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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

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Begräbniß-Gedichte.

Die todten glieder selbst erscheinen uns als zungen/
Und wollen uns noch dies zur warnung prophezeyn:
Jhr menschen habt uns nicht im leben folgen wollen/
Jhr werdet uns vielleicht im sterben folgen sollen.



Trauer-thränen bey dem grabe Hn.
D. Valent. Alberti.

J. G.

VErzeihet mir/ ihr theuresten gebeine/
Daß ich euch zwar mit hundert ach beweine/
Nicht aber itzt nach würden rühmen kan:
Es kan mein hertz nicht euer thun erwegen/
Ohn neue pein und thränen zu erregen/
Und euer lob steht frembden besser an.
Jch darff von nichts als von betrübniß sagen.
Mein schwacher mund soll andern helffen klagen/
Der heute kaum zu trost kan offen stehn.
Kommt kirch und schul/ die dieser tod betrübet/
Verlaßnes hauß/ und die er sonst geliebet/
Last euer weh durch meine lippen gehn.
Die kirche klagt: es fällt ein grosser Lehrer/
Der warheit schild/ der gottesfurcht verehrer/
Ein pfeiler sinckt/ der von den stärcksten war;
Mein heiligthum hat einen bruch erlitten/
Der für mein heyl mit mund und hand gestritten/
Liegt itzt erstarrt auff seiner toden-baar.
Ach menschen thut/ ach thut noch heute busse/
Des hauses wohl beruht auf schwachen fusse/
Wenn sich der fall an seine stützen macht.
Wenn berge schon sich pflegen zu verstecken/
Will meist das land ein dunckler nebel decken:
Jtzt weicht ein berg/ nehmt euer licht in acht.
Der Musen-sitz an diesem werthen orte/
Zeigt auch sein leid durch klagen-volle worte/
Und

Begraͤbniß-Gedichte.

Die todten glieder ſelbſt erſcheinen uns als zungen/
Und wollen uns noch dies zur warnung prophezeyn:
Jhr menſchen habt uns nicht im leben folgen wollen/
Jhr werdet uns vielleicht im ſterben folgen ſollen.



Trauer-thraͤnen bey dem grabe Hn.
D. Valent. Alberti.

J. G.

VErzeihet mir/ ihr theureſten gebeine/
Daß ich euch zwar mit hundert ach beweine/
Nicht aber itzt nach wuͤrden ruͤhmen kan:
Es kan mein hertz nicht euer thun erwegen/
Ohn neue pein und thraͤnen zu erregen/
Und euer lob ſteht frembden beſſer an.
Jch darff von nichts als von betruͤbniß ſagen.
Mein ſchwacher mund ſoll andern helffen klagen/
Der heute kaum zu troſt kan offen ſtehn.
Kommt kirch und ſchul/ die dieſer tod betruͤbet/
Verlaßnes hauß/ und die er ſonſt geliebet/
Laſt euer weh durch meine lippen gehn.
Die kirche klagt: es faͤllt ein groſſer Lehrer/
Der warheit ſchild/ der gottesfurcht verehrer/
Ein pfeiler ſinckt/ der von den ſtaͤrckſten war;
Mein heiligthum hat einen bruch erlitten/
Der fuͤr mein heyl mit mund und hand geſtritten/
Liegt itzt erſtarrt auff ſeiner toden-baar.
Ach menſchen thut/ ach thut noch heute buſſe/
Des hauſes wohl beruht auf ſchwachen fuſſe/
Wenn ſich der fall an ſeine ſtuͤtzen macht.
Wenn berge ſchon ſich pflegen zu verſtecken/
Will meiſt das land ein dunckler nebel decken:
Jtzt weicht ein berg/ nehmt euer licht in acht.
Der Muſen-ſitz an dieſem werthen orte/
Zeigt auch ſein leid durch klagen-volle worte/
Und
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[216/0226] Begraͤbniß-Gedichte. Die todten glieder ſelbſt erſcheinen uns als zungen/ Und wollen uns noch dies zur warnung prophezeyn: Jhr menſchen habt uns nicht im leben folgen wollen/ Jhr werdet uns vielleicht im ſterben folgen ſollen. Trauer-thraͤnen bey dem grabe Hn. D. Valent. Alberti. J. G. VErzeihet mir/ ihr theureſten gebeine/ Daß ich euch zwar mit hundert ach beweine/ Nicht aber itzt nach wuͤrden ruͤhmen kan: Es kan mein hertz nicht euer thun erwegen/ Ohn neue pein und thraͤnen zu erregen/ Und euer lob ſteht frembden beſſer an. Jch darff von nichts als von betruͤbniß ſagen. Mein ſchwacher mund ſoll andern helffen klagen/ Der heute kaum zu troſt kan offen ſtehn. Kommt kirch und ſchul/ die dieſer tod betruͤbet/ Verlaßnes hauß/ und die er ſonſt geliebet/ Laſt euer weh durch meine lippen gehn. Die kirche klagt: es faͤllt ein groſſer Lehrer/ Der warheit ſchild/ der gottesfurcht verehrer/ Ein pfeiler ſinckt/ der von den ſtaͤrckſten war; Mein heiligthum hat einen bruch erlitten/ Der fuͤr mein heyl mit mund und hand geſtritten/ Liegt itzt erſtarrt auff ſeiner toden-baar. Ach menſchen thut/ ach thut noch heute buſſe/ Des hauſes wohl beruht auf ſchwachen fuſſe/ Wenn ſich der fall an ſeine ſtuͤtzen macht. Wenn berge ſchon ſich pflegen zu verſtecken/ Will meiſt das land ein dunckler nebel decken: Jtzt weicht ein berg/ nehmt euer licht in acht. Der Muſen-ſitz an dieſem werthen orte/ Zeigt auch ſein leid durch klagen-volle worte/ Und

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/226>, abgerufen am 19.04.2024.