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Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682.

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Vierdten Buchs Erster Theil/ Wein-Garten.
[Spaltenumbruch] Jahrs seyn/ den man speiset/ wegen der grossen Hitz/ die
sich mit seinen Jahren vermehret.

Was auf hohen Gebürgen wächset ist gesünder/ als
in der Ebene/ oder gar in den Gründen; er steiget bald
ins Haubt/ und verdünstet auch bald wieder/ ist einer
durchdringenden Art/ zertheilet und löset auf die zähen
schleimigen Feuchtigkeiten/ treibt den Harn und
Schweiß/ sonderlich die so vom Galeno oligoPhora ge-
nannnt werden; nicht starck und geistig/ sondern röh-
richt/ lind und picquant sind/ die zum gemeinen Trunck/
sonderlich im Sommer/ am allernützlichsten/ den Durst
löschen/ und dem Haubt nicht schaden. Den jungen
Leuten aber/ sonderlich den Kindern/ ist er wegen der
hitzigen Complexion, so beederseits sich findet/ ungesund/
daß Plato den jungen Leuten vor dem 18ten Jahr keinen
Wein zu versuchen hat erlauben wollen.

Der Wein wann er jährig oder noch jünger ist/ ist
hitzig im ersten biß zum Anfang des andern Grads/ wenn
er aber alt ist/ wird er schier biß auf den dritten Grad
hitzig gehalten/ daher dieser den alten Leuten/ jener aber
den jungen bequemer. Allein daß kein Mißbrauch mit
unterlauffe/ und das alte Sprichwort/ Ne quid nimis,
wol beobachtet werde; in Bedencken/ so groß seine
[Spaltenumbruch] Güte und Nutzbarkeit ist/ wann er zur Nohtdurfft be-
scheidentlich genossen wird/ um so viel grösser ist der
Schade/ der aus dem Mißbrauch entspringet/ welches
alles/ Weitläufftigkeit zu verhüten/ ich gerne übergehe.

Jch solte wol absonderlich hier insgemein von des
Weins Eigenschafft und Wirckungen allhier Meldung
thun/ aber dessen sind alle Kräuter-Artzney- und Wirth-
schafft-Bücher so voll/ daß ich solches allhier nicht wie-
derhohlen mögen. Tanara sagt in seinem Beschluß des
ersten Buchs/ daß die wilden Turteltauben/ durch den
Wein/ ihrer wilden Art vergessen/ und in den Häusern
brüten: Die Bienen mit Wein besprützt/ im Schwär-
men nicht weggehen; die Weinhäfen einen unfrucht-
baren Baum trächtig machen/ ohne was der Wein in
der Artzney und Kuchen für Nutzen schafft.

Sonderlich ist der Wein alten Leuten/ deren Milch
er billich heisset/ gesund/ denn weil sie trockner Eigen-
schafft sind/ befeuchtet er sie; weil sie kalt sind/ erwär-
met er sie; weil sie traurig sind/ erfreuet er sie; und weil
endlich die Lebens-Geister in ihnen schwach werden/
stärcket und mehret er sie/ so fern er mässig genommen/
und aller Uberfluß und Mißbrauch verhütet wird.

Cap. XLIV.
Wie guter Wein zu erkennen.
[Spaltenumbruch]

ETliche glauben/ daß man/ den gerechten guten
Wein zu erkennen/ den Mund auswaschen/ und
3 oder 4 Bissen Brod aus Wasser vorher essen/
und den Wein darauf kosten soll/ denn gantz nüchtern/
oder gantz satt solches versuchen/ benimmt einem Men-
schen den Geschmack. Man soll auch vorher keinen an-
dern Wein getruncken haben. Auf süsses Holtz/ alten
gesaltzenen Käs/ und gewürtzte Speisen hat der saure
Wein auch einen guten Geschmack/ daher man sich des-
sen zu enthalten. Jm Winter sind die Wein stärcker
als im Sommer/ circa solstitia autem & flante Austro,
wandeln sie sich gerne/ und die um diese Zeiten ihren gu-
ten Geschmack behalten/ sind billich fürzuziehen; etliche
glauben/ daß/ wann man Wein kosten will/ und vorher von
einem Apfel esse/ soll man des Weins Eigenschafft desto
subtiler ausnehmen/ so ich aber für ungewiß halte.

