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

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Begräbniß-Gedichte.

Du weißt/ daß leid und freud' in stetem wechsel seyn/
Und daß die sonne scheint nach trübem ungewitter.
Daß/ wer dereinsten will zum leben auferstehn/
Vorher muß in das reich der blassen todten gehn.



Auf das absterben Fr. Helenen Lu-
domillen von Saurmann/ H. v. A.
und S. auf seinem todbette

WO bin ich/ himmel/ leb ich noch?
Schmacht meine wohlgeplagte seele
Noch in des leibes kercker-höhle?
Hat sie der kranckheit centner-joch/
Die schweren bande/ die sie schlüssen/
Und halten ihrer flügel lauff
Noch vor den bergen Sions auff/
Nicht abgeworffen/ nicht zerrissen?
Ach nein des grausen siebets brand/
Der auch das marck hat ausgezehret/
Mich in ein seeleton verkehret/
Hält mich noch mit der schweren hand.
Jch sinck und kan doch nicht ertrincken/
Jn diesem heissen todten-meer.
Die schwachheit heist itzt ohngefehr
Mich in den schlaff und ohnmacht sincken.
Wer wecket mich? ein brieff/ ein brieff/
Aus frembder lufft von lieben händen/
Den mir mein Sauermann will senden/
Eh ich zur langen ruh entschlieff.
Was wilstu/ liebster David/ haben?
Sag: ob dein treuer Jonathan
Dir einen dienst noch leisten kan/
Eh man ihn wird in sand vergraben?
Was aber will das schwartze wachs/
Der trauer-zeilen reyh bedeuten?
(Mein

Begraͤbniß-Gedichte.

Du weißt/ daß leid und freud’ in ſtetem wechſel ſeyn/
Und daß die ſonne ſcheint nach truͤbem ungewitter.
Daß/ wer dereinſten will zum leben auferſtehn/
Vorher muß in das reich der blaſſen todten gehn.



Auf das abſterben Fr. Helenen Lu-
domillen von Saurmann/ H. v. A.
und S. auf ſeinem todbette

WO bin ich/ himmel/ leb ich noch?
Schmacht meine wohlgeplagte ſeele
Noch in des leibes kercker-hoͤhle?
Hat ſie der kranckheit centner-joch/
Die ſchweren bande/ die ſie ſchluͤſſen/
Und halten ihrer fluͤgel lauff
Noch vor den bergen Sions auff/
Nicht abgeworffen/ nicht zerriſſen?
Ach nein des grauſen ſiebets brand/
Der auch das marck hat ausgezehret/
Mich in ein ſeeleton verkehret/
Haͤlt mich noch mit der ſchweren hand.
Jch ſinck und kan doch nicht ertrincken/
Jn dieſem heiſſen todten-meer.
Die ſchwachheit heiſt itzt ohngefehr
Mich in den ſchlaff und ohnmacht ſincken.
Wer wecket mich? ein brieff/ ein brieff/
Aus frembder lufft von lieben haͤnden/
Den mir mein Sauermann will ſenden/
Eh ich zur langen ruh entſchlieff.
Was wilſtu/ liebſter David/ haben?
Sag: ob dein treuer Jonathan
Dir einen dienſt noch leiſten kan/
Eh man ihn wird in ſand vergraben?
Was aber will das ſchwartze wachs/
Der trauer-zeilen reyh bedeuten?
(Mein
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[185/0195] Begraͤbniß-Gedichte. Du weißt/ daß leid und freud’ in ſtetem wechſel ſeyn/ Und daß die ſonne ſcheint nach truͤbem ungewitter. Daß/ wer dereinſten will zum leben auferſtehn/ Vorher muß in das reich der blaſſen todten gehn. Auf das abſterben Fr. Helenen Lu- domillen von Saurmann/ H. v. A. und S. auf ſeinem todbette Anno 1693. WO bin ich/ himmel/ leb ich noch? Schmacht meine wohlgeplagte ſeele Noch in des leibes kercker-hoͤhle? Hat ſie der kranckheit centner-joch/ Die ſchweren bande/ die ſie ſchluͤſſen/ Und halten ihrer fluͤgel lauff Noch vor den bergen Sions auff/ Nicht abgeworffen/ nicht zerriſſen? Ach nein des grauſen ſiebets brand/ Der auch das marck hat ausgezehret/ Mich in ein ſeeleton verkehret/ Haͤlt mich noch mit der ſchweren hand. Jch ſinck und kan doch nicht ertrincken/ Jn dieſem heiſſen todten-meer. Die ſchwachheit heiſt itzt ohngefehr Mich in den ſchlaff und ohnmacht ſincken. Wer wecket mich? ein brieff/ ein brieff/ Aus frembder lufft von lieben haͤnden/ Den mir mein Sauermann will ſenden/ Eh ich zur langen ruh entſchlieff. Was wilſtu/ liebſter David/ haben? Sag: ob dein treuer Jonathan Dir einen dienſt noch leiſten kan/ Eh man ihn wird in ſand vergraben? Was aber will das ſchwartze wachs/ Der trauer-zeilen reyh bedeuten? (Mein

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/195>, abgerufen am 28.03.2024.