Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Einunddreißigstes Kapitel.

Nicht Alles ist Gold, was glänzt; Anton zweifelt an seinem Beruf und empfin-
det den Druck von Laura's Fesseln. -- Adele und Adelaide. Ein gutes
Mädchen und eine böse Katze.

Als nach einigen Wochen durch allabendliches Er-
scheinen und stets wachsenden Beifall Antons Eitelkeit
befriedigt, sein Ehrgeiz abgestumpft war, fing er an
die leere Nichtigkeit dieses Seins und Wirkens zu
ahnen. So lange noch ungläubiger Zweifel von Sei-
ten der Reiterschaar und eigene Sehnsucht nach Selbst-
ständigkeit ihn zu riesenhaften Anstrengungen ermun-
tert und darin gekräftiget, hatte er nur das Ziel selbst,
nicht dessen Bedeutung vor Augen gehabt. Dieses
Ziel war nun erreicht und nun durchschaute sein rich-
tiges Urtheil erst, wie verzweifelt wenig dahinter stecke.
Man wiederholte ihm stündlich als eine Hauptregel
des "Metiers," daß der "Artiste," um ein berühm-
tes und in Europa gesuchtes "Süjet" zu werden,
sich vorzugsweise auf ein Stück richten und es in die-
sem allein zur möglichst-größten Sicherheit und Voll-
endung bringen müsse. Das hin und her Suchen,
Versuchen, Streben -- zersplittere die Kraft und
bringe zuletzt Leute hervor, die bei kleinen, schwach-
besetzten Truppen als "vielseitig brauchbar" sich

Einunddreißigſtes Kapitel.

Nicht Alles iſt Gold, was glänzt; Anton zweifelt an ſeinem Beruf und empfin-
det den Druck von Laura’s Feſſeln. — Adele und Adelaide. Ein gutes
Mädchen und eine böſe Katze.

