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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Verlegenheit fragte er hin und her: ob sie heute auf-
treten werde? -- was der Schimmel mache? -- wie
sich Madame Adelaide gestern noch benommen? --
was der Direktor sage? -- nur um zu sprechen. --
Doch vergebens: sie blieb stumm.

Nun gerieth er förmlich in Angst. Zwar wußt'
er, daß sie nur gekommen sei, ihm zu danken; daß sie
dafür keine Worte finde, weil sie sich bedrückt fühle,
ihn bis jetzt so unfreundlich behandelt zu haben; und
schon wollte er, diese peinliche Empfindung in ihre
Seele hinein mit fühlend, so unzart sein, diesen
Punkt zur Sprache zu bringen; blos damit auch sie
endlich die Sprache finden möge; ... da vernahm
er die Treppe herauf Fußtritte, Sporengeklirr,
Säbelgerassel. Aufhorchend deutete er mit der Hand
nach der Thür. Aber in dem nämlichen Augenblick
fühlte er, noch eh' er sie zurückziehen konnte, seine
Hand an ihren Lippen, von heißen Thränen benetzt.
Pardon, Antoine! flüsterte sie entfliehend. -- Die
Thür ging auf. Ein junger Offizier stand ihr
gegenüber.

Nun gab es eine Scene, deren stummes Spiel
vielsagend genannt werden darf.

Verlegenheit fragte er hin und her: ob ſie heute auf-
treten werde? — was der Schimmel mache? — wie
ſich Madame Adelaide geſtern noch benommen? —
was der Direktor ſage? — nur um zu ſprechen. —
Doch vergebens: ſie blieb ſtumm.

Nun gerieth er foͤrmlich in Angſt. Zwar wußt’
er, daß ſie nur gekommen ſei, ihm zu danken; daß ſie
dafuͤr keine Worte finde, weil ſie ſich bedruͤckt fuͤhle,
ihn bis jetzt ſo unfreundlich behandelt zu haben; und
ſchon wollte er, dieſe peinliche Empfindung in ihre
Seele hinein mit fuͤhlend, ſo unzart ſein, dieſen
Punkt zur Sprache zu bringen; blos damit auch ſie
endlich die Sprache finden moͤge; ... da vernahm
er die Treppe herauf Fußtritte, Sporengeklirr,
Saͤbelgeraſſel. Aufhorchend deutete er mit der Hand
nach der Thuͤr. Aber in dem naͤmlichen Augenblick
fuͤhlte er, noch eh’ er ſie zuruͤckziehen konnte, ſeine
Hand an ihren Lippen, von heißen Thraͤnen benetzt.
Pardon, Antoine! fluͤſterte ſie entfliehend. — Die
Thuͤr ging auf. Ein junger Offizier ſtand ihr
gegenuͤber.

Nun gab es eine Scene, deren ſtummes Spiel
vielſagend genannt werden darf.

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[31/0033] Verlegenheit fragte er hin und her: ob ſie heute auf- treten werde? — was der Schimmel mache? — wie ſich Madame Adelaide geſtern noch benommen? — was der Direktor ſage? — nur um zu ſprechen. — Doch vergebens: ſie blieb ſtumm. Nun gerieth er foͤrmlich in Angſt. Zwar wußt’ er, daß ſie nur gekommen ſei, ihm zu danken; daß ſie dafuͤr keine Worte finde, weil ſie ſich bedruͤckt fuͤhle, ihn bis jetzt ſo unfreundlich behandelt zu haben; und ſchon wollte er, dieſe peinliche Empfindung in ihre Seele hinein mit fuͤhlend, ſo unzart ſein, dieſen Punkt zur Sprache zu bringen; blos damit auch ſie endlich die Sprache finden moͤge; ... da vernahm er die Treppe herauf Fußtritte, Sporengeklirr, Saͤbelgeraſſel. Aufhorchend deutete er mit der Hand nach der Thuͤr. Aber in dem naͤmlichen Augenblick fuͤhlte er, noch eh’ er ſie zuruͤckziehen konnte, ſeine Hand an ihren Lippen, von heißen Thraͤnen benetzt. Pardon, Antoine! fluͤſterte ſie entfliehend. — Die Thuͤr ging auf. Ein junger Offizier ſtand ihr gegenuͤber. Nun gab es eine Scene, deren ſtummes Spiel vielſagend genannt werden darf.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/33>, abgerufen am 28.03.2024.