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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

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Erster Auftritt.
Jch regt in Lust und Spiel der Jugend heisses Blut
Jm Schatten Sommerszeit/ im Winter bey der Glut.
Silv. Du hast mir solchen Rath ja nicht zuvor gegeben;
Jst dir denn itzt verändert Geist und Muth?
Linc. Ein andre Zeit bringt ander Leben/
Wär ich der Silvio, so nennt ich dis mein Gut.
Linc. Weil ich nun Silvio, und gar nicht Linco bin/
Wil ich den Silvio, und nicht den Linco hören.
Linc. O junger Sinn/
Wie lästu dich bethören!
Du suchst ein Wild so weit/ und läst dasselbe gehn/
So du in Sicherheit nah und zu Hause findest.
Silv. Jst dieses Ernst/ wie soll ich es verstehn?
Linc. Ernst/ wo du dich nicht selbst zu schertzen unterwindest.
Silv. Und ist nicht weit von hier?
Linc. Fast näher als du selber dir.
Silv. Wo hat es denn den Aufenthalt?
Linc. Du selber bist der Wald/
Und dieses Waldes Wild ist deine Grausamkeit/
Das lästu ohne Streit/
Und lieget doch mit Ruh in deinem Hertzen.
Silv. Jch dachte wohl/ du würdest schertzen.
Linc. Das schönste Weib/ da Liebligkeit und Pracht/
Was sterblich war/ zu einer Göttin macht/
Der frische Morgen-Rosen weichen:
Der selbst der weich- und weisse Schwan/
Wie weich und weiß er ist/ nicht gleiche kommen kan/
Um welcher wegen viel vergebne Seufzer streichen;
Die hat Erd und Himmel nun dir/ O Silvio, beschert.
Du bist der Gunst nicht wehrt/
Du kanst Sie itzt ümfangen/
Und wilst Sie nicht erlangen.
Du bist vorwahr ein Wild/ ja Eisen/ Eiß und Stein.
Silv. Jst dann/ nicht lieben/ so grosse Grausamkeit?
So muß die Grausamkeit ja eine Tugend seyn:
Und bin gantz unbesorgt/ daß sie mein Hertze heget.
Ja dieses hat mein Haupt mit Ehr und Ruhm bestreut/
Weil
A 2
Erſter Auftritt.
Jch regt in Luſt und Spiel der Jugend heiſſes Blut
Jm Schatten Sommerszeit/ im Winter bey der Glut.
Silv. Du haſt mir ſolchen Rath ja nicht zuvor gegeben;
Jſt dir denn itzt veraͤndert Geiſt und Muth?
Linc. Ein andre Zeit bringt ander Leben/
Waͤr ich der Silvio, ſo nennt ich dis mein Gut.
Linc. Weil ich nun Silvio, und gar nicht Linco bin/
Wil ich den Silvio, und nicht den Linco hoͤren.
Linc. O junger Sinn/
Wie laͤſtu dich bethoͤren!
Du ſuchſt ein Wild ſo weit/ und laͤſt daſſelbe gehn/
So du in Sicherheit nah und zu Hauſe findeſt.
Silv. Jſt dieſes Ernſt/ wie ſoll ich es verſtehn?
Linc. Ernſt/ wo du dich nicht ſelbſt zu ſchertzen unterwindeſt.
Silv. Und iſt nicht weit von hier?
Linc. Faſt naͤher als du ſelber dir.
Silv. Wo hat es denn den Aufenthalt?
Linc. Du ſelber biſt der Wald/
Und dieſes Waldes Wild iſt deine Grauſamkeit/
Das laͤſtu ohne Streit/
Und lieget doch mit Ruh in deinem Hertzen.
Silv. Jch dachte wohl/ du wuͤrdeſt ſchertzen.
Linc. Das ſchoͤnſte Weib/ da Liebligkeit und Pracht/
Was ſterblich war/ zu einer Goͤttin macht/
Der friſche Morgen-Roſen weichen:
Der ſelbſt der weich- und weiſſe Schwan/
Wie weich und weiß er iſt/ nicht gleiche kommen kan/
Um welcher wegen viel vergebne Seufzer ſtreichen;
Die hat Erd und Himmel nun dir/ O Silvio, beſchert.
Du biſt der Gunſt nicht wehrt/
Du kanſt Sie itzt uͤmfangen/
Und wilſt Sie nicht erlangen.
Du biſt vorwahr ein Wild/ ja Eiſen/ Eiß und Stein.
Silv. Jſt dann/ nicht lieben/ ſo groſſe Grauſamkeit?
So muß die Grauſamkeit ja eine Tugend ſeyn:
Und bin gantz unbeſorgt/ daß ſie mein Hertze heget.
Ja dieſes hat mein Haupt mit Ehr und Ruhm beſtreut/
Weil
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[3/0049] Erſter Auftritt. Jch regt in Luſt und Spiel der Jugend heiſſes Blut Jm Schatten Sommerszeit/ im Winter bey der Glut. Silv. Du haſt mir ſolchen Rath ja nicht zuvor gegeben; Jſt dir denn itzt veraͤndert Geiſt und Muth? Linc. Ein andre Zeit bringt ander Leben/ Waͤr ich der Silvio, ſo nennt ich dis mein Gut. Linc. Weil ich nun Silvio, und gar nicht Linco bin/ Wil ich den Silvio, und nicht den Linco hoͤren. Linc. O junger Sinn/ Wie laͤſtu dich bethoͤren! Du ſuchſt ein Wild ſo weit/ und laͤſt daſſelbe gehn/ So du in Sicherheit nah und zu Hauſe findeſt. Silv. Jſt dieſes Ernſt/ wie ſoll ich es verſtehn? Linc. Ernſt/ wo du dich nicht ſelbſt zu ſchertzen unterwindeſt. Silv. Und iſt nicht weit von hier? Linc. Faſt naͤher als du ſelber dir. Silv. Wo hat es denn den Aufenthalt? Linc. Du ſelber biſt der Wald/ Und dieſes Waldes Wild iſt deine Grauſamkeit/ Das laͤſtu ohne Streit/ Und lieget doch mit Ruh in deinem Hertzen. Silv. Jch dachte wohl/ du wuͤrdeſt ſchertzen. Linc. Das ſchoͤnſte Weib/ da Liebligkeit und Pracht/ Was ſterblich war/ zu einer Goͤttin macht/ Der friſche Morgen-Roſen weichen: Der ſelbſt der weich- und weiſſe Schwan/ Wie weich und weiß er iſt/ nicht gleiche kommen kan/ Um welcher wegen viel vergebne Seufzer ſtreichen; Die hat Erd und Himmel nun dir/ O Silvio, beſchert. Du biſt der Gunſt nicht wehrt/ Du kanſt Sie itzt uͤmfangen/ Und wilſt Sie nicht erlangen. Du biſt vorwahr ein Wild/ ja Eiſen/ Eiß und Stein. Silv. Jſt dann/ nicht lieben/ ſo groſſe Grauſamkeit? So muß die Grauſamkeit ja eine Tugend ſeyn: Und bin gantz unbeſorgt/ daß ſie mein Hertze heget. Ja dieſes hat mein Haupt mit Ehr und Ruhm beſtreut/ Weil A 2

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/49>, abgerufen am 28.03.2024.