Wer Wein verkauffen will/ weise sie bey schönem
hellen Wetter; wer sie aber kauffen will/ kans auch
wol bey Regenwetter thun. Man hält auch diß für ei-
ne bewährte Prob/ daß man ein wenig Weins mitten
aus dem Faß nehme/ und den über einem Feuer erwal-
len lasse/ und was Geschmacks er hat/ wann er kalt
worden/ dessen hat man sich auch in seinem Alter zu
versichern.

Wer Wein kosten will/ muß nur ein wenig in den
Mund fassen/ ihn nicht gleich hinab schlingen/ sondern
auf der Zungen ein wenig behalten/ und es öffter als
[Spaltenumbruch] einmal/ allzeit ein wenig/ kosten. Man soll den Wein
resch einschencken/ macht er denn Schaum/ der bald
vergehet so ist er gerecht/ steht aber der Schaum lang
darauf/ so ist er unbeständig und wandelbar.

Jtem nimm von dem Geläger ein wenig/ in einen
neuen Hafen/ verdecks wol/ daß es nicht Lufft habe/
laß es also drey Tage stehen/ darnach öffne es und
riech darzu/ hat er einen guten Geruch/ so besteht der
Wein.

Man mag ihn auch wol am Einschencken erkennen/
wann sich das Ringlein in der Mitte zusammen fügt/ so
ists ein guter Wein; wo es sich aber nur im äussern
Ring oder Umkrays von einander lässet/ so ist es nicht
ein gutes Zeichen.

Wann der Weln springt/ und resch ist am Ein-
schencken/ so ist er gut; wo er aber still und Fadenhaff-
tig wie Oel oder Hönig fleusst/ so ist er zähe; Lebzelten/
Nüß oder was gesaltzen und gewürtzt ist/ soll man
(wann man Wein kosten will) nicht essen/ besser ists
ein wenig Suppen/ aber ungewürtzet/ gessen/ oder nur et-
liche Bröcklein Brods daraus genossen.

Man muß den Kost-Wein auch nicht stracks gar
austrincken/ sondern über Nacht oder länger in einem
Gläslein verdeckt stehen lassen; verändert er die Farb
nicht/ so ist er zu loben/ wird er aber trüb/ röthlicht/
oder auch ungeschmack/ so mag man sich darfür hü-
ten.

Cap.

Vierdten Buchs Erſter Theil/ Wein-Garten.
[Spaltenumbruch] Jahrs ſeyn/ den man ſpeiſet/ wegen der groſſen Hitz/ die
ſich mit ſeinen Jahren vermehret.

Was auf hohen Gebuͤrgen waͤchſet iſt geſuͤnder/ als
in der Ebene/ oder gar in den Gruͤnden; er ſteiget bald
ins Haubt/ und verduͤnſtet auch bald wieder/ iſt einer
durchdringenden Art/ zertheilet und loͤſet auf die zaͤhen
ſchleimigen Feuchtigkeiten/ treibt den Harn und
Schweiß/ ſonderlich die ſo vom Galeno ὀλιγόΦοϱα ge-
nannnt werden; nicht ſtarck und geiſtig/ ſondern roͤh-
richt/ lind und picquant ſind/ die zum gemeinen Trunck/
ſonderlich im Sommer/ am allernuͤtzlichſten/ den Durſt
loͤſchen/ und dem Haubt nicht ſchaden. Den jungen
Leuten aber/ ſonderlich den Kindern/ iſt er wegen der
hitzigen Complexion, ſo beederſeits ſich findet/ ungeſund/
daß Plato den jungen Leuten vor dem 18ten Jahr keinen
Wein zu verſuchen hat erlauben wollen.

Der Wein wann er jaͤhrig oder noch juͤnger iſt/ iſt
hitzig im erſten biß zum Anfang des andern Grads/ wenn
er aber alt iſt/ wird er ſchier biß auf den dritten Grad
hitzig gehalten/ daher dieſer den alten Leuten/ jener aber
den jungen bequemer. Allein daß kein Mißbrauch mit
unterlauffe/ und das alte Sprichwort/ Ne quid nimis,
wol beobachtet werde; in Bedencken/ ſo groß ſeine
[Spaltenumbruch] Guͤte und Nutzbarkeit iſt/ wann er zur Nohtdurfft be-
ſcheidentlich genoſſen wird/ um ſo viel groͤſſer iſt der
Schade/ der aus dem Mißbrauch entſpringet/ welches
alles/ Weitlaͤufftigkeit zu verhuͤten/ ich gerne uͤbergehe.

