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Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 2. Nürnberg, 1682.

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Des Adelichen Land- und Feld-Lebens
[Spaltenumbruch] an die Stämme der Waldbäume anschlagen/ sie nach
und nach abledigen/ rogel machen/ und endlich gar ab-
werffen/ wie D. Joh. Andr. Graba in seiner elaphographia
bezeuget.

Theophrastus meldet/ daß einem Hirschen aus sei-
nem Geweyhe Epheu gewachsen sey. Wiewol nun et-
liche nicht vermeynen/ oder sich einbilden können/ wie
einiger Epheu-Saamen dahin müsse gekommen seyn/
sey auch nicht glaublich/ daß der Hirsch sich etwa mit
dem Geweyhe an einem Epheu-Stock solle geriben/
und etwas von der Wurtzel behalten haben/ die etwan
von ohngefehrde einen so weichen und faulen Ort im Ge-
weyhe angetroffen hätte/ und also darinnen stecken ge-
blieben und ausgewachsen wäre. Mich aber dunckt es
gantz wahrscheinlich/ weil bekannt/ daß sich die Schlan-
gen und Nattern überaus gerne in den Schatten des
Epheues aufhalten/ darum er auch deßwegen aus vielen
Gärten bannisirt wird/ könte also wol seyn/ wann die
so beschryene Antipathia der Hirschen mit den Schlan-
gen wahr ist/ daß etwan derselbige Hirsch eine Schlan-
ge unter dem Epheu angetroffen/ und mit dem Gewey-
he hat heraus arbeiten und heben wollen/ und etwan al-
so ein zeitiges Epheu-Beerlein auf dem Geweyhe zer-
druckt hätte/ welches darauf ein kleines Oertlein mit Er-
den gefüllt (wie sie dann gern in der Erde umwühlen)
erreicht; und wie der Epheu nicht tieffen Grund bedarff/
also er auch an diesem Geweyhe eingewurtzelt und Zwei-
ge getrieben hätte.

Wann das Geweyhe wieder anfängt zu wachsen/
welches die Jäger Kolben heissen/ und sie etwan einer
Handbreit lang werden/ sind sie weich/ und mit einer
rauhen Haut überzogen/ das wird/ wann ein solcher
Hirsch gefällt wird/ in kleine dünne Scheiblein geschnit-
ten oder klein gehackt/ mit Gewürtz und Butter gekocht/
und für ein fürtreffliches gesundes Herren-Essen billich
gehalten. Wann sie sich in die Flucht begeben/ suchen
sie dieselbe meistens nach dem Winde/ daß der Geruch
von ihnen nicht gegen den Hunden sich ausbreiten möge.
Sie sind von einem scharffen überaus subtilen Gehör/
sonderlich wann sie die Ohren spitzen.

Jn denen gar grossen alten Haubthirschen/ soll in
beeden Augen-Ecken ein gewisses Gewächse (Hirschthre-
nen genannt) gefunden werden/ anfangs wie ein Wachs
oder Gummi/ wann es erhartet/ ist der Geruch davon
erstlich widerwärtig/ hernach wolriechender/ wird aber
mit der Zeit so hart wie ein Horn oder Stein; wo er aus
den Augenwinckeln herfür ragt/ scheinet er rund/ glatt
und gläntzig/ gelblicht/ und mit schwartzen Aederlein/
wie Scaliger meldet/ der durch den Schweiß und Thre-
nen (so aus Fressung der gifftigen Schlangen verursacht
wird) sich in die Ecke der Augen anlegt/ und endlich
durch die Lufft erhartet; weil nun diß den Hirschen am
Sehen verhindert/ reibt er sich an die Bäume und streifft
es ab/ da es bißweilen die Jäger finden und hoch halten.
6 Gran davon/ mit Mithridat genommen/ widerstehet
dem Gifft. Wiewol etliche die Antipathiam von der
Schlangen für eine Fabel halten. A quibusdam affir-
matur, pellem cervinam eo tempore cervo detractam,
quo insano amore exaestuat, & super Lectum, in quo
conjuges cubant, stratam, eos ad venerem vehemen-
tissime stimulare, ut Idem D. Graba ex Untzero as-
serit
. Darum auch in der Brunstzeit ihr Fleisch zu
böcklen pfleget.

