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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

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Verliebte Gedichte.

Doch kennt dein kuß noch frembde lust/
Die auch der anmut selbst noch unbewust.

2.
Es muß der lippen paar/ das rosen heget/
Vom himmels-thau selbst schwanger seyn/
Die lust die dich als amme selber träget/
Flößt dir sonst nichts als Manna ein.
Die biene selbst die honig macht/
Hat ihren zeug in deinen mund gebracht.
3.
Wann gleich die liebe selbst im sarge lege
Der anmut thron wär ziegel-grauß/
Wenn man die freudigkeit räumt aus dem wege/
Und störte ihren thron und hauß;
So würde alle lieblichkeit
Durch einen kuß von dir seyn zubereit.
4.
Drum wo du wilt vor mich vergnügung hegen/
So hülle sie in küsse ein/
Und wenn dein geist sich selbst will schlaffen legen/
Laß meinen mund die wiege seyn.
Wer will mit lust nicht schlafen gehn/
Der vor sich sieht der wollust bette stehn.
5.
Man muß bey deinem kuß wie eiß zerflissen/
Und ohne krafft und regung seyn/
Und wo du wilt noch mein verhängniß wissen
So schließ ichs diesen worten ein/
Daß alles mir nur sey verdruß/
Wenn es nicht schmeckt/ Ambrette/ wie dein kuß.


Klage eines verliebten mädgens.
1.
NJemand hat so schöne sitten
Als der edle Lucius/
Nie-
F 5

Verliebte Gedichte.

Doch kennt dein kuß noch frembde luſt/
Die auch der anmut ſelbſt noch unbewuſt.

2.
Es muß der lippen paar/ das roſen heget/
Vom himmels-thau ſelbſt ſchwanger ſeyn/
Die luſt die dich als amme ſelber traͤget/
Floͤßt dir ſonſt nichts als Manna ein.
Die biene ſelbſt die honig macht/
Hat ihren zeug in deinen mund gebracht.
3.
Wann gleich die liebe ſelbſt im ſarge lege
Der anmut thron waͤr ziegel-grauß/
Wenn man die freudigkeit raͤumt aus dem wege/
Und ſtoͤrte ihren thron und hauß;
So wuͤrde alle lieblichkeit
Durch einen kuß von dir ſeyn zubereit.
4.
Drum wo du wilt vor mich vergnuͤgung hegen/
So huͤlle ſie in kuͤſſe ein/
Und wenn dein geiſt ſich ſelbſt will ſchlaffen legen/
Laß meinen mund die wiege ſeyn.
Wer will mit luſt nicht ſchlafen gehn/
Der vor ſich ſieht der wolluſt bette ſtehn.
5.
Man muß bey deinem kuß wie eiß zerfliſſen/
Und ohne krafft und regung ſeyn/
Und wo du wilt noch mein verhaͤngniß wiſſen
So ſchließ ichs dieſen worten ein/
Daß alles mir nur ſey verdruß/
Wenn es nicht ſchmeckt/ Ambrette/ wie dein kuß.


Klage eines verliebten maͤdgens.
1.
NJemand hat ſo ſchoͤne ſitten
Als der edle Lucius/
Nie-
F 5
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[87/0097] Verliebte Gedichte. Doch kennt dein kuß noch frembde luſt/ Die auch der anmut ſelbſt noch unbewuſt. 2. Es muß der lippen paar/ das roſen heget/ Vom himmels-thau ſelbſt ſchwanger ſeyn/ Die luſt die dich als amme ſelber traͤget/ Floͤßt dir ſonſt nichts als Manna ein. Die biene ſelbſt die honig macht/ Hat ihren zeug in deinen mund gebracht. 3. Wann gleich die liebe ſelbſt im ſarge lege Der anmut thron waͤr ziegel-grauß/ Wenn man die freudigkeit raͤumt aus dem wege/ Und ſtoͤrte ihren thron und hauß; So wuͤrde alle lieblichkeit Durch einen kuß von dir ſeyn zubereit. 4. Drum wo du wilt vor mich vergnuͤgung hegen/ So huͤlle ſie in kuͤſſe ein/ Und wenn dein geiſt ſich ſelbſt will ſchlaffen legen/ Laß meinen mund die wiege ſeyn. Wer will mit luſt nicht ſchlafen gehn/ Der vor ſich ſieht der wolluſt bette ſtehn. 5. Man muß bey deinem kuß wie eiß zerfliſſen/ Und ohne krafft und regung ſeyn/ Und wo du wilt noch mein verhaͤngniß wiſſen So ſchließ ichs dieſen worten ein/ Daß alles mir nur ſey verdruß/ Wenn es nicht ſchmeckt/ Ambrette/ wie dein kuß. Klage eines verliebten maͤdgens. 1. NJemand hat ſo ſchoͤne ſitten Als der edle Lucius/ Nie- F 5

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/97>, abgerufen am 24.04.2024.