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Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Papa Hamlet. Übers. v. Bruno Franzius. Leipzig, 1889.

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sitze eines guten Herzens. Und, das musste
wahr sein, denn sie sagte es selbst und ver¬
goss jedesmal Thränen dabei. Indessen war
ihr dieser Besitz noch nicht allzu gefährlich
geworden. Denn es war ihr noch Niemand
durchgebrannt und sie war noch immer zu ihrem
Gelde gekommen; und das war oft ein Stück
Arbeit gewesen. Frau Rosine Wachtel konnte
das Jeden versichern . . .

"Ach, Du Würmeken! Ach, mein Putteken!
Hab'n se Dir so in'n Korb jestochen!"

Die gute Frau Wachtel war ganz gerührt.
Aber plötzlich aus irgend einem Grunde, wahr¬
scheinlich, weil draussen auf dem Flur eben
Jemand die Treppe heraufzukommen schien,
hielt sie es jetzt doch für besser, sich schnell
noch mal nach ihrer Küche umzusehn . . .

Der grosse Thienwiebel, der etwas un¬
geduldig gewartet hatte, bis ihr runder, trivialer
Rücken endlich hinter der Thür verschwunden
war, weil er wieder etwas wie einen Monolog
in sich verspürte, war jetzt tragisch auf das
kleine, runde Spiegelchen über der Kommode
zugetreten, aus dem ihm nun sein schöner, edel¬
geformter Apollokopf melancholisch zunickte.

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sitze eines guten Herzens. Und, das musste
wahr sein, denn sie sagte es selbst und ver¬
goss jedesmal Thränen dabei. Indessen war
ihr dieser Besitz noch nicht allzu gefährlich
geworden. Denn es war ihr noch Niemand
durchgebrannt und sie war noch immer zu ihrem
Gelde gekommen; und das war oft ein Stück
Arbeit gewesen. Frau Rosine Wachtel konnte
das Jeden versichern . . .

„Ach, Du Würmeken! Ach, mein Putteken!
Hab'n se Dir so in'n Korb jestochen!“

Die gute Frau Wachtel war ganz gerührt.
Aber plötzlich aus irgend einem Grunde, wahr¬
scheinlich, weil draussen auf dem Flur eben
Jemand die Treppe heraufzukommen schien,
hielt sie es jetzt doch für besser, sich schnell
noch mal nach ihrer Küche umzusehn . . .

Der grosse Thienwiebel, der etwas un¬
geduldig gewartet hatte, bis ihr runder, trivialer
Rücken endlich hinter der Thür verschwunden
war, weil er wieder etwas wie einen Monolog
in sich verspürte, war jetzt tragisch auf das
kleine, runde Spiegelchen über der Kommode
zugetreten, aus dem ihm nun sein schöner, edel¬
geformter Apollokopf melancholisch zunickte.

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[33/0037] sitze eines guten Herzens. Und, das musste wahr sein, denn sie sagte es selbst und ver¬ goss jedesmal Thränen dabei. Indessen war ihr dieser Besitz noch nicht allzu gefährlich geworden. Denn es war ihr noch Niemand durchgebrannt und sie war noch immer zu ihrem Gelde gekommen; und das war oft ein Stück Arbeit gewesen. Frau Rosine Wachtel konnte das Jeden versichern . . . „Ach, Du Würmeken! Ach, mein Putteken! Hab'n se Dir so in'n Korb jestochen!“ Die gute Frau Wachtel war ganz gerührt. Aber plötzlich aus irgend einem Grunde, wahr¬ scheinlich, weil draussen auf dem Flur eben Jemand die Treppe heraufzukommen schien, hielt sie es jetzt doch für besser, sich schnell noch mal nach ihrer Küche umzusehn . . . Der grosse Thienwiebel, der etwas un¬ geduldig gewartet hatte, bis ihr runder, trivialer Rücken endlich hinter der Thür verschwunden war, weil er wieder etwas wie einen Monolog in sich verspürte, war jetzt tragisch auf das kleine, runde Spiegelchen über der Kommode zugetreten, aus dem ihm nun sein schöner, edel¬ geformter Apollokopf melancholisch zunickte. 3

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Zitationshilfe: Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Papa Hamlet. Übers. v. Bruno Franzius. Leipzig, 1889, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_hamlet_1889/37>, abgerufen am 28.03.2024.