[Spaltenumbruch]

Er soll (wie gedacht) ein sonderbarer abgesagter
Feind der Schlangen seyn/ und wo er sie sonst ober der
Erden nicht findet/ ziehet er sie mit dem starcken Pfnaus
seines Athems aus der Höhle/ zertritt und frisst sie/ und
das thut er/ wann er kranck und matt wird/ dardurch rei-
nigt er sich/ laufft so lang/ biß er anfängt zu schwitzen/ und
ein Wasser findet/ darein legt er sich alsobald/ und dar-
auf fängt er an den Magen und gantzen Leib zu purgi-
ren/ dardurch er wieder zu seinen vorigen Kräfften ge-
langet.

Wiewol Sieur de Salnove, in seiner Venerie
Royale,
dieses für eine Fabel hält/ und vermeynt/ sie
purgiren sich jährlich im Frühling mit dem jungen Gras/
wie man aus ihrem Loß darzumal leicht sehen kan. Jm
Winter ligen sie meistentheils Hauffenweiß/ damit sie
mit ihrem Athem/ und nahendem Anligen einander er-
wärmen; im Sommer hingegen ligen sie gern allein/
desto kühlerer Lufft und Lagerstatt zu geniessen.

Wann der Hirsch im Lauff ist/ und ihn Jemand an-
schreyet/ so bleibt er alsobald stutzen/ und geht der gehör-
ten Stimme zu/ dardurch er aus seiner Einfalt/ desto
leichter zum Schuß gebracht wird. Wann er etwas un-
gewöhnliches sihet/ als etwan einen Fuhrmann mit einem
Wagen/ oder ein beladen Saumroß oder Esel/ so stehet
er still und gaffet es an.

Mons. du Fouilloux sagt/ die Hirschen seyen von
dreyerley Haaren/ braun/ falb und röthlicht; die brau-
nen sind groß und länglicht/ lauffen schnell/ und haben
einen stärckern Athem/ als die andern; etliche davon
sind klein/ haben meistentheils schwärtzlichte Haar auf
dem Hals/ haben ein edler Wildpret als die andern/
weil sie lieber in den Gebüschen ihre Weide nehmen/ als
in den grossen Wäldern. Die falben Hirschen tragen
ihr Haubt empor/ haben ein schwaches Geweyhe/ son-
derlich die jenigen/ so etwas weisses unter den Haaren
haben; die aber gelbfalbe und einen braunen Strich ü-
ber den Rucken haben/ die sind edle und gute Hirschen.
Die röthlichfärbigen Hirschen sind meistentheils jung
und dauerhafft/ welche sonderlich die Chiens Courans
und lauffende Hunde lang genug abtreiben und ermü-
den können.

Die weissen Hirschen sind gantz rar/ möchten et-
wan mehr in den Nordländern zu finden seyn/ werden
von den Jndianern Hirschen-König und Yztac Ma-
came
genennt; einen solchen weissen Hirschen soll/ nach
Cardani Zeugnis/ ein Englischer König/ dem Sicilia-
nischen König Alphonso übersendet haben/ ein solches
weisses Stuck Wild hat auch/ wie Gellius schreibet/
Sertorius in Portugall gehabt/ welches ihn überall
hin begleitet hat.