Als nach einigen Wochen durch allabendliches Er-
ſcheinen und ſtets wachſenden Beifall Antons Eitelkeit
befriedigt, ſein Ehrgeiz abgeſtumpft war, fing er an
die leere Nichtigkeit dieſes Seins und Wirkens zu
ahnen. So lange noch unglaͤubiger Zweifel von Sei-
ten der Reiterſchaar und eigene Sehnſucht nach Selbſt-
ſtaͤndigkeit ihn zu rieſenhaften Anſtrengungen ermun-
tert und darin gekraͤftiget, hatte er nur das Ziel ſelbſt,
nicht deſſen Bedeutung vor Augen gehabt. Dieſes
Ziel war nun erreicht und nun durchſchaute ſein rich-
tiges Urtheil erſt, wie verzweifelt wenig dahinter ſtecke.
Man wiederholte ihm ſtuͤndlich als eine Hauptregel
des „Metiers,“ daß der „Artiſte,“ um ein beruͤhm-
tes und in Europa geſuchtes „Suͤjet“ zu werden,
ſich vorzugsweiſe auf ein Stuͤck richten und es in die-
ſem allein zur moͤglichſt-groͤßten Sicherheit und Voll-
endung bringen muͤſſe. Das hin und her Suchen,
Verſuchen, Streben — zerſplittere die Kraft und
bringe zuletzt Leute hervor, die bei kleinen, ſchwach-
beſetzten Truppen als „vielſeitig brauchbar“ ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0017" n="15"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Einunddreißig&#x017F;tes Kapitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p> <hi rendition="#c">Nicht Alles i&#x017F;t Gold, was glänzt; Anton zweifelt an &#x017F;einem Beruf und empfin-<lb/>
det den Druck von Laura&#x2019;s Fe&#x017F;&#x017F;eln. &#x2014; Adele und Adelaide. Ein gutes<lb/>
Mädchen und eine bö&#x017F;e Katze.</hi> </p>
        </argument><lb/>
        <p>Als nach einigen Wochen durch allabendliches Er-<lb/>
&#x017F;cheinen und &#x017F;tets wach&#x017F;enden Beifall Antons Eitelkeit<lb/>
befriedigt, &#x017F;ein Ehrgeiz abge&#x017F;tumpft war, fing er an<lb/>
die leere Nichtigkeit die&#x017F;es Seins und Wirkens zu<lb/>
ahnen. So lange noch ungla&#x0364;ubiger Zweifel von Sei-<lb/>
ten der Reiter&#x017F;chaar und eigene Sehn&#x017F;ucht nach Selb&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit ihn zu rie&#x017F;enhaften An&#x017F;trengungen ermun-<lb/>
tert und darin gekra&#x0364;ftiget, hatte er nur das Ziel &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
nicht de&#x017F;&#x017F;en Bedeutung vor Augen gehabt. Die&#x017F;es<lb/>
Ziel war nun erreicht und nun durch&#x017F;chaute &#x017F;ein rich-<lb/>
tiges Urtheil er&#x017F;t, wie verzweifelt wenig dahinter &#x017F;tecke.<lb/>
Man wiederholte ihm &#x017F;tu&#x0364;ndlich als eine Hauptregel<lb/>
des &#x201E;Metiers,&#x201C; daß der &#x201E;Arti&#x017F;te,&#x201C; um ein beru&#x0364;hm-<lb/>
tes und in Europa ge&#x017F;uchtes &#x201E;Su&#x0364;jet&#x201C; zu werden,<lb/>
&#x017F;ich vorzugswei&#x017F;e auf <hi rendition="#g">ein</hi> Stu&#x0364;ck richten und es in die-<lb/>
&#x017F;em allein zur mo&#x0364;glich&#x017F;t-gro&#x0364;ßten Sicherheit und Voll-<lb/>
endung bringen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Das hin und her Suchen,<lb/>
Ver&#x017F;uchen, Streben &#x2014; zer&#x017F;plittere die Kraft und<lb/>
bringe zuletzt Leute hervor, die bei kleinen, &#x017F;chwach-<lb/>
be&#x017F;etzten Truppen als &#x201E;viel&#x017F;eitig brauchbar&#x201C; &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0017] Einunddreißigſtes Kapitel. Nicht Alles iſt Gold, was glänzt; Anton zweifelt an ſeinem Beruf und empfin- det den Druck von Laura’s Feſſeln. — Adele und Adelaide. Ein gutes Mädchen und eine böſe Katze. Als nach einigen Wochen durch allabendliches Er- ſcheinen und ſtets wachſenden Beifall Antons Eitelkeit befriedigt, ſein Ehrgeiz abgeſtumpft war, fing er an die leere Nichtigkeit dieſes Seins und Wirkens zu ahnen. So lange noch unglaͤubiger Zweifel von Sei- ten der Reiterſchaar und eigene Sehnſucht nach Selbſt- ſtaͤndigkeit ihn zu rieſenhaften Anſtrengungen ermun- tert und darin gekraͤftiget, hatte er nur das Ziel ſelbſt, nicht deſſen Bedeutung vor Augen gehabt. Dieſes Ziel war nun erreicht und nun durchſchaute ſein rich- tiges Urtheil erſt, wie verzweifelt wenig dahinter ſtecke. Man wiederholte ihm ſtuͤndlich als eine Hauptregel des „Metiers,“ daß der „Artiſte,“ um ein beruͤhm- tes und in Europa geſuchtes „Suͤjet“ zu werden, ſich vorzugsweiſe auf ein Stuͤck richten und es in die- ſem allein zur moͤglichſt-groͤßten Sicherheit und Voll- endung bringen muͤſſe. Das hin und her Suchen, Verſuchen, Streben — zerſplittere die Kraft und bringe zuletzt Leute hervor, die bei kleinen, ſchwach- beſetzten Truppen als „vielſeitig brauchbar“ ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/17
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/17>, abgerufen am 28.03.2024.