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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Kunde: Herr Amelot sei eingetroffen, habe auch
bereits dem Direktor eine Antritts-Visite abgestattet,
um sich und seine Künste zu offeriren.

Wir haben weiter oben Herrn Amelot, den von
Laura getrennt-lebenden Gatten, Seiltänzer genannt.
Das war er eigentlich nicht. Jm Beginn seiner Lauf-
bahn soll er sich wohl auch in jener Richtung versucht
haben, doch ohne vorzüglichen Erfolg; weshalb er
sich später ausschließlich zum Springer bildete und
als solcher die höchst mögliche Wirkung erreichte.
Seine Körperkraft und Gewandheit konnte nur mit
seinem Muthe, der jede Gefahr gering schätzte, ver-
glichen werden. Er trotzte dem Tode, wie wenn er
ihn aufsuchen wollte; man sah seine Haupt-Stücke
nicht ohne Schauder an. Doch in diesem Schauder
gerade besteht für viele Zuschauer, ja unglaublicher
Weise für viele Zuschauerinnen ein eigenthümlicher
Reiz; dieser war es denn auch zunächst, der ihm --
abgesehen von seiner allerliebsten Figur, welche auch
das ihre gethan, -- Laura's Neigung gewonnen.
Sie nannte ihn zwar jetzt, sobald von ihm die Rede
war, nicht anders als: "Ungeheuer," wie wenn das
sein Taufname gewesen wäre. Doch daß er ihr noch
nicht gleichgültig sei, und daß sie öfter, als Anton

Kunde: Herr Amelot ſei eingetroffen, habe auch
bereits dem Direktor eine Antritts-Viſite abgeſtattet,
um ſich und ſeine Kuͤnſte zu offeriren.

Wir haben weiter oben Herrn Amelot, den von
Laura getrennt-lebenden Gatten, Seiltaͤnzer genannt.
Das war er eigentlich nicht. Jm Beginn ſeiner Lauf-
bahn ſoll er ſich wohl auch in jener Richtung verſucht
haben, doch ohne vorzuͤglichen Erfolg; weshalb er
ſich ſpaͤter ausſchließlich zum Springer bildete und
als ſolcher die hoͤchſt moͤgliche Wirkung erreichte.
Seine Koͤrperkraft und Gewandheit konnte nur mit
ſeinem Muthe, der jede Gefahr gering ſchaͤtzte, ver-
glichen werden. Er trotzte dem Tode, wie wenn er
ihn aufſuchen wollte; man ſah ſeine Haupt-Stuͤcke
nicht ohne Schauder an. Doch in dieſem Schauder
gerade beſteht fuͤr viele Zuſchauer, ja unglaublicher
Weiſe fuͤr viele Zuſchauerinnen ein eigenthuͤmlicher
Reiz; dieſer war es denn auch zunaͤchſt, der ihm —
abgeſehen von ſeiner allerliebſten Figur, welche auch
das ihre gethan, — Laura’s Neigung gewonnen.
Sie nannte ihn zwar jetzt, ſobald von ihm die Rede
war, nicht anders als: „Ungeheuer,“ wie wenn das
ſein Taufname geweſen waͤre. Doch daß er ihr noch
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[42/0044] Kunde: Herr Amelot ſei eingetroffen, habe auch bereits dem Direktor eine Antritts-Viſite abgeſtattet, um ſich und ſeine Kuͤnſte zu offeriren. Wir haben weiter oben Herrn Amelot, den von Laura getrennt-lebenden Gatten, Seiltaͤnzer genannt. Das war er eigentlich nicht. Jm Beginn ſeiner Lauf- bahn ſoll er ſich wohl auch in jener Richtung verſucht haben, doch ohne vorzuͤglichen Erfolg; weshalb er ſich ſpaͤter ausſchließlich zum Springer bildete und als ſolcher die hoͤchſt moͤgliche Wirkung erreichte. Seine Koͤrperkraft und Gewandheit konnte nur mit ſeinem Muthe, der jede Gefahr gering ſchaͤtzte, ver- glichen werden. Er trotzte dem Tode, wie wenn er ihn aufſuchen wollte; man ſah ſeine Haupt-Stuͤcke nicht ohne Schauder an. Doch in dieſem Schauder gerade beſteht fuͤr viele Zuſchauer, ja unglaublicher Weiſe fuͤr viele Zuſchauerinnen ein eigenthuͤmlicher Reiz; dieſer war es denn auch zunaͤchſt, der ihm — abgeſehen von ſeiner allerliebſten Figur, welche auch das ihre gethan, — Laura’s Neigung gewonnen. Sie nannte ihn zwar jetzt, ſobald von ihm die Rede war, nicht anders als: „Ungeheuer,“ wie wenn das ſein Taufname geweſen waͤre. Doch daß er ihr noch nicht gleichguͤltig ſei, und daß ſie oͤfter, als Anton

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/44>, abgerufen am 28.03.2024.