Wann der Hirsch von Hunden/ sonderlich in der
Brunstzeit/ angefallen wird/ stösset er mit dem Geweyh/
und schlägt mit dem vordern Lauff tapffer von sich loß.
Er ist so schnell/ daß er im Lauffen auch ein Pferd über-
trifft/ und erzehlt Colerus l 14. c. 35. daß die Grafen von
Stollberg einen solchen zahmen Hirschen gehabt/ der
sich zäumen und reiten lassen/ diesen haben sie Ertzher-
tzog Maximiliano, der nach Ferdinandi I. seines Her-
ren Vatters Tod/ hernach Kayser/ und der ander diß
Nahmens genennt worden/ verehret. Und als Kayser
Carolus V. Anno 1548. zu Augspurg einen Wett-
lauff mit Pferden angestellt/ sey dieser Hirsch mit seinem
Reuter/ allen den schnellesten Spanischen Pferden weit

fürge-

Des Adelichen Land- und Feld-Lebens
[Spaltenumbruch] an die Staͤmme der Waldbaͤume anſchlagen/ ſie nach
und nach abledigen/ rogel machen/ und endlich gar ab-
werffen/ wie D. Joh. Andr. Graba in ſeiner ἐλαφογραφίᾳ
bezeuget.

Theophraſtus meldet/ daß einem Hirſchen aus ſei-
nem Geweyhe Epheu gewachſen ſey. Wiewol nun et-
liche nicht vermeynen/ oder ſich einbilden koͤnnen/ wie
einiger Epheu-Saamen dahin muͤſſe gekommen ſeyn/
ſey auch nicht glaublich/ daß der Hirſch ſich etwa mit
dem Geweyhe an einem Epheu-Stock ſolle geriben/
und etwas von der Wurtzel behalten haben/ die etwan
von ohngefehrde einen ſo weichen und faulen Ort im Ge-
weyhe angetroffen haͤtte/ und alſo darinnen ſtecken ge-
blieben und ausgewachſen waͤre. Mich aber dunckt es
gantz wahrſcheinlich/ weil bekannt/ daß ſich die Schlan-
gen und Nattern uͤberaus gerne in den Schatten des
Epheues aufhalten/ darum er auch deßwegen aus vielen
Gaͤrten banniſirt wird/ koͤnte alſo wol ſeyn/ wann die
ſo beſchryene Antipathia der Hirſchen mit den Schlan-
gen wahr iſt/ daß etwan derſelbige Hirſch eine Schlan-
ge unter dem Epheu angetroffen/ und mit dem Gewey-
he hat heraus arbeiten und heben wollen/ und etwan al-
ſo ein zeitiges Epheu-Beerlein auf dem Geweyhe zer-
druckt haͤtte/ welches darauf ein kleines Oertlein mit Er-
den gefuͤllt (wie ſie dann gern in der Erde umwuͤhlen)
erreicht; und wie der Epheu nicht tieffen Grund bedarff/
alſo er auch an dieſem Geweyhe eingewurtzelt und Zwei-
ge getrieben haͤtte.

Wann das Geweyhe wieder anfaͤngt zu wachſen/
welches die Jaͤger Kolben heiſſen/ und ſie etwan einer
Handbreit lang werden/ ſind ſie weich/ und mit einer
rauhen Haut uͤberzogen/ das wird/ wann ein ſolcher
Hirſch gefaͤllt wird/ in kleine duͤnne Scheiblein geſchnit-
ten oder klein gehackt/ mit Gewuͤrtz und Butter gekocht/
und fuͤr ein fuͤrtreffliches geſundes Herren-Eſſen billich
gehalten. Wann ſie ſich in die Flucht begeben/ ſuchen
ſie dieſelbe meiſtens nach dem Winde/ daß der Geruch
von ihnen nicht gegen den Hunden ſich ausbreiten moͤge.
Sie ſind von einem ſcharffen uͤberaus ſubtilen Gehoͤr/
ſonderlich wann ſie die Ohren ſpitzen.