Jch ſolte wol abſonderlich hier insgemein von des
Weins Eigenſchafft und Wirckungen allhier Meldung
thun/ aber deſſen ſind alle Kraͤuter-Artzney- und Wirth-
ſchafft-Buͤcher ſo voll/ daß ich ſolches allhier nicht wie-
derhohlen moͤgen. Tanara ſagt in ſeinem Beſchluß des
erſten Buchs/ daß die wilden Turteltauben/ durch den
Wein/ ihrer wilden Art vergeſſen/ und in den Haͤuſern
bruͤten: Die Bienen mit Wein beſpruͤtzt/ im Schwaͤr-
men nicht weggehen; die Weinhaͤfen einen unfrucht-
baren Baum traͤchtig machen/ ohne was der Wein in
der Artzney und Kuchen fuͤr Nutzen ſchafft.

Sonderlich iſt der Wein alten Leuten/ deren Milch
er billich heiſſet/ geſund/ denn weil ſie trockner Eigen-
ſchafft ſind/ befeuchtet er ſie; weil ſie kalt ſind/ erwaͤr-
met er ſie; weil ſie traurig ſind/ erfreuet er ſie; und weil
endlich die Lebens-Geiſter in ihnen ſchwach werden/
ſtaͤrcket und mehret er ſie/ ſo fern er maͤſſig genommen/
und aller Uberfluß und Mißbrauch verhuͤtet wird.

Cap. XLIV.
Wie guter Wein zu erkennen.
[Spaltenumbruch]

ETliche glauben/ daß man/ den gerechten guten
Wein zu erkennen/ den Mund auswaſchen/ und
3 oder 4 Biſſen Brod aus Waſſer vorher eſſen/
und den Wein darauf koſten ſoll/ denn gantz nuͤchtern/
oder gantz ſatt ſolches verſuchen/ benimmt einem Men-
ſchen den Geſchmack. Man ſoll auch vorher keinen an-
dern Wein getruncken haben. Auf ſuͤſſes Holtz/ alten
geſaltzenen Kaͤs/ und gewuͤrtzte Speiſen hat der ſaure
Wein auch einen guten Geſchmack/ daher man ſich deſ-
ſen zu enthalten. Jm Winter ſind die Wein ſtaͤrcker
als im Sommer/ circa ſolſtitia autem & flante Auſtro,
wandeln ſie ſich gerne/ und die um dieſe Zeiten ihren gu-
ten Geſchmack behalten/ ſind billich fuͤrzuziehen; etliche
glauben/ daß/ wañ man Wein koſten will/ uñ vorher von
einem Apfel eſſe/ ſoll man des Weins Eigenſchafft deſto
ſubtiler ausnehmen/ ſo ich aber fuͤr ungewiß halte.

Wer Wein verkauffen will/ weiſe ſie bey ſchoͤnem
hellen Wetter; wer ſie aber kauffen will/ kans auch
wol bey Regenwetter thun. Man haͤlt auch diß fuͤr ei-
ne bewaͤhrte Prob/ daß man ein wenig Weins mitten
aus dem Faß nehme/ und den uͤber einem Feuer erwal-
len laſſe/ und was Geſchmacks er hat/ wann er kalt
worden/ deſſen hat man ſich auch in ſeinem Alter zu
verſichern.

Wer Wein koſten will/ muß nur ein wenig in den
Mund faſſen/ ihn nicht gleich hinab ſchlingen/ ſondern
auf der Zungen ein wenig behalten/ und es oͤffter als
[Spaltenumbruch] einmal/ allzeit ein wenig/ koſten. Man ſoll den Wein
reſch einſchencken/ macht er denn Schaum/ der bald
vergehet ſo iſt er gerecht/ ſteht aber der Schaum lang
darauf/ ſo iſt er unbeſtaͤndig und wandelbar.

Jtem nimm von dem Gelaͤger ein wenig/ in einen
neuen Hafen/ verdecks wol/ daß es nicht Lufft habe/
laß es alſo drey Tage ſtehen/ darnach oͤffne es und
riech darzu/ hat er einen guten Geruch/ ſo beſteht der
Wein.

