Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht los und bald hatte sich die letzte Spur von
Widersetzlichkeit verloren. Die Gondel wurde an
einen Feldbirnbaum befestiget, die schöne Luftschifferin
erreichte, über Antons Kopf, Schultern, Rücken klet-
ternd, unversehrt den Erdboden.

Das war Hülfe in der Noth! rief sie aus; wäret
Jhr, guter Freund, nicht herbeigekommen, wer weiß,
ob der Ostwind mich nicht bis nach jenem Gehölz
getrieben und mir den Ballon in den Baumzweigen
beschädiget hätte. Nun aber setzt Eurem guten Werke
die Krone auf und rennt nach dem nächsten Dorfe,
mir einen Bauerwagen und einige Arbeitsleute her-
beizurufen, damit wir vor Nacht in's Reine kommen.
Jch werde Euch für Eure Mühe anständig bezahlen.

"Womit?" fragte Anton.

Womit? die Frage klingt verzweifelt naiv; womit
bezahlt man sonst, als mit Gelde? Oder herrscht hier
zu Lande ein anderer Brauch?

"Es kommt darauf an, Madame, wen man
bezahlt, und wer bezahlen soll."

Seht doch! Jhr spitzt Eure Redensarten gewal-
tig zu. Seid Jhr ein Schneider?

"Jhr meint, weil ich mein Ränzel auf dem Buckel
trage, müßt' ich ein Handwerksbursche sein? Aber so

nicht los und bald hatte ſich die letzte Spur von
Widerſetzlichkeit verloren. Die Gondel wurde an
einen Feldbirnbaum befeſtiget, die ſchoͤne Luftſchifferin
erreichte, uͤber Antons Kopf, Schultern, Ruͤcken klet-
ternd, unverſehrt den Erdboden.

Das war Huͤlfe in der Noth! rief ſie aus; waͤret
Jhr, guter Freund, nicht herbeigekommen, wer weiß,
ob der Oſtwind mich nicht bis nach jenem Gehoͤlz
getrieben und mir den Ballon in den Baumzweigen
beſchaͤdiget haͤtte. Nun aber ſetzt Eurem guten Werke
die Krone auf und rennt nach dem naͤchſten Dorfe,
mir einen Bauerwagen und einige Arbeitsleute her-
beizurufen, damit wir vor Nacht in’s Reine kommen.
Jch werde Euch fuͤr Eure Muͤhe anſtaͤndig bezahlen.

„Womit?“ fragte Anton.

Womit? die Frage klingt verzweifelt naiv; womit
bezahlt man ſonſt, als mit Gelde? Oder herrſcht hier
zu Lande ein anderer Brauch?

„Es kommt darauf an, Madame, wen man
bezahlt, und wer bezahlen ſoll.“

Seht doch! Jhr ſpitzt Eure Redensarten gewal-
tig zu. Seid Jhr ein Schneider?

„Jhr meint, weil ich mein Raͤnzel auf dem Buckel
trage, muͤßt’ ich ein Handwerksburſche ſein? Aber ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="7"/>
nicht los und bald hatte &#x017F;ich die letzte Spur von<lb/>
Wider&#x017F;etzlichkeit verloren. Die Gondel wurde an<lb/>
einen Feldbirnbaum befe&#x017F;tiget, die &#x017F;cho&#x0364;ne Luft&#x017F;chifferin<lb/>
erreichte, u&#x0364;ber Antons Kopf, Schultern, Ru&#x0364;cken klet-<lb/>
ternd, unver&#x017F;ehrt den Erdboden.</p><lb/>
        <p>Das war Hu&#x0364;lfe in der Noth! rief &#x017F;ie aus; wa&#x0364;ret<lb/>
Jhr, guter Freund, nicht herbeigekommen, wer weiß,<lb/>
ob der O&#x017F;twind mich nicht bis nach jenem Geho&#x0364;lz<lb/>
getrieben und mir den Ballon in den Baumzweigen<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;diget ha&#x0364;tte. Nun aber &#x017F;etzt Eurem guten Werke<lb/>
die Krone auf und rennt nach dem na&#x0364;ch&#x017F;ten Dorfe,<lb/>
mir einen Bauerwagen und einige Arbeitsleute her-<lb/>
beizurufen, damit wir vor Nacht in&#x2019;s Reine kommen.<lb/>
Jch werde Euch fu&#x0364;r Eure Mu&#x0364;he an&#x017F;ta&#x0364;ndig bezahlen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Womit?&#x201C; fragte Anton.</p><lb/>
        <p>Womit? die Frage klingt verzweifelt naiv; womit<lb/>
bezahlt man &#x017F;on&#x017F;t, als mit Gelde? Oder herr&#x017F;cht hier<lb/>
zu Lande ein anderer Brauch?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es kommt darauf an, Madame, <hi rendition="#g">wen</hi> man<lb/>
bezahlt, und <hi rendition="#g">wer</hi> bezahlen &#x017F;oll.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Seht doch! Jhr &#x017F;pitzt Eure Redensarten gewal-<lb/>
tig zu. Seid Jhr ein Schneider?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jhr meint, weil ich mein Ra&#x0364;nzel auf dem Buckel<lb/>
trage, mu&#x0364;ßt&#x2019; ich ein Handwerksbur&#x017F;che &#x017F;ein? Aber &#x017F;o<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0011] nicht los und bald hatte ſich die letzte Spur von Widerſetzlichkeit verloren. Die Gondel wurde an einen Feldbirnbaum befeſtiget, die ſchoͤne Luftſchifferin erreichte, uͤber Antons Kopf, Schultern, Ruͤcken klet- ternd, unverſehrt den Erdboden. Das war Huͤlfe in der Noth! rief ſie aus; waͤret Jhr, guter Freund, nicht herbeigekommen, wer weiß, ob der Oſtwind mich nicht bis nach jenem Gehoͤlz getrieben und mir den Ballon in den Baumzweigen beſchaͤdiget haͤtte. Nun aber ſetzt Eurem guten Werke die Krone auf und rennt nach dem naͤchſten Dorfe, mir einen Bauerwagen und einige Arbeitsleute her- beizurufen, damit wir vor Nacht in’s Reine kommen. Jch werde Euch fuͤr Eure Muͤhe anſtaͤndig bezahlen. „Womit?“ fragte Anton. Womit? die Frage klingt verzweifelt naiv; womit bezahlt man ſonſt, als mit Gelde? Oder herrſcht hier zu Lande ein anderer Brauch? „Es kommt darauf an, Madame, wen man bezahlt, und wer bezahlen ſoll.“ Seht doch! Jhr ſpitzt Eure Redensarten gewal- tig zu. Seid Jhr ein Schneider? „Jhr meint, weil ich mein Raͤnzel auf dem Buckel trage, muͤßt’ ich ein Handwerksburſche ſein? Aber ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/11
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/11>, abgerufen am 19.04.2024.