Jn denen gar groſſen alten Haubthirſchen/ ſoll in
beeden Augen-Ecken ein gewiſſes Gewaͤchſe (Hirſchthre-
nen genannt) gefunden werden/ anfangs wie ein Wachs
oder Gummi/ wann es erhartet/ iſt der Geruch davon
erſtlich widerwaͤrtig/ hernach wolriechender/ wird aber
mit der Zeit ſo hart wie ein Horn oder Stein; wo er aus
den Augenwinckeln herfuͤr ragt/ ſcheinet er rund/ glatt
und glaͤntzig/ gelblicht/ und mit ſchwartzen Aederlein/
wie Scaliger meldet/ der durch den Schweiß und Thre-
nen (ſo aus Freſſung der gifftigen Schlangen verurſacht
wird) ſich in die Ecke der Augen anlegt/ und endlich
durch die Lufft erhartet; weil nun diß den Hirſchen am
Sehen verhindert/ reibt er ſich an die Baͤume und ſtreifft
es ab/ da es bißweilen die Jaͤger finden und hoch halten.
6 Gran davon/ mit Mithridat genommen/ widerſtehet
dem Gifft. Wiewol etliche die Antipathiam von der
Schlangen fuͤr eine Fabel halten. A quibusdam affir-
matur, pellem cervinam eo tempore cervo detractam,
quo inſano amore exæſtuat, & ſuper Lectum, in quo
conjuges cubant, ſtratam, eos ad venerem vehemen-
tiſſimè ſtimulare, ut Idem D. Graba ex Untzero aſ-
ſerit
. Darum auch in der Brunſtzeit ihr Fleiſch zu
boͤcklen pfleget.

[Spaltenumbruch]

Er ſoll (wie gedacht) ein ſonderbarer abgeſagter
Feind der Schlangen ſeyn/ und wo er ſie ſonſt ober der
Erden nicht findet/ ziehet er ſie mit dem ſtarcken Pfnaus
ſeines Athems aus der Hoͤhle/ zertritt und friſſt ſie/ und
das thut er/ wann er kranck und matt wird/ dardurch rei-
nigt er ſich/ laufft ſo lang/ biß er anfaͤngt zu ſchwitzen/ und
ein Waſſer findet/ darein legt er ſich alſobald/ und dar-
auf faͤngt er an den Magen und gantzen Leib zu purgi-
ren/ dardurch er wieder zu ſeinen vorigen Kraͤfften ge-
langet.

Wiewol Sieur de Salnove, in ſeiner Venerie
Royale,
dieſes fuͤr eine Fabel haͤlt/ und vermeynt/ ſie
purgiren ſich jaͤhrlich im Fruͤhling mit dem jungen Gras/
wie man aus ihrem Loß darzumal leicht ſehen kan. Jm
Winter ligen ſie meiſtentheils Hauffenweiß/ damit ſie
mit ihrem Athem/ und nahendem Anligen einander er-
waͤrmen; im Sommer hingegen ligen ſie gern allein/
deſto kuͤhlerer Lufft und Lagerſtatt zu genieſſen.

Wann der Hirſch im Lauff iſt/ und ihn Jemand an-
ſchreyet/ ſo bleibt er alſobald ſtutzen/ und geht der gehoͤr-
ten Stimme zu/ dardurch er aus ſeiner Einfalt/ deſto
leichter zum Schuß gebracht wird. Wann er etwas un-
gewoͤhnliches ſihet/ als etwan einen Fuhrmañ mit einem
Wagen/ oder ein beladen Saumroß oder Eſel/ ſo ſtehet
er ſtill und gaffet es an.