Man mag ihn auch wol am Einſchencken erkennen/
wann ſich das Ringlein in der Mitte zuſammen fuͤgt/ ſo
iſts ein guter Wein; wo es ſich aber nur im aͤuſſern
Ring oder Umkrays von einander laͤſſet/ ſo iſt es nicht
ein gutes Zeichen.

Wann der Weln ſpringt/ und reſch iſt am Ein-
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tig wie Oel oder Hoͤnig fleuſſt/ ſo iſt er zaͤhe; Lebzelten/
Nuͤß oder was geſaltzen und gewuͤrtzt iſt/ ſoll man
(wann man Wein koſten will) nicht eſſen/ beſſer iſts
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liche Broͤcklein Brods daraus genoſſen.

Man muß den Koſt-Wein auch nicht ſtracks gar
austrincken/ ſondern uͤber Nacht oder laͤnger in einem
Glaͤslein verdeckt ſtehen laſſen; veraͤndert er die Farb
nicht/ ſo iſt er zu loben/ wird er aber truͤb/ roͤthlicht/
oder auch ungeſchmack/ ſo mag man ſich darfuͤr huͤ-
ten.

Cap.
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[367/0385] Vierdten Buchs Erſter Theil/ Wein-Garten. Jahrs ſeyn/ den man ſpeiſet/ wegen der groſſen Hitz/ die ſich mit ſeinen Jahren vermehret. Was auf hohen Gebuͤrgen waͤchſet iſt geſuͤnder/ als in der Ebene/ oder gar in den Gruͤnden; er ſteiget bald ins Haubt/ und verduͤnſtet auch bald wieder/ iſt einer durchdringenden Art/ zertheilet und loͤſet auf die zaͤhen ſchleimigen Feuchtigkeiten/ treibt den Harn und Schweiß/ ſonderlich die ſo vom Galeno ὀλιγόΦοϱα ge- nannnt werden; nicht ſtarck und geiſtig/ ſondern roͤh- richt/ lind und picquant ſind/ die zum gemeinen Trunck/ ſonderlich im Sommer/ am allernuͤtzlichſten/ den Durſt loͤſchen/ und dem Haubt nicht ſchaden. Den jungen Leuten aber/ ſonderlich den Kindern/ iſt er wegen der hitzigen Complexion, ſo beederſeits ſich findet/ ungeſund/ daß Plato den jungen Leuten vor dem 18ten Jahr keinen Wein zu verſuchen hat erlauben wollen. Der Wein wann er jaͤhrig oder noch juͤnger iſt/ iſt hitzig im erſten biß zum Anfang des andern Grads/ wenn er aber alt iſt/ wird er ſchier biß auf den dritten Grad hitzig gehalten/ daher dieſer den alten Leuten/ jener aber den jungen bequemer. Allein daß kein Mißbrauch mit unterlauffe/ und das alte Sprichwort/ Ne quid nimis, wol beobachtet werde; in Bedencken/ ſo groß ſeine Guͤte und Nutzbarkeit iſt/ wann er zur Nohtdurfft be- ſcheidentlich genoſſen wird/ um ſo viel groͤſſer iſt der Schade/ der aus dem Mißbrauch entſpringet/ welches alles/ Weitlaͤufftigkeit zu verhuͤten/ ich gerne uͤbergehe. Jch ſolte wol abſonderlich hier insgemein von des Weins Eigenſchafft und Wirckungen allhier Meldung thun/ aber deſſen ſind alle Kraͤuter-Artzney- und Wirth- ſchafft-Buͤcher ſo voll/ daß ich ſolches allhier nicht wie- derhohlen moͤgen. Tanara ſagt in ſeinem Beſchluß des erſten Buchs/ daß die wilden Turteltauben/ durch den Wein/ ihrer wilden Art vergeſſen/ und in den Haͤuſern bruͤten: Die Bienen mit Wein beſpruͤtzt/ im Schwaͤr- men nicht weggehen; die Weinhaͤfen einen unfrucht- baren Baum traͤchtig machen/ ohne was der Wein in der Artzney und Kuchen fuͤr Nutzen ſchafft. Sonderlich iſt der Wein alten Leuten/ deren Milch er billich heiſſet/ geſund/ denn weil ſie trockner Eigen- ſchafft ſind/ befeuchtet er