Monſ. du Fouilloux ſagt/ die Hirſchen ſeyen von
dreyerley Haaren/ braun/ falb und roͤthlicht; die brau-
nen ſind groß und laͤnglicht/ lauffen ſchnell/ und haben
einen ſtaͤrckern Athem/ als die andern; etliche davon
ſind klein/ haben meiſtentheils ſchwaͤrtzlichte Haar auf
dem Hals/ haben ein edler Wildpret als die andern/
weil ſie lieber in den Gebuͤſchen ihre Weide nehmen/ als
in den groſſen Waͤldern. Die falben Hirſchen tragen
ihr Haubt empor/ haben ein ſchwaches Geweyhe/ ſon-
derlich die jenigen/ ſo etwas weiſſes unter den Haaren
haben; die aber gelbfalbe und einen braunen Strich uͤ-
ber den Rucken haben/ die ſind edle und gute Hirſchen.
Die roͤthlichfaͤrbigen Hirſchen ſind meiſtentheils jung
und dauerhafft/ welche ſonderlich die Chiens Courans
und lauffende Hunde lang genug abtreiben und ermuͤ-
den koͤnnen.

Die weiſſen Hirſchen ſind gantz rar/ moͤchten et-
wan mehr in den Nordlaͤndern zu finden ſeyn/ werden
von den Jndianern Hirſchen-Koͤnig und Yztac Ma-
came
genennt; einen ſolchen weiſſen Hirſchen ſoll/ nach
Cardani Zeugnis/ ein Engliſcher Koͤnig/ dem Sicilia-
niſchen Koͤnig Alphonſo uͤberſendet haben/ ein ſolches
weiſſes Stuck Wild hat auch/ wie Gellius ſchreibet/
Sertorius in Portugall gehabt/ welches ihn uͤberall
hin begleitet hat.

Wann der Hirſch von Hunden/ ſonderlich in der
Brunſtzeit/ angefallen wird/ ſtoͤſſet er mit dem Geweyh/
und ſchlaͤgt mit dem vordern Lauff tapffer von ſich loß.
Er iſt ſo ſchnell/ daß er im Lauffen auch ein Pferd uͤber-
trifft/ und erzehlt Colerus l 14. c. 35. daß die Grafen von
Stollberg einen ſolchen zahmen Hirſchen gehabt/ der
ſich zaͤumen und reiten laſſen/ dieſen haben ſie Ertzher-
tzog Maximiliano, der nach Ferdinandi I. ſeines Her-
ren Vatters Tod/ hernach Kayſer/ und der ander diß
Nahmens genennt worden/ verehret. Und als Kayſer
Carolus V. Anno 1548. zu Augſpurg einen Wett-
lauff mit Pferden angeſtellt/ ſey dieſer Hirſch mit ſeinem
Reuter/ allen den ſchnelleſten Spaniſchen Pferden weit

fuͤrge-
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[608/0626] Des Adelichen Land- und Feld-Lebens an die Staͤmme der Waldbaͤume anſchlagen/ ſie nach und nach abledigen/ rogel machen/ und endlich gar ab- werffen/ wie D. Joh. Andr. Graba in ſeiner ἐλαφογραφίᾳ bezeuget. Theophraſtus meldet/ daß einem Hirſchen aus ſei- nem Geweyhe Epheu gewachſen ſey. Wiewol nun et- liche nicht vermeynen/ oder ſich einbilden koͤnnen/ wie einiger Epheu-Saamen dahin muͤſſe gekommen ſeyn/ ſey auch nicht glaublich/ daß der Hirſch ſich etwa mit dem Geweyhe an einem Epheu-Stock ſolle geriben/ und etwas von der Wurtzel behalten haben/ die etwan von ohngefehrde einen ſo weichen und faulen Ort im Ge- weyhe angetroffen haͤtte/ und alſo darinnen ſtecken ge- blieben und ausgewachſen waͤre. Mich aber dunckt es gantz wahrſcheinlich/ weil bekannt/ daß ſich die Schlan- gen und Nattern uͤberaus gerne in den Schatten des Epheues aufhalten/ darum er auch deßwegen aus vielen Gaͤrten banniſirt wird/ koͤnte alſo wol ſeyn/ wann die ſo beſchryene Antipathia der Hirſchen mit den Schlan- gen wahr iſt/ daß etwan derſelbige Hirſch eine Schlan- ge unter dem Epheu angetroffen/ und mit dem Gewey- he hat heraus arbeiten und heben wollen/ und etwan al- ſo ein zeitiges Epheu-Beerlein auf dem Geweyhe zer- druckt haͤtte/ welches darauf ein kleines Oertlein mit Er- den gefuͤllt (wie ſie dann gern in der Erde umwuͤhlen) erreicht; und wie der Epheu nicht tieffen Grund bedarff/ alſo er auch an dieſem Geweyhe eingewurtzelt und Zwei- ge getrieben haͤtte. Wann das Geweyhe wieder anfaͤngt zu wachſen/ welches die Jaͤger Kolben heiſſen/ und ſie etwan einer Handbreit lang werden/ ſind ſie weich/ und mit einer rauhen Haut uͤberzogen/ das wird/ wann ein ſolcher Hirſch gefaͤllt wird/ in kleine duͤnne Scheiblein geſchnit- ten oder klein gehackt/ mit Gewuͤrtz und Butter gekocht/ und fuͤr ein fuͤrtreffliches geſundes Herren-Eſſen billich gehalten. Wann ſie ſich in die Flucht begeben/ ſuchen ſie dieſelbe meiſtens nach dem Winde/ daß der Geruch von ihnen nicht gegen den Hunden ſich ausbreiten moͤge. Sie ſind von einem ſcharffen uͤberaus ſubtilen Gehoͤr/ ſonderlich wann ſie die Ohren ſpitzen. Jn denen gar groſſen alten Haubthirſchen/ ſoll in beeden Augen-Ecken ein gewiſſes Gewaͤchſe (Hirſchthre- nen genannt) gefunden werden/ anfangs wie ein Wachs oder Gummi/ wann es erhartet/ iſt der Geruch davon erſtlich widerwaͤrtig/ hernach wolriechender/ wird aber mit der Zeit ſo hart wie ein Horn oder Stein; wo er aus den Augenwinckeln herfuͤr ragt/ ſcheinet er rund/ glatt und glaͤntzig/ gelblicht/ und mit ſchwartzen Aederlein/ wie Scaliger meldet/ der durch den Schweiß und Thre- nen (ſo aus Freſſung der gifftigen Schlangen verurſacht wird) ſich in die Ecke der Augen anlegt/ und endlich durch die Lufft erhartet; weil nun diß den Hirſchen am Sehen verhindert/ reibt er ſich an die Baͤume und ſtreifft es ab/ da es bißweilen die Jaͤger finden und hoch halten. 