ſie; weil ſie kalt ſind/ erwaͤr- met er ſie; weil ſie traurig ſind/ erfreuet er ſie; und weil endlich die Lebens-Geiſter in ihnen ſchwach werden/ ſtaͤrcket und mehret er ſie/ ſo fern er maͤſſig genommen/ und aller Uberfluß und Mißbrauch verhuͤtet wird. Cap. XLIV. Wie guter Wein zu erkennen. ETliche glauben/ daß man/ den gerechten guten Wein zu erkennen/ den Mund auswaſchen/ und 3 oder 4 Biſſen Brod aus Waſſer vorher eſſen/ und den Wein darauf koſten ſoll/ denn gantz nuͤchtern/ oder gantz ſatt ſolches verſuchen/ benimmt einem Men- ſchen den Geſchmack. Man ſoll auch vorher keinen an- dern Wein getruncken haben. Auf ſuͤſſes Holtz/ alten geſaltzenen Kaͤs/ und gewuͤrtzte Speiſen hat der ſaure Wein auch einen guten Geſchmack/ daher man ſich deſ- ſen zu enthalten. Jm Winter ſind die Wein ſtaͤrcker als im Sommer/ circa ſolſtitia autem & flante Auſtro, wandeln ſie ſich gerne/ und die um dieſe Zeiten ihren gu- ten Geſchmack behalten/ ſind billich fuͤrzuziehen; etliche glauben/ daß/ wañ man Wein koſten will/ uñ vorher von einem Apfel eſſe/ ſoll man des Weins Eigenſchafft deſto ſubtiler ausnehmen/ ſo ich aber fuͤr ungewiß halte. Wer Wein verkauffen will/ weiſe ſie bey ſchoͤnem hellen Wetter; wer ſie aber kauffen will/ kans auch wol bey Regenwetter thun. Man haͤlt auch diß fuͤr ei- ne bewaͤhrte Prob/ daß man ein wenig Weins mitten aus dem Faß nehme/ und den uͤber einem Feuer erwal- len laſſe/ und was Geſchmacks er hat/ wann er kalt worden/ deſſen hat man ſich auch in ſeinem Alter zu verſichern. Wer Wein koſten will/ muß nur ein wenig in den Mund faſſen/ ihn nicht gleich hinab ſchlingen/ ſondern auf der Zungen ein wenig behalten/ und es oͤffter als einmal/ allzeit ein wenig/ koſten. Man ſoll den Wein reſch einſchencken/ macht er denn Schaum/ der bald vergehet ſo iſt er gerecht/ ſteht aber der Schaum lang darauf/ ſo iſt er unbeſtaͤndig und wandelbar. Jtem nimm von dem Gelaͤger ein wenig/ in einen neuen Hafen/ verdecks wol/ daß es nicht Lufft habe/ laß es alſo drey Tage ſtehen/ darnach oͤffne es und riech darzu/ hat er einen guten Geruch/ ſo beſteht der Wein. Man mag ihn auch wol am Einſchencken erkennen/ wann ſich das Ringlein in der Mitte zuſammen fuͤgt/ ſo iſts ein guter Wein; wo es ſich aber nur im aͤuſſern Ring oder Umkrays von einander laͤſſet/ ſo iſt es nicht ein gutes Zeichen. Wann der Weln ſpringt/ und reſch iſt am Ein- ſchencken/ ſo iſt er gut; wo er aber ſtill und Fadenhaff- tig wie Oel oder Hoͤnig fleuſſt/ ſo iſt er zaͤhe; Lebzelten/ Nuͤß oder was geſaltzen und gewuͤrtzt iſt/ ſoll man (wann man Wein koſten will) nicht eſſen/ beſſer iſts ein wenig Suppen/ aber ungewuͤrtzet/ geſſen/ oder nur et- liche Broͤcklein Brods daraus genoſſen. Man muß den Koſt-Wein auch nicht ſtracks gar austrincken/ ſondern uͤber Nacht oder laͤnger in einem Glaͤslein verdeckt ſtehen laſſen; veraͤndert er die Farb nicht/ ſo iſt er zu loben/ wird er aber truͤb/ roͤthlicht/ oder auch ungeſchmack/ ſo mag man ſich darfuͤr huͤ- ten. Cap.

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Zitationshilfe: Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica01_1682/385>, abgerufen am 18.04.2024.