6 Gran davon/ mit Mithridat genommen/ widerſtehet dem Gifft. Wiewol etliche die Antipathiam von der Schlangen fuͤr eine Fabel halten. A quibusdam affir- matur, pellem cervinam eo tempore cervo detractam, quo inſano amore exæſtuat, & ſuper Lectum, in quo conjuges cubant, ſtratam, eos ad venerem vehemen- tiſſimè ſtimulare, ut Idem D. Graba ex Untzero aſ- ſerit. Darum auch in der Brunſtzeit ihr Fleiſch zu boͤcklen pfleget. Er ſoll (wie gedacht) ein ſonderbarer abgeſagter Feind der Schlangen ſeyn/ und wo er ſie ſonſt ober der Erden nicht findet/ ziehet er ſie mit dem ſtarcken Pfnaus ſeines Athems aus der Hoͤhle/ zertritt und friſſt ſie/ und das thut er/ wann er kranck und matt wird/ dardurch rei- nigt er ſich/ laufft ſo lang/ biß er anfaͤngt zu ſchwitzen/ und ein Waſſer findet/ darein legt er ſich alſobald/ und dar- auf faͤngt er an den Magen und gantzen Leib zu purgi- ren/ dardurch er wieder zu ſeinen vorigen Kraͤfften ge- langet. Wiewol Sieur de Salnove, in ſeiner Venerie Royale, dieſes fuͤr eine Fabel haͤlt/ und vermeynt/ ſie purgiren ſich jaͤhrlich im Fruͤhling mit dem jungen Gras/ wie man aus ihrem Loß darzumal leicht ſehen kan. Jm Winter ligen ſie meiſtentheils Hauffenweiß/ damit ſie mit ihrem Athem/ und nahendem Anligen einander er- waͤrmen; im Sommer hingegen ligen ſie gern allein/ deſto kuͤhlerer Lufft und Lagerſtatt zu genieſſen. Wann der Hirſch im Lauff iſt/ und ihn Jemand an- ſchreyet/ ſo bleibt er alſobald ſtutzen/ und geht der gehoͤr- ten Stimme zu/ dardurch er aus ſeiner Einfalt/ deſto leichter zum Schuß gebracht wird. Wann er etwas un- gewoͤhnliches ſihet/ als etwan einen Fuhrmañ mit einem Wagen/ oder ein beladen Saumroß oder Eſel/ ſo ſtehet er ſtill und gaffet es an. Monſ. du Fouilloux ſagt/ die Hirſchen ſeyen von dreyerley Haaren/ braun/ falb und roͤthlicht; die brau- nen ſind groß und laͤnglicht/ lauffen ſchnell/ und haben einen ſtaͤrckern Athem/ als die andern; etliche davon ſind klein/ haben meiſtentheils ſchwaͤrtzlichte Haar auf dem Hals/ haben ein edler Wildpret als die andern/ weil ſie lieber in den Gebuͤſchen ihre Weide nehmen/ als in den groſſen Waͤldern. Die falben Hirſchen tragen ihr Haubt empor/ haben ein ſchwaches Geweyhe/ ſon- derlich die jenigen/ ſo etwas weiſſes unter den Haaren haben; die aber gelbfalbe und einen braunen Strich uͤ- ber den Rucken haben/ die ſind edle und gute Hirſchen. Die roͤthlichfaͤrbigen Hirſchen ſind meiſtentheils jung und dauerhafft/ welche ſonderlich die Chiens Courans und lauffende Hunde lang genug abtreiben und ermuͤ- den koͤnnen. Die weiſſen Hirſchen ſind gantz rar/ moͤchten et- wan mehr in den Nordlaͤndern zu finden ſeyn/ werden von den Jndianern Hirſchen-Koͤnig und Yztac Ma- came genennt; einen ſolchen weiſſen Hirſchen ſoll/ nach Cardani Zeugnis/ ein Engliſcher Koͤnig/ dem Sicilia- niſchen Koͤnig Alphonſo uͤberſendet haben/ ein ſolches weiſſes Stuck Wild hat auch/ wie Gellius ſchreibet/ Sertorius in Portugall gehabt/ welches ihn uͤberall hin begleitet hat. Wann der Hirſch von Hunden/ ſonderlich in der Brunſtzeit/ angefallen wird/ ſtoͤſſet er mit dem Geweyh/ und ſchlaͤgt mit dem vordern Lauff tapffer von ſich loß. Er iſt ſo ſchnell/ daß er im Lauffen auch ein Pferd uͤber- trifft/ und erzehlt Colerus l 14. c. 35. daß die Grafen von Stollberg einen ſolchen zahmen Hirſchen gehabt/ der ſich zaͤumen und reiten laſſen/ dieſen haben ſie Ertzher- tzog Maximiliano, der nach Ferdinandi I. ſeines Her- ren Vatters Tod/ hernach Kayſer/ und der ander diß Nahmens genennt worden/ verehret. Und als Kayſer Carolus V. Anno 1548. zu Augſpurg einen Wett- lauff mit Pferden angeſtellt/ ſey dieſer Hirſch mit ſeinem Reuter/ allen den ſchnelleſten Spaniſchen Pferden weit fuͤrge-

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Zitationshilfe: Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 2. Nürnberg, 1682, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica02_1682/626>, abgerufen am 